Das letzte Hurra...
...und die kommenden Kriege
Auch der neueste Bericht des amerikanischen Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh dürfte für einigen Wirbel sorgen. Was viele von der zweiten Amtsperiode des amerikanischen Präsidenten befürchteten, wird von den Quellen, die Hersh zitiert, bestätigt: Die Regierung Bush will in ihrem Krieg gegen den Terrorismus noch aggressiver gegen unliebsame Regimes vorgehen, das nächste Ziel soll der Iran sein. "The next step is Iran. It's definitely there. They're definitely planning", sagte Hersh gegenüber CNN.
Der Irak sei nur ein Feldzug im Krieg gegen den Terrorismus; die Regierung Bush betrachte den "War against Terrorism" als eine "große Kampfzone", berichtete ein ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes dem Journalisten. Mehrere Interviews, die Hersh mit einem früheren Regierungsberater, der enge Kontakte zum Pentagon hält, und anderen Insidern durchgeführt hat, würden darauf hindeuten, dass der Iran als nächstes im Visier der amerikanischen Regierung sei, die sich in ihrem kriegerischen Kurs durch die Wiederwahl von Präsident Bush bestätigt sehe.
Als nächstes werden wir eine "Iranian Campaign" haben. Wir haben den Krieg erklärt und die "bad guys", wo immer sie auch stecken, sind unsere Feinde. Das ist das letzte "Hurra" - wir haben vier Jahre bekommen und wollen am Ende sagen können, dass wir den Krieg gegen den Terrorismus gewonnen haben.
Auf den Einwand, dass der Feldzug im Irak auf größere Probleme stoße, würde, so Hershs Quellen, in Pentagon-Kreisen geantwortet: "Wir haben einige Lektionen lernen müssen - nicht militärisch, aber wie wir es politisch durchgezogen haben. Wir werden uns künftig nicht mehr auf die Leute von der "Agency" verlassen."
Das ist der rote Faden, der sich durch Hershs "The coming Wars" zieht: In der zweiten Amtsperiode, nachdem die Botschaft der "Neinsager" vom amerikanischen Volk gehört, aber nicht akzeptiert wurde (Rumsfeld), soll die Macht des Pentagon weiter gestärkt werden, die Bedeutung des CIA weiter abgebaut und die Kontrollmöglichkeiten des Kongresses beschnitten bzw. umgangen werden, um den Krieg gegen den Terrorismus zu expandieren.
Verdeckte Operationen gegen "terroristische Ziele" in zehn Ländern des Mittleren Ostens und in Südasien
Die CIA soll nach Hershs Informanten künftig mehr oder weniger dazu dienen, die Politik von Bush und Cheney gut zu verkaufen - ähnlich wie bereits im Vorfeld des Irak-Krieges; Rumsfeld würde trotz gewachsener Kritik am Verteidigungsminister in der zweiten Amtsperiode noch wichtiger und mächtiger. Die neue Agenda sei schon vor den Wahlen festgelegt worden und das Meiste darin in Rumsfelds Verantwortung gestellt.
Die spektakulärste Enthüllung Hershs in diesem Zusammenhang: Der amerikanische Präsident soll eine Anzahl von Papieren unterzeichnet haben, die es geheimen Kommandotruppen und Special Forces Einheiten gestatten, verdeckte Operationen gegen "terroristische Ziele" in zehn Ländern des Mittleren Ostens und in Südasien durchzuführen.
Das Pentagon fühle sich nicht verpflichtet, dem Kongress darüber zu berichten. Im Verteidigungsministerium würde man dies nicht einmal "covert ops" nennen, weil dies zu nahe an einer CIA-Formulierung sei, sondern "black reconnaissance". Und nicht einmal die Stabschefs der regionalen Armeeeinheiten würden davon erfahren. Musste die CIA noch vor Senats-oder Kongressausschüssen Rechenschaft ablegen, müssen Rumsfelds Männer das jetzt nicht mehr.
"Reconnaissance-Missions"
Seit Sommer letzten Jahres hat die Regierung solche "Reconnaissance-Missions" im Iran durchgeführt, vor allem, um mehr über den Stand des iranischen Nuklearprogramms, der Raketentechnik und möglicher chemischer Waffen zu erfahren. Ziel sollte sein, mindestens drei Dutzend Ziele auszumachen, die dann durch Angriffe mit Präzisionsbomben oder dem Einsatz eines Spezialkommandos zerstört werden könnten.
Anders als die Europäer setzt man im Pentagon nicht auf Verhandlungen, um der möglichen Bedrohung durch Irans Atomwaffen zu entgegnen: "Die Zivilisten im Pentagon wollen in den Iran, um dort soviel militärische Infrastruktur wie möglich zu zerstören." Nach Ansicht der Neokonservativen, so wird ein Offizieller der International Atomic Energy Agency zitiert, seien Verhandlungen ein schlechter Deal. Das einzige, was die Iraner verstehen würden, sei Druck. "Man sollte ihnen einen Schlag versetzen".
Genaues über den Stand des iranischen Nuklearprogramms ist nicht bekannt, in einigen Jahren könnte der Iran in der Lage sein, einen Atomgefechtskopf auf eine seiner Raketen mit großen Reichweiten zu setzen, noch hat man anscheinend einige Probleme. Um den Bau der Atombombe zu verhindern und gleichzeitig der Irak-Blamage ("Wo sind die Massenvernichtungswaffen") zu entgehen, hat das Pentagon Hershs Informanten zufolge, schon mehrere Spähtrupps in den Iran gesandt. Zum Teil mit pakistanischen Wissenschaftlern, die mit iranischen Atomforschern zusammengearbeitet haben und dem Geheimdienst.
Eine neue Version der jubelnden "Befreiten"
So sei es einer Task-Force gelungen, den Iran von Afghanistan aus zu betreten - um unterirdische Anlagen ausfindig zu machen, unterstützt wurden die Späher von "Sniffer"-Geräten, die radioaktive Emissionen und andere "Beweise von Nulearanreicherungsprogrammen" aufspüren. Als Gegenleistung für pakistanische Dienste in dieser Sache würde von amerikanischer Seite nichts gegen A. Q. Khan, den "Vater der pakistanischen Atombombe", unternommen. Präsident Muscharraf hatte sich bislang geweigert, die obskuren Aktivitäten von Khan einer internationalen, genaueren Untersuchung zu unterziehen (Bush will Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verhindern). Durch diese außergewöhnliche Zusammenarbeit mit den USA besteht, was die pakistanische Verwicklungen in den "grauen Nuklear-Markt" angeht, wohl in naher Zukunft auch kein gesteigerter Aufklärungsbedarf.
Zwar sei zunächst nur die Ausschaltung der iranischen Nuklearanlagen bezweckt, doch glauben anscheinend viele im Pentagon, darunter Rumsfeld und Wolfowitz, dass ein Angriff auf den Iran auch das Regime der Mullahs beseitigen könnte. Nach deren Vorstellungen könnte das Regime kollabieren wie einst die kommunistischen Regierungen in Osteuropa. Eine neue Version der jubelnden "Befreiten", die allerdings nicht von allen Experten geteilt wird.
Doch nicht nur der Iran ist im Visier des gestärkten Pentagon. Auch in Algerien, im Sudan, im Jemen, Syrien und Malaysia sollen "Action Teams" eingesetzt werden, ohne Rechenschaft vor dem Kongress. Getarnt als Geschäftsleute sollen diese Truppen das "Kampffeld" vorbereiten, wenn es sein muss unter dem Cover einer terroristischen Vereinigung.
Im Weißen Haus dementiert man die Informationen nicht ganz, sondern eher halbherzig. So sagte Dan Bartlett in einer ersten Stellungnahme gegenüber CNN, der Bericht sei "übersät mit Ungenauigkeiten". Daraus ließe sich ableiten, dass er im Grundsätzlichen richtig sein könnte. Bartlett betonte zwar, dass man mit den Europäern an einer diplomatischen Lösung arbeite, aber sagte auch, dass noch kein US-Präsident die Anwendung militärischer Gewalt prinzipiell ausgeschlossen habe. Und vorsichtig meinte er: "Ich glaube nicht, dass alle Schlussfolgerungen, die er zieht, auf Tatsachen basieren."
Masood Khan, Sprecher des pakistanischen Außenministeriums, stritt "kategorisch" ab, dass die Regierung den Amerikanern bei verdeckten Operationen in Iran geholfen habe: "Es gibt keine solche Zusammenarbeit. Wir haben keine Information über das iranische Atomprogramm."