Die schmutzige Bombe des Pentagon
Im Air Force Research Laboratory erforscht man die Möglichkeit einer Gammastrahlenbombe
In den Waffenlabors der USA wird an nuklearen Sprengstoffen geforscht, die die Grenze zwischen konventionellen und nuklearen Waffen vollends einreißen und damit nicht nur zu einem neuen nuklearen Wettrüsten, sondern auch zum Einsatz von Atombomben führen können können. Da das Pentagon die Entwicklung von "kleinen" Atombomben, den sogenannten Mini-Nukes, sowieso vorantreibt, um beispielsweise tief unter der Erdoberfläche liegende Ziele zerstören können, ohne zum Szenario eines Atomkriegs zu führen (Aufrüstung mit Mini-Nukes), dürften die neuen "schmutzigen" Explosivstoffe höchst interessant sein - sollten sie überhaupt wirklich herzustellen sein.
Im Air Force Research Laboratory (AFRL) wird bereits an einem "Quantenreaktor" gearbeitet, bei dem in radioaktivem Hafnium-178 Energie in Form von Gamma-Strahlen freisetzt wird. Mit der daraus gewonnenen Energie will man etwa einen Antrieb mit erhitzter Luft herstellen. Nach dem AFRL sei ein solcher Antrieb sicherer als der mit einem herkömmlichen Nuklearreaktor, weil die Reaktion kontrolliert abläuft. Die Idee ist, einen Antrieb für Drohnen zu entwickeln, die lange Zeit in der Luft bleiben können (Drohnen mit Nuklearantrieb?).
Wie New Scientist berichtet, wird offenbar leichzeitig daran gedacht, mit derselben Technik auch einen Sprengkopf zu entwickeln, der weitaus mehr Energie in Form von Röntgenstrahlung freisetzt als konventionelle Sprengstoffe. Ein Gramm des Isotops Hafnium-178, das mit einem Nuklearreaktor oder einem Teilchenbeschleuniger beschossenen und dadurch in einen energiereicheren Zustand versetzt wird, könne soviel Energie freisetzen wie 50 kg TNT. Anders als bei einer herkömmlichen Atombombe kann das Isotop in beliebiger Quantität verwendet werden, weil keine kritische Masse notwendig ist, um die nukleare Kettenreaktion auszulösen.
Die Explosion würde starke Röntgenstrahlung freisetzen, die jedes Leben im betroffenen Bereich töten, aber im Vergleich zu einer Atombombe dennoch einen relativ geringen Fallout verursachen, also eher einer "schmutzigen" Bombe gleichen. Damit könnten solche Hafnium-Bomben, untersucht werden auf Eignung auch Thorium oder Niobium, im Rahmen der traditionellen Kriegsführung unterhalb der Nuklearschwelle eingesetzt sowie deren Stärke dosiert gesteigert werden. Wer über solche Bomben verfügt, wäre sicherlich im Vorteil. Nach André Gsponer, dem Direktor des Independent Scientific Research Institute in Genf habe ein Staat, der solche Waffen nicht hat, keine Chance gegen die Streitkräfte eines anderen Staats, die mit diesen ausgerüstet sind. Das aber führe dazu, dass der Besitz von Atomwaffen als Abschreckungsmittel noch attraktiver werde.
Allerdings dürfte es eine solche Hafnium-Bombe noch lange nicht geben. Das angeregte Isomer Hafnium-178m2 hat normalerweise eine Halbwertszeit von 31 Jahren, bis es zu Hafnium-178 zerfällt. Die Hoffnung im Pentagon stützt sich auf die Entdeckung von Wissenschaftlern der University of Texas im Jahr 1999 - wozu auch ein Forscher vom Air Force Research Laboratory gehörte -, dass das Isomer jedoch schneller zerfällt, wenn man es mit Röntgenstrahlen beschießt. Dabei wurde mehr Energie freigesetzt, als eingespeist wurde. Doch die Frage ist schon, ob das überhaupt stimmt. Immerhin haben Forscher des des Lawrence Livermore National Laboratory 2001 das Experiment nicht wiederholen können, obgleich sie eine viele stärkere Röntgenquelle eingesetzt hatten. Es kam dabei also nicht der erforderten erhöhten Freigabe von Gammaquanten.
Bislang können nur winzige Mengen von Hafnium-178m2 mithilfe eines Atomreaktors oder eines Teilchenbeschleunigers hergestellt werden, so dass die Gewinnung sehr teuer ist. Möglicherweise lässt sich der Bombenstoff billiger und in größeren Mengen durch den Beschuss mit Photonen herstellen. Aber auch dann wäre es vermutlich noch so teuer wie bombenfähiges Plutonium, mit dem Vorteil allerdings, auch in kleineren Mengen Mini-Nuke-tauglich zu sein.
Auch wenn vermutlich bislang alles noch graue Theorie ist, hat das Pentagon den Explosivstoff schon auf die Military Critical Technologies List gesetzt und dazu bemerkt: "Eine solche außergewöhnliche Energiedichte besitzt das Potenzial, alle Aspekte der Kriegsführung zu revolutionieren." Noch ist das Science oder auch Military Fiction. Weniger Fiction ist allerdings, dass allein die militärische Überlegenheit der USA mitsamt der Strategie der Prävention und der Entwicklung von Mini-Nukes (Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten) wieder zum Einstieg oder zum Ausbau der Atomwaffenproduktion führt.