Das große Fischsterben

Seite 2: Zu wenig Sauerstoff, zu viel Phosphor

Auch in Deutschland verändern sich seit Jahren Seen und Flüsse unter dem Einfluss des Klimawandels. Zum Beispiel am Stechlinsee in Brandenburg. Hier sind die Temperaturunterschiede groß: Wurden an der Oberfläche 18,4 Grad gemessen, so sind es 5,3 Grad in 45 Meter Tiefe. Die Wassertemperatur an der Oberfläche stieg in den vergangenen Jahren um gut zwei Grad.

Normalerweise mischen sich im Herbst und im Frühjahr die oberen mit den unteren Wasserschichten, doch diese Phasen verkürzen sich nun zusehends. Der Sauerstoffgehalt an der Wasseroberfläche ist mit gut hundert Prozent gesättigt, in 45 Meter Tiefe sind es nur noch 2,7 Prozent. Auch der Phosphorgehalt im See habe sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht, erklärt Mark Gessner, Leiter des Seelabors am Stechlinsee.

In der Folge haben sich die Wasserorganismen wie Bakterien, Algen, Pilze oder winzige Krebstiere, die das Wasser eintrüben, stark vermehrt. Infolgedessen sinkt der Sauerstoffanteil. Für die Fontane-Maräne, eine endemische Fischart, die nur im Stechlinsee vorkommt, könnte dies langfristig das Aus bedeuten.

Auch der Zicksee in Österreich droht auszutrocknen. Um ihnen das Leben zu retten, wurde ein Großteil der Fische vorher umgesiedelt. Für viele Fische kam die Aktion jedoch zu spät: Mehr als 30 Tonnen Karpfen waren bereits verendet. Auch der Bodensee trocknet aus. Anfang August hatte sich auf dem Oberflächenwasser ein stinkender Algenteppich gebildet.

Begradigte Flüsse heizen sich schneller auf

In der Bever, im nördlichen Kreis Warendorf, war Fischsterben bisher unbekannt – bis Ende Juni plötzlich Schleie und Karpfen tot auf dem Wasser trieben. Auf hundert Metern wurden 30 tote Fische gezählt. Wie die meisten Flüsse in Westfalen wurde die 40 Kilometer lange Bever durchgehend begradigt, um Ackerflächen zu gewinnen. Die Äcker grenzen direkt an die Flussufer an. Bei starkem Regen werden Dünger und Gülle direkt ins Wasser gespült.

Kaum ein Baum wirft seinen Schatten auf den Fluss, unter der Sonne heizt sich das Wasser ungehindert auf. Solche Flüsse sind im Klimawandel nicht überlebensfähig, weiß Olaf Niepagenkemper vom Fischereiverband Westfalen-Lippe. Sie können die steigenden Temperaturen nicht selbständig regulieren. An häufigeres Fischsterben vor allem in begradigten Flüssen werde man sich daher gewöhnen müssen.

Dem Umweltministerium zufolge ist bereits ein Drittel der heimischen Fischarten in ihrem Bestand bedroht, darunter Äsche, Lachs und Aal. Nur eine konsequente Renaturierung könnte die bedrohliche Entwicklung abbremsen, glauben die Experten vom Fischereiverband.

Einer EU-Wasserrahmenrichtlinie zu Folge sind alle Länder der EU dazu verpflichtet, die Fließgewässer und Seen bis zum Jahr 2027 wieder in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. In NRW ist die ökologische Verfassung bei 90 Prozent der Gewässer äußerst kritisch. In den anderen Bundesländern dürfte die Situation kaum besser sein.