US-Kongress bewilligt Gelder für die Entwicklung taktischer Atomwaffen
Die von der US-Regierung gewünschten Mini-Nukes sollen unter der Erde gelegene Bunker zerstören und auch in konventionellen Kriegen eingesetzt werden
Gestern hat das US-Repräsentantenhaus mit einer überwältigenden Mehrheit von 387 gegen 36 Stimmen und anschließend auch der Senat einstimmig das Haushaltsgesetz für Energie und Wasserprogramme in Höhe von 27 Milliarden US-Dollar verabschiedet. Darin enthalten ist ein Betrag in Höhe von 7,5 Millionen Dollar zur Entwicklung von Atombomben, die dazu dienen sollen, unter der Erde gelegene Ziele zu zerstören (Robust Nuclear Earth Penetrator), sowie 6 Millionen für die Entwicklung von anderen taktischen Nuklearwaffen.
1993 wurde vom Kongress allerdings ein Gesetz verabschiedet, dass es dem Pentagon verbietet, Atomwaffen mit weniger als 5 Kilotonnen Sprengkraft zu entwickeln, d.h. just die Entwicklung von taktischen Atombomben, wie sie die US-Regierung jetzt anstrebt und wie sie bereits 1993 begonnen wurde, sollte verhindert werden (Noch verbietet dem Pentagon eine Kongressentscheidung die Entwicklung von Mini-Nukes). Das Pentagon will schon lange taktische Atomwaffen, die sich auch in einem konventionellen Krieg gegen bestimmte Ziele wie tief unter der Erde liegende Bunker einsetzen lassen können. Erwünscht wären zur besseren rechtfertigung Bomben, die die Umwelt möglichst wenig verstrahlen, was aber unwahrscheinlich ist, weil die Bomben nicht tief genug in die Erde eindringen.
In einem Bericht von Robert Nelson hat die Federation of American Scientists (FAS) eine der Begründungen für die Mini-Nukes zurück, nämlich dass sie den Kollateralschaden minimieren, indem sie präzise treffen und erst tief in der Erde explodieren. Nach einem Test der B61-11, bei der sie aus einer Höhe von 13.000 Metern abgeworfen wurde, ist diese gerade einmal sieben Meter in den Grund eingedrungen. Bei Tests aus den 60er Jahren (Sedan-Test) wurde ein Nuklearsprengkopf mit 100 KT über 200 Meter unter die Erde in eine Höhle gebracht. Die Explosion ließ aber noch immer eine Wolke entstehen, die stark mit radioaktivem Staub kontaminiert war. Das Feuer brach durch den Boden und schleuderte großen Mengen an Erde in die Luft, die zusätzlich der intensiven Neutronenstrahlung ausgesetzt waren. Damit die Nuklearexplosionen ganz unter der Erdoberfläche verbleiben, müsste eine Bombe mit einer Sprengkraft von 5 Kilotonnen über 200 Meter unter der Erde explodieren. "Auch wenn", so der Physiker Robert Nelson, "eine sich in die Erde bohrende Bombe sich irgendwie Dutzende von Metern vorarbeiten könnte und dann erst explodieren würde, würde die Explosion wahrscheinlich die Umgebung mit hoch radioaktivem Staub und Gas verseuchen." Schon eine Mini-Mini-Nuke mit einer Sprengladung von nur 0,1 KT müsste etwa 70 Meter unter der Erde explodieren, um die Umgebung nicht zu kontaminieren.
Die Option, Nuklearwaffen nicht nur gegenüber einem Feind einzusetzen, der ebenfalls über Kernwaffen verfügt, sondern sie auch im Fall einer Bedrohung oder eines Angriffs mit anderen Massenvernichtungswaffen verwenden zu können, wurde bereits unter der Regierung von Bush. sen. am Ende des Kalten Kriegs verlangt (Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten). Auch damals hatte man gleichzeitig Abrüstungsverhandlungen befürwortet und nach einer neuen Strategie für die Abschreckung und den Einsatz von Atomwaffen gesucht. Aus dieser Zeit stammen auch die Ideen, neue Kernwaffen mit geringerer Sprengkraft zu bauen, um diese bei regionalen Konflikten etwa zur Zerstörung von unterirdischen Bunkeranlagen und/oder von Lagern mit biologischen, chemischen oder nuklearen Waffen einzusetzen.
Allerdings hatte das Pentagon schon 1993 - also während der Präsidentschaft von Bill Clinton - unter Umgehung des Atomwaffensperrvertrags mit der Entwicklung einer kleineren Atombombe zur Zerstörung unterirdischer Anlagen begonnen. Dabei handelt es sich um die Wasserstoffbombe B61-11, ein sogenannter "bunker buster", die seit 1997 einsatzfähig ist. Damals erklärte das Energieministerium, dass es sich aber um keine neue Waffe handeln würde, sondern nur um eine Modifikation. Diese Sprechweise hatte sich bislang auch die Bush-Regierung zu eigen gemacht, die seit Beginn an auf die Weiterentwicklung von Atomwaffen gesetzt hat. Bekannt wurde diese Intention im März des letzten Jahres, als Einzelheiten des geheimen Nuclear Posture Review (NPR) an die Presse gelangten (Pentagon plant Nuklearkrieg und den Einsatz taktischer Nuklearwaffen sowie Neue Atomwaffen sollen entwickelt werden).
Die Wiederaufrüstung mit Atomwaffen sieht nicht nur die Entwicklung von Mini-Nukes vor (Arsenal neuer Atomwaffen), sondern auch mit der Neuproduktion herkömmlicher Nuklearwaffen. Im April dieses Jahres wurde erstmals seit 1989 wieder mit der Produktion von Plutonium-Pits begonnen, die zum Bau von Atombomben benötigt werden (Neustart der US-Atomwaffen-Produktion). Geplant sind auch neue Atomwaffentests. Für die Entwicklung von taktischen Atomwaffen hatte die US-Regierung zunächst 15 Millionen Dollar vorgesehen (Nukleare Bunker-Buster immer wahrscheinlicher). Bewilligt wurden nun vom Repräsentantenhaus und dem Senat 7,5 Millionen. Präsident Bush muss das Gesetz nur noch unterschreiben. Zusätzlich wurden 25 Millionen Dollar bewilligt, um das Gelände für Atomwaffentests in Nevada darauf vorzubereiten, innerhalb von zwei Jahren nach einer Entscheidung des Weißen Hauses solche Tests durchzuführen. Auch hier wurde eher symbolisch ein Kompromiss beschlossen, denn die Bush-Regierung hatte sich einen Zeitraum von 18 Monaten gewünscht. Insgesamt wurden für das Haushaltsjahr 2004 6,3 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen bewilligt, 300 Millionen mehr als das Jahr zuvor.
Für die taktischen Atomwaffen kämen die B83 und vor allem die B61, die Nuklearsprengköpfe mit einer Sprengkraft zwischen 0,3 und 300 Kilotonnen mitführen und auch von Kampfjets abgefeuert werden kann. Zwar ist die B61 bereits an der Spitze mit abgereichertem Uran ausgestattet, aber für eine Weiterentwicklung wird es wohl vor allem darauf angekommen, welche Möglichkeiten es gibt, die Bombe vor der Explosion tiefer in die Erde, aber auch in Zement- und Stahlbefestigungen eindringen lassen zu können