Neustart der US-Atomwaffen-Produktion
Erstmals seit 14 Jahren hat das Energieministerium wieder einen Plutonium-Pit hergestellt, den Kern eines nuklearen Sprengkopfes
Im Rahmen der neuen Sicherheitsstrategie (Neue Atomwaffen sollen entwickelt werden) hat das Pentagon nicht nur Atomwaffen als Bestandteil des Waffenarsenals für Verteidigungs- und "präventive" Angriffszwecke integriert, sondern plant auch den Bau von Mini-Nukes, also von kleineren taktischen Atomwaffen, die auch unterhalb der Schwelle eines Atomkrieges etwa zur Zerstörung unterirdischer Bunker eingesetzt werden sollen (Arsenal neuer Atomwaffen). Am Dienstag wurde auch wieder mit der Produktion von Plutonium-Pits begonnen, die zum Bau von Atombomben benötigt werden.
Erstmals seit 14 Jahren, so meldete das Los Alamos National Laboratory pünktlich zum 60-jährigen Jubiläum der Gründung, habe man wieder begonnen, Plutonium-Pits herzustellen. Das sind Hohlkugeln aus Plutonium, die sich im Zentrum der nuklearen Sprengköpfe befinden. Durch die Explosion eines normalen Sprengstoffs, der sich um diese Hohlkugel befindet, wird der Kern durch die Implosion komprimiert und damit die Kettenreaktion ausgelöst, die dann in einer Millionstel Sekunde eine gewaltige Menge an Kernenergie freisetzt.
1989 wurde mit der Schließung der Rocky Flats Plant in Colorado die Möglichkeit beendet, neue Atomwaffen herstellen zu können. Sie wurde geschlossen, nachdem gegen mehrere Umweltgesetze verstoßen worden war und die Gefahren bekannt wurden, die mit der Produktion von Atombomben verbunden, gelagert wird freilich waffenfähiges Plutonium dort noch immer. Mit dem Ende der Produktion von nuklearen Sprengköpfen wurde auch der Kalte Krieg und das nukleare Wettrüsten symbolisch beendet. Unter der Clinton-Regierung wurde die Produktion offiziell 1993 eingestellt, allerdings wurde 1996 die Entwicklung des neuen Verfahrens gestartet.
Jetzt also hat man im Energieministerium ein neues Verfahren zur Herstellung von Pits entwickelt, die für den nuklearen Sprengkopf W88 geeignet sind, der auf Raketen von Trident-U-Booten sitzt. Damit beginnt gewissermaßen wieder eine neue Zeit der nuklearen Aufrüstung, wie sie von der Bush-Regierung parallel zum Aufbau des umstrittenen und technisch mit Mängeln behafteten nationalen Raketenabwehrschild gewünscht wird. Linton Brooks, der Leiter der National Nuclear Security Administration, die im Energieministerium für die Atomwaffenproduktion zuständig ist, stellt das allerdings so dar, dass damit nur eine Lücke geschlossen wird: "Seit 1989 bis heute waren wir die einzige Atommacht in der Welt, die keinen Pit herstellen konnte." Das neue Herstellungsverfahren entspreche überdies den Anforderungen, die für Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz gestellt werden, versichert man beim Energieministerium.
Demnächst werden die neuen Plutonium-Pits, unter anderem mit "subkritischen Experimenten" auf ihre Verlässlichkeit überprüft, angeblich ohne unterirdische Atomtests durchzuführen, die von der Bush-Regierung allerdings auch wieder geplant werden. Bis zum Jahr 2007 sollen erst einmal sechs solcher Pits hergestellt werden, ab dann will man jährlich 10 produzieren. Die neuen Pits sollen nur solche in nuklearen Sprengköpfen ersetzen, die beschädigt sind oder im Rahmen von Überprüfungen zerstört wurden. Dass man neue Atomwaffen herstellen wolle, wird abgestritten.
Bislang hat die Entwicklung angeblich 350 Millionen US-Dollar gekostet. Insgesamt sollen bis zur Fertigungsreife die Kosten auf 1,5 Milliarden US-Dollar ansteigen. Jetzt schon gibt die Bush-Regierung, wie Thomas Cochran vom Natural Resources Defense Council kritisiert, 6 Milliarden jährlich für Atomwaffen aus, 50 Prozent mehr als im Kalten Krieg. Nach der Los Alamos Study Group besitzt das Pentagon etwa 24.000 Plutonium-Pits. Davon etwa 10.000 in Waffen. Das würde noch mindesten 45 Jahre reichen.