Bush will Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verhindern
Mit seiner gestern vorgestellten Initiative hält der US-Präsident an der stets gepflegten Politik mit zweierlei Maß fest, IAEA-Chef fordert hingegen eine globale nukleare Abrüstung
Um das Ansehen der von der Bush-Regierung geführten USA steht es weltweit nicht gut. Nach dem Krieg gegen den Irak, der als Präventivkrieg gerechtfertigt wurde, weil Hussein im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei, die aber dann doch nicht auffindbar waren, erwiesen sich die Massenvernichtungswaffen als vorgeschobener, konstruierter Grund für andere politische Interessen. Das hat der Sache, die Proliferation der Massenvernichtungswaffen zu verhindern und diese überhaupt weltweit abzubauen, keinen guten Dienst erwiesen. Nun sucht US-Präsident Bush mit einer neuen Initiative außenpolitischen Boden wieder gut zu machen. Seine einseitigen, aber auch den Status quo zementierenden Vorschläge könnten die Situation allerdings noch weiter verschlimmern.
Die Bush-Regierung hat seit ihrem Antritt unmissverständlich deutlich gemacht, dass die USA die militärische Supermacht bleiben müssen und dass dazu auch weiterhin Atomwaffen notwendig sind. Kern der militärischen Strategie vor dem 11.9. war neben der Sicherung des militärisch immer wichtiger werdenden Weltraums (Die nationale Sicherheit verlagert sich in den Weltraum) die Weiterentwicklung des Raketenabwehrschilds sowie die Einbettung von Atomwaffen in die Militärstrategie (Eine Kombination aus nuklearen und nicht-nuklearen Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten). Dem dient die Weiterentwicklung der Atomwaffen (Neustart der US-Atomwaffen-Produktion) und die Herstellung von Mini-Nukes, also von "kleinen", taktischen Atomwaffen, mit denen etwa ansonsten schwer zerstörbare Ziele unter der Erde vernichtet werden können (Die schmutzige Bombe des Pentagon, US-Kongress bewilligt Gelder für die Entwicklung taktischer Atomwaffen).
America, and the entire civilized world, will face this threat for decades to come. We must confront the danger with open eyes, and unbending purpose. I have made clear to all the policy of this nation: America will not permit terrorists and dangerous regimes to threaten us with the world's most deadly weapons.
Auch nach dem 11.9. war die US-Regierung, obwohl sie dauernd die Angst vor möglichen Anschlägen mit chemischen, biologischen, radiologischen oder nuklearen Waffen beschwor, nicht entschlossen, schon bestehende internationale Abkommen zu stärken, mit denen wirksam die Verbreitung von chemischen und biologischen Waffen verhindert werden könnte. Massiver Druck - der Krieg gegen den Irak sollte hier neben anderen Gründen auch die Entschlossenheit demonstrieren - wird auf Regierungen ausgeübt, die als Gegner deklariert werden und Atomwaffenprogramme haben (sollen), befreundete oder strategisch wichtige Regierungen hingegen wie Israel, Indien oder Pakistan werden gar nicht oder nur mit Samthandschuhen angefasst.
Exempel Pakistan
So sprach Bush in seiner Rede zwar von dem aufgedeckten Netzwerk des pakistanischen Atomwissenschaftlers Abdul Qadeer Khan, der für Pakistan die (islamische ) Atombombe - primär zur Abschreckung von Indien - entwickelte und sich gleichzeitig dadurch bereicherte, dass er Atomtechnologie an Länder wie Nordkorea, Libyen oder den Iran weiter verkaufte. Khan beichtete im pakistanischen Fernsehen sein "Unternehmen", das nun möglicherweise zum Erliegen gekommen ist. Aber vermutlich hätte Khan nicht ohne das Wissen oder auch die Billigung der pakistanischen Regierung so lange seinen lukrativen Geschäften nachgehen konnen. Die Aufteilung des staatlichen und privaten "Atomwaffenprogramms", das beidseits vom pakistanischen "Vater der Atombombe" geleitet wurde, hat nun eine Möglichkeit geschaffen, die pakistanische Regierung zu entlasten. Das könnte auch für andere Staaten zum Vorbild werden. Khan hatte heimlich für Pakistan Atomwaffen entwickelt und sich dadurch ein Schwarzmarktnetz geschaffen, dass schließlich nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zum Verkauf benutzt werden konnte.
Der pakistanische Präsident Musharraf hat denn auch schnell Khan verziehen, selbst wenn er ihn als Berater entlassen musste. Das Netzwerk sei nur das Werk Einzelner gewesen, die nun zur Verantwortung gezogen würden. Der schwunghafte Handel werde aber Pakistan nicht daran hindern, seine Atomwaffen weiter zu entwickeln. In diesem Fall reicht es für Bush offenbar, dass Musharraf Beteiligte befragen und verhindern will, dass weiterhin mit Atomtechnologie gehandelt wird. Er habe versprochen, alle Informationen über Khans Netzwerk weiter zu geben und sicher zu stellen, dass von Pakistan aus nie wieder Atomwaffentechnik verkauft wird.
Der US-Regierung geht es nicht um nukleare Abrüstung, sie will verhindern, dass neben den schon existierenden Ländern, die über Atomwaffen verfügen, keine weiteren Länder oder Gegner wie Terroristengruppen in deren Besitz kommen können. Richtig ist natürlich, dass Massenvernichtungswaffen immer leichter hergestellt werden können und nicht mehr nur in Besitz von Staaten sein werden. Ihre Existenz dient nicht mehr zur Abschreckung von Angriffen und ihr Einsatz soll keinen konventionellen militärischen Sieg unterstützen. Als Mittel möglicher terroristischer Angriffe durch Täter, die selbst kein Territorium verteidigen und dadurch verletzbar sind, sondern international zerstreut als Netzwerk auftreten, werden sie zu Panik- oder Aufmerksamkeitswaffen, die die immanente Logik der Anschläge, die Wirkung zu steigern, fortsetzen.
Koalition der Willigen weiterhin Hauptmodell der internationalen Politik
Aber mit einer einseitigen Politik, die selbst in Anspruch nimmt, weiterhin im Besitz von Atomwaffen zu sein und damit auch politische Ziele durchsetzen kann, wird man keine überzeugende Strategie durchsetzen können, die Verbreitung von Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen zu verhindern. Hinzu kommt, dass aus dem Selbstinteresse der US-Regierung heraus auch kein Druck auf die anderen Atommächte ausgeübt werden kann. Auch wer bereits Wiederaufbereitungsanlagen besitzt, mit denen sich waffenfähiges Plutonium herstellen lässt, soll dies ruhig weiter tun, nur soll die Technologie nicht an Staaten weiterverkauft werden, die sie noch nicht besitzen. Die Botschaft heißt schlicht, dass wer es geschafft hat - oder schaffen wird -, sich heimlich aufzurüsten, hat gute Chancen, sollte er nicht so unvorsichtig gewesen sein, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, damit durchzukommen. Wenn Staaten weiterhin ihre Macht durch Atomwaffen sichern wollen, dann werden andere Staaten oder politische Akteure stets versucht sein, sich eben diese Waffen zu besorgen, um die Asymmetrie aufzuheben.
Zwar schlägt Bush eine Stärkung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vor und befürwortet die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag, aber er fordert auch, die IAEA mit einem Sonderausschuss auszustatten, um die Kontrollen zu verstärken. Der Ausschuss soll mit Vertretern von Staaten besetzt werden, die irgendwie gut mit der IAEA zusammen arbeiten. Man fragt sich, welche Staaten die Bush-Regierung sich da vorstellt. Bush fordert auch, das Programm zur Unterstützung der Wissenschaftler und zur Vernichtung der Massenvernichtungswaffen für die ehemaligen sowjetischen Länder auch auf andere Länder wie Libyen auszudehnen, aber will für die einzige Maßnahme, die er alleine in der Hand hätte, keine zusätzlichen Gelder zur Verfügung stellen.
Anstatt an internationalen Abkommen hält die Bush-Regierung weiterhin an multilateralen Abkommen fest, die von ihr kontrolliert werden können. So sollen sich weitere Staaten an der Proliferation Security Initiative beteiligen, die noch massiver als bislang den Handel mit Massenvernichtungswaffen unterbinden soll (Notfalls auch mit militärischer Gewalt nach dem Exempel Irak). Wenn aber hier eine Koalition der Willigen unter der Führung der USA beispielsweise im Eigenauftrag die Weltmeere kontrolliert, so mag dies zwar den von dieser Koalition unerwünschten Waffenhandel erschweren - obgleich viele Koalitionsmitglieder wie Deutschland, die USA, Frankreich, Spanien oder Großbritannien zumindest über Firmen an solchen (illegalen) Aktivitäten beteiligt waren -, aber die Welt nicht sicherer machen.
ElBaradei kritisiert zweierlei Maß
Auch Mohamed ElBaradei, der Leiter der IAEA, warnt vor der Zunahme des Handels mit Atomwaffentechnologie. Der globale Markt für solche Netzwerke werde weiter wachsen, weil Staaten, die sich unsicher oder bedroht fühlen, die Absicht entwickeln können, diese Lücke durch den Erwerb von Atomwaffen auszugleichen. ElBaradei fordert nicht nur die Verschärfung der Exportkontrollen wie Bush, sondern auch die Stärkung der Befugnis der Inspektoren. Sie sollen ihre Arbeit in allen Ländern ausführen können.
Bislang haben nur 38 Staaten den Zusatz zum Atomwaffensperrvertrag ratifiziert (dazu gehören alle EU-Mitgliedsländer, aber nicht die USA), der die Informationspflicht erweitert und kurzfristig angekündigte Inspektionen zulässt. Der Atomwaffensperrvertrag selbst verpflichtet die Teilnehmerstaaten, Atomenergie nicht zu militärischen Zwecken zu nutzen, ausgenommen die Atommächte, die deswegen auch unterschreiben haben. Israel, Indien und Pakistan hingegen haben sich wohlweislich zurückgehalten. ElBaradei plädiert dafür, dass man aus dem Vertrag nicht mehr austreten kann oder dass ein solcher Schritt, wie ihn Nordkorea begangen hat, zumindest automatisch scharfe Kontrollen nach sich ziehen sollte. International kontrolliert werden sollten auch die Produktion von Brennstäben, die Erzeugung waffenfähigen Materials sowie die Entsorgung und Lagerung von Brennstäben und radioaktiven Abfalls werden.
ElBaradei sagt aber auch zu Recht, dass für eine effektive Verhinderung der Proliferation von Atomwaffen die Abrüstung der Atomstaaten unabdinglich sei. Hier müsste es einen klaren Weg geben, zudem müsste das Abkommen zum Verbot von Atomwaffentests endlich umgesetzt werden. Vollzieht man diesen Schritt nicht, könne man auch nicht wirksam andere Staaten davon abhalten, Sicherheit durch Atomwaffen zu suchen. ElBaradei schreibt mit einer unüberhörbaren Anspielung auf die US-Regierung:
Wir müssen die nicht funktionierende Vorstellung aufgeben, dass es für einige Staaten moralisch verwerflich, aber für andere Staaten moralisch akzeptabel ist, sich auf sie (Atomwaffen) aus Sicherheitsgründen zu verlassen - und dann weiterhin ihre Kapazitäten zu verbessern und Pläne zu ihrem Einsatz aufzustellen.