Das große Fischsterben
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- Zu wenig Sauerstoff, zu viel Phosphor
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Die Oder ist aktuell nur ein besonders drastisches Beispiel für die Verschmutzung vieler Binnengewässer. Renaturierung und Uferbepflanzung könnten zumindest verhindern, dass sich Flüsse im Sommer schnell aufheizen, was die Giftkonzentration erhöht.
Bei der Suche nach den Gründen für das Fischsterben in der Oder deutet vieles auf multifaktorielle Ursachen hin: Pestizide, giftige Algen, niedrige Pegelstände und industrielle Abwässer. Im Steinkohlebergbau werden beispielsweise hohe Salzfrachten bzw. Grubenwasser in die Gewässer geleitet.
Inzwischen wird in Medienberichten ein Bergbaukonzern im polnischen Głógów für das Fischsterben verantwortlich gemacht. Zwischen dem 29. Juli und 10. August 2022 soll das Werk KGHM große Mengen an Salzwasser aus der Erzflotation und den Minen in die Oder ganz eingeleitet haben. Mit seinem niedrigen Wasserstand habe der Fluss die hohen Salzkonzentrationen nicht verkraftet, hieß es.
Die Wasserbehörden hätten den Abfluss verbieten müssen, kritisiert die polnische Opposition. Das Salz schuf gute Bedingungen für das Algenwachstum im Wasser, wie es heißt. Eine hohe Salzfracht, kombiniert mit einem hohen PH-Wert bei niedrigen Wasserständen kann toxisch für Fische und eine unmittelbare Todesursache sein. Während sich salztolerante Arten durchsetzen, verschwinden viele im Fluss lebenden Tier- und Pflanzenarten.
Auch beim Abbau von Kali fällt Salzlauge an, die in den Fluss geleitet oder in den Boden verpresst wird, wie etwa beim Salzabbau durch das Unternehmen Kali & Salz. Ende des letzten Jahres hatte das Regierungspräsidium Kassel dem Konzern bis Ende Dezember 2027 die Erlaubnis zur Entsorgung von Salzabwässern in die Werra erteilt. Gleichzeitig sollen die Grenzwerte schrittweise gesenkt werden, wie es hieß.
Seit langem protestieren Umweltorganisationen wie der BUND und Anwohner gegen die Einleitung von Salz in die Werra, aber auch gegen die Verpressung von Salzlauge. Der Regen spüle das Salz ins Erdreich, von da aus gelange es in den Fluss, so das Argument.
Auch eine dauerhafte Abdeckung der zur Kali & Salz gehörigen Halde Hattorf auf einer Fläche von 9,5 Hektar könne das Abwasserproblem nicht lösen, kritisiert der BUND. Im Gegenteil: Durch die Vergößerung dreier Großhalden in Hessen werde die Menge an Salzabwasser aus den Halden noch steigen.
Der Fluss entspringt in Thüringen, durchquert Nordhessen und gilt als einer der beiden Hauptquellflüsse der Weser. Seit Jahren verschlechtert sich die Wasserqualität in der Werra zusehends. Gerade mal zwei Prozent des Flusses befinden sich in einem guten ökologischen Zustand.
Elbe: Sterben Fische wegen Ausbaggerung?
Was die Gewässer rund um Hamburg betrifft, so warnen Experten ebenfalls vor Sauerstoffmangel, niedrigem Wasserpegel, Fischsterben und Blaualgen. Seit mehreren Wochen werden immer wieder tote Fische angespült, hieß es Ende Juni. Darunter seien große Störe gewesen, die erst vor wenigen Jahren an der Elbe angesiedelt wurden. Fischer berichten, dass sie ihre Netze nicht mehr bei Hamburg, sondern weiter stromabwärts auswerfen.
Das sommerliche Sauerstoffloch in der Elbe ist kein neues Phänomen. In diesem Jahr aber war die sauerstoffarme, für die Fische lebensgefährliche Zone mit einer Ausdehnung von 45 Kilometern so groß wie nie zuvor, meldete das ZDF. Demnach war die Sauerstoffkonzentration Ende Juni auf einen Wert unter zwei Milligramm pro Liter gesunken. Das bedeutet für die Fische den Tod.
Bereits ab vier Milligramm wird es kritisch für die Tiere. Hinzu kommt die Erwärmung: So besitzt 28 Grad warmes Wasser nur ein Drittel des Sauerstoffs im Vergleich zu Wasser, das nur zehn Grad warm ist. In diesem Fall bleibt den Fischen buchstäblich die Luft weg.
Immerhin entwickelte die Stadt inzwischen ein Frühwarnsystem für Giftstoffe in der Elbe. Ständig werden verschiedene Werte wie Wassertemperatur, PH-Wert und Sauerstoff-Konzentration gemessen. Laut René Schwartz von der Umweltbehörde kommt noch ein biologisches Frühwarnsystem hinzu: Ändert sich das Schwimmverhalten kleiner Wasserflöhe, werden sofort Proben genommen und analysiert.
Als Ursache verwies die Hamburger Umweltbehörde auf die Trübung des Wassers: Im Hafenbereich unterhalb von etwa einem Meter Tiefe sei es so dunkel gewesen, dass Algen, die normalerweise im lichtdurchfluteten Wasser Photosynthese betreiben, die Sauerstoffproduktion einstellten. Steigende Temperaturen beschleunigten diesen Prozess. Normalerweise fließt sauerstoffreicheres Wasser aus der Mittelelbe nach, weshalb der Effekt abgeschwächt wird.
Doch in diesem Jahr hatte das einfließende Wasser eine ungewöhnlich niedrige Sauerstoffkonzentration. Das ließe den Sauerstoffgehalt auch in der Hamburger Tideelbe sinken. Dies wiederum löste ein Massensterben bei den Fischen aus. Betroffen ist unter anderem der Stint: Normalerweise wandern die Jungfische im Sommer durch den Hafen zurück in Richtung Nordsee. Nun ersticken ganze Jahrgänge im Sauerstoffloch.
Auf Grund der ständigen Baggerei an der Fahrrinne wird die Trübung in der Elbe dauerhaft hochgehalten, was wiederum die Sauerstoffzehrung begünstigt, ist Linda Kahl überzeugt. Die Elbe brauche Luft, und die erhalte man etwa durch Flachwasserzonen, in denen Photosynthese stattfindet. Die Ursache ist sie die BUND-Fachreferentin in dem ständigen Ausbaggern der Elbe sowie dem Baggern im Hafenbereich. Sie fordert für die Sommermonate einen Stopp der Arbeiten.
Die Vertiefungen hätten zu einem Rückgang der wertvollen Flachwasserbereiche geführt, klagen auch Umweltbehörden und -verbände. Laut Wirtschaftsbehörde würden aus Rücksicht auf den ökologischen Lebensraum Elbe nur notwendige Arbeiten in den Sommermonaten durchgeführt. Diese seien zum Erhalt der Wassertiefen und für die Schiffbarkeit unerlässlich. Ändert sich am Zustand der Elbe nichts, werden wohl viele Fischer gezwungen sein, die Fischerei einzustellen.
Auch die Aller bei Wolfsburg enthielt bis vor Kurzem extrem wenig Sauerstoff. Anfang August schwammen die Fische an der Oberfläche, um nach Luft zu schnappen. Durch Frischwasserzufuhr sollte das Fischsterben vorübergehend aufgehalten werden. Auch eine Umsiedlung der Fische in den Mittellandkanal wurde angedacht, doch einige Arten würden dort nicht überleben, wie es hieß.
Binnengewässer schrumpfen weltweit
Seen und Flüsse bedecken weniger als ein Prozent der Erdoberfläche. Doch sie bieten Lebensraum für ein Drittel der Wirbeltierarten und zehn Prozent aller Arten. Die weltweiten Wasserressourcen sind derzeit stärker bedroht denn je. Das ist das Ergebnis des so genannten World Climate Statement, in dem im September 2020 mehr als 100 Fachgesellschaften für Wasserforschung ihre Ergebnisse veröffentlichten.
Der Klimawandel wirkt sich massiv auf Süß- und Meerwasser-Ökosysteme aus. Demnach haben sich ändernde Temperaturen eklatante Auswirkungen auf alle Pflanzen- und Tierarten, die sich das Tempo der globalen Erwärmung nicht schnell genug anpassen können. Die Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht. So führen höhere Temperaturen und ausgeprägte Dürreperioden dazu, dass sich Menge und Qualität des Wassers verändern.
Sich ändernde Temperaturen beeinflussen biologische und chemische Prozesse, aber auch die Größe eines Organismus, Fortpflanzung und Verbreitung einer Art sowie den Zeitpunkt der Fortpflanzung. Bereits geringe Temperaturveränderungen wirken sich auf Kälte liebende Arten aus. Oft können sich bestimmte Pflanzen- und Tierarten sich an das Tempo der globalen Erwärmung nicht schnell genug anpassen. Die Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht.
Es treten vermehrt Algen auf, während der Sauerstoffgehalt im Wasser weiter sinkt. Invasive Arten breiten sich aus, wobei sie die einheimischen verdrängen. Dies bedroht nicht nur den Artenreichtum in Seen und Flüssen, auch die Nahrungsgrundlage von Millionen Menschen ist in Gefahr.