Das russische Lauschsystem für das Internet wird eingerichtet
SORM ermöglicht dem russischen Geheimdienst einen direkten Zugriff auf die Server der Internetprovider
Nach einem Bericht in der Moscow Times vom 7.12. befindet sich das russische Abhörsystem für das Internet in der Phase der Realisierung. Offenbar sind die Internetprovider willig, aus Angst vor Repressionen auf eigene Kosten die Schnittstellen zu installieren, die es dem russischen Geheimdienst ermöglichen, in Echtzeit die Internetkomunikation zu überwachen.
SORM 2 (Sistema Operativno-Rozysknykh Meropriyatii) entstand aufgrund eines Regierungsbeschlusses im Jahr 1995, das noch unter dem Namen SORM den Sicherheitsbehörden das Recht einräumte, unter Vorlage einer richterlichen Genehmigung alle Telekommunikationssysteme abzuhören. SORM II, beschlossen vom russischen Geheimdienst FSB und dem Kommunikationsausschuss im Juli 1998, verpflichtete die Internetprovider dazu, auf eigene Kosten ihre Computersysteme mit denen des FSB zu verbinden, um die gesamte Internetkommunikation abhören zu können. Damit sind dem Nachfolger des KGB Tür und Tore geöffnet, um jederzeit, auch ohne richterliche Genehmigung, alles belauschen zu können, was er will, denn überwachen kann dies niemand. Dieser Freibrief ist gerade in einem Land, in dem Bürgerrechte und Rechtssicherheit noch immer auf schwachen Füßen stehen, nicht nur höchst bedenklich, sondern macht auch deutlich, wie bedenklich derartige Abhörsysteme sind, auch wenn sie von wirklich demokratischen Regierungen eingeführt werden. Im Falle politischer Veränderungen steht die Technik zur ungezügelten Überwachung dann auch einer totalitären Regierung zur Verfügung.
Die Internetprovider werden gezwungen, die Schnittstellen einzurichten, wenn sie nicht ihre Lizenz verlieren wollen. Angeblich haben mittlerweile alle Internetprovider dem Druck nachgegeben und damit begonnen, das System zu installieren. Allerdings schweigen sie darüber, ob sie bereits die Schnittstellen für den russischen Geheimdienst eingerichtet haben. So würden Mitarbeiter von Combellga, einem der größten Telekom-Unternehmen in Moskau, vorgeben, nicht zu wissen, ob die Technik bereits eingebaut wurde. Oder Glasnet, ein großer Internetprovider, wollte nicht darüber sprechen.
Man geht davon aus, dass die Installation der Technik zwischen 10000 und 30000 Dollar für die Internetprovider kosten werde. Für kleine Anbieter ist das viel Geld, weswegen die Meinung geäußert wird, dass die großen Internetprovider SORM 2 auch als gute Möglichkeit betrachten könnten, lästige Konkurrenz loszuwerden.
Bislang jedenfalls hat sich nur Nailj Murzahanov, Direktor von Bayard-Slavia in Wolgograd, öffentlich gegen SORM 2 gewandt und die Kooperation mit dem Geheimdienst verweigert. Im März suchten ihn Mitarbeiter des Geheimdienstes auf, gaben ihm eine detaillierte Liste mit ihren Wünschen und bedrohten ihn, wenn er nicht kooperieren sollte. Wegen angeblicher Probleme mit seiner Lizenz wurde Bayard-Slavia kurz darauf geschlossen. Murzahanov fürchtet, dass der Geheimdienst mit SORM 2 nicht nur alle Daten auch ohne richterlichen Beschluss sammeln oder Emails verändern, sondern auch eigene Geschäfte mit dem Verkauf etwa von Betriebsgeheimnissen machen könnte. Allerdings habe der Geheimdienst noch eine Schwäche, denn ihm sollen die technischen Experten fehlen, die das Abhörsystem auch wirklich beherrschen. Das aber könnte sich ja auch ändern.
Am 12. November wurde zwar der für SORM mit verantwortliche Kommunikationsausschuss der Duma in ein Kommunikationsministerium umgewandelt. Der neu ernannte Minister Lonid Reiman forderte gleich eine schärfere Internetkontrolle, erwähnte allerdings SORM nicht. Yelena Volchinskaya, Beraterin für den Sicherheitsrat der Duma, bestätigt denn auch, dass der Geheimdienst in solchen Angelegenheit der wichtigste Akteur bleibt und befürwortet überdies die Einrichtung von SORM als "einem ganz normalen System zur Überwachung von Kriminellen und Steuerhinterziehern. Die USA haben ein solches System, jedes Land hat ein solches System. Die Frage ist, wie der FSB es nutzen wird. Aber nach dem Gesetz darf er Übertragungen nur aufgrund eines Gerichtsbeschlusses abhören."