Das tut man nicht, Herr Broder

Seite 2: Der umtriebige Manuel Ochsenreiter

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Laut Tagesschau haben ...

in den frühen Morgenstunden des 4. Februar 2018 (… ) zwei Vermummte Feuer an der Fassade eines Kulturzentrums der ungarischen Minderheit in der ukrainischen Stadt Uschgorod gelegt und Nazi-Symbole am Haus hinterlassen. Die Tat, die durch eine Überwachungskamera dokumentiert wurde, sollte offenbar so wirken, als ob ukrainische Neonazis die ungarische Minderheit im Land angegriffen haben. Dies sollte vermutlich die Beziehungen zwischen Ungarn und der Ukraine belasten. Nur wenig später waren die mutmaßlichen Täter ermittelt. (…)
Auch P. ist in Krakau angeklagt - und geständig. Er sagte vor Gericht aus, (Manuel, Anm. d. Verf.) Ochsenreiter habe ihn zu der Tat angestiftet und dafür mit insgesamt 1.500 Euro entlohnt. Ochsenreiter habe detaillierte Anweisungen gegeben, wie der Brandanschlag, der in Polen als Terroranschlag gewertet wird, ablaufen solle.

Tagesschau

Das klingt wie das Drehbuch zu 'nem schlechten Hollywood-Thriller. Ist es aber leider nicht. Manuel Ochsenreiter studierte an einem privaten Institut in Berlin Marketing und Kommunikation. Während seines Studiums trat er der "Burschenschaft der Märker" bei, die 2003 das Sommerfest der rechts-nationalen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) ausrichtete.

Vermutlich nicht ganz zufällig, denn zu dem Zeitpunkt war Ochsenreiter Leiter des Ressorts "Innenpolitik" der JF. Von 2004 bis 2011 war er Chefredakteur der Deutschen Militärzeitschrift (DMZ), die von dem Verleger Dietmar Munier herausgegeben wurde und "nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzbehörde und der Bundesregierung zu den bekanntesten Verlagen des rechtsextremistischen Spektrums" zählt.

Munier gibt auch das Magazin Zuerst heraus, dessen Chefredakteur Ochsenreiter jetzt ist. Er berichtete aus dem Balkan und dem Nahen Osten, knüpfte Kontakte zu russischen und iranischen Medien. Dem Blog Iraniansforum zufolge fungiert

Manuel Ochsenreiter, der Vorsitzende des Zentrums und Sprecher bei diversen AfD-Veranstaltungen, (…) seit Jahren als Kontaktmann des Iran zur Neuen Rechten und umgekehrt. Im September 2014 referierte Ochsenreiter bei der Holocaustleugner-Konferenz "New Horizons" in Teheran zum Thema "Israelische Lobby in Deutschland". Im Mai 2016 wurde sein Buch "Die Macht der zionistischen Lobby in Deutschland" vom iranischen Kulturministerium auf Persisch publiziert.

Iraniansforum

Laut Iraniansforum ist es

Eines der wichtigsten Merkmale der Expansionspolitik der Mullahs (…), weltweit Verschwörungstheoretiker, Holocaustleugner und rechtsextreme Gruppen systematisch zu fördern. So beispielsweise den Chefredakteur der rechtsextremen Monatszeitschrift "Zuerst!" Manuel Ochsenreiter. Er gilt seit Jahren als Verbindungsmann der deutschen "Neuen Rechten" zum Klerikalfaschismus und unterstützt offen die terroristische Hizbollah und den syrischen Diktator Assad.

Iraniansforum

Weiter heißt es in dem irankritischen Blog:

Im "Deutschen Zentrum für Eurasische Studien" laufen die Fäden der AfD-Iran-Russland-Connection zusammen. Der weltweit wohl einflussreichste Akteur im Zentrum ist Putins Chefideologe Alexander Dugin, der zuletzt 2016 an der revanchistischen "New Horizon"-Konferenz teilnahm.
Dugin sagte bei einem Treffen mit Klerikern in Qom: "Ich bin unendlich froh, dass ich ins Hauptquartier des Kampfes gegen die Moderne gekommen bin. Ich habe mein Leben diesem Kampf gewidmet, denn für mich bedeutet die Moderne Satan. (…) Die offizielle Religion von Herrn Putin ist russisch-orthodox. Ich vertrete die orthodox christliche Gesellschaft von Russland, die, dem Beispiel des Iran und der islamischen Revolution folgend, in Russland erfolgreich sein könnte. Der Iran ist uns voraus und kann das Modell sein, dem wir folgen müssen. (…) Wir (Russland) und sie (Iran) kämpfen auf einer gemeinsamen Front in Syrien. Und der Iran spielt eine Schlüsselrolle im Eurasien-Projekt." (…)
Die AfD ist nicht nur die fünfte Kolonne Moskaus, sondern auch die Teherans.

Iraniansforum

Interessanterweise veröffentliche die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, wenige Tage nach dem Ochsenreiter-Skandal einen Artikel in der Israelnationsnews, in dem sie Stellung bezog zu der Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), das Mitte Januar 2019 die AfD öffentlich zum "Prüffall" erklärte.

Der AfD werden rechtsextreme Äußerungen und Kontakte in die rechtsextreme Szene einzelner (prominenter) Mitglieder sowie Antisemitismus vorgeworfen. Deshalb solle nun geprüft werden, welchen Einfluss dieses auf die Partei als solche habe. Beatrix von Storch, die sich falsch, bzw. aus dem Zusammenhang gerissen zitiert sieht in dem über die AfD verfassten Gutachten, das dieser aber nicht zur Kenntnis gebracht wurde, schreibt:

Anstatt die wirkliche Bedrohung der westlichen Zivilisation und der europäischen Demokratie zu untersuchen, lässt sich der deutsche Geheimdienst politisch instrumentalisieren, um die einzige Partei anzugreifen, die aktiv gegen den radikalen Islamismus und Antisemitismus kämpft. Die einzige Partei, die die Verwendung deutscher und EU-Mittel für UNRWA- und BDS-bezogene Nichtregierungsorganisationen kritisiert; die einzige Partei, die sich aktiv mit ihrer Stimme für die Rechte und die Sicherheit der Juden in Deutschland und unserer Freunde in Israel einsetzt.

Beatrix von Storch

Das legt den Schluss nahe, dass auch die AfD ein pluralistischer Haufen und in Sachen Antisemitismus/Antizionismus ebenso breit aufgestellt ist wie die Linke, die Grünen oder die SPD. Trotzdem - und da beißt die Maus keinen Faden ab - gibt es Rechtsextreme in der AfD und Kontakte weit in die rechtsextreme Szene hinein.

Die Entscheidung des BfV, die AfD zum "Prüffall" zu erklären, stützt sich u.a. auf die Erkenntnis, dass "nahezu unbestreitbar" der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke und der Publizist Landolf Ladig ein und dieselbe Person sind. Dabei wiederum stützt sich die Behörde auf die Recherchen des Soziologen Andreas Kemper, der als erster ein Buch über die AfD geschrieben hatte und dem anschließend aus verschiedenen Regionen Informationen zugekommen waren, wie er in den Westfälischen Nachrichten (WN) sagte.

Er sei bei seinen Recherchen auf Björn Höcke gestoßen, der ihm am weitesten rechts zu stehen schiene, dem er als Studienrat allerdings gute Karrierechancen innerhalb der Partei eingeräumt habe, so Kemper.

Also habe ich angefangen, tiefer zu recherchieren und bin bei ihm auf den Begriff "organische Marktwirtschaft" gestoßen - eine Abwandlung der organischen Wirtschaft der Nazis. Ich wollte wissen, woher Höckes Begriff kommt und habe nur einen einzigen Treffer bei Google gefunden - in einem Artikel von einem gewissen Landolf Ladig in der NPD-Eichsfeldstimme über ein Dorf in Thüringen, Bornhagen. Dort wohnt Björn Höcke. In dem Artikel wird sogar Höckes Wohnhaus bezeichnet. Eine Überzufälligkeit, die erklärungsrelevant ist. Ich habe also weiter geforscht, mit dem Ergebnis, dass sich jetzt das Bundesamt für Verfassungsschutz meinen Forschungen angeschlossen hat.

Wenn man Björn Höcke und Landolf Ladig in dem Gutachten (des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die AfD, Anm. d. Verf.) zusammenzählt, kommt man auf 647 Treffer in 438 Seiten. Das heißt, Höcke ist die zentrale Figur, was die Verfassungsfeindlichkeit der AfD angeht. Da spielt Landolf Ladig eine große Rolle, denn das sind die ungeschminkten Zitate von Höcke, aus einer Zeit, in der er noch nicht absehen konnte, dass er einmal bekannt werden würde.

Um das klar zu sagen: Ladigs Thesen sind radikal. Er sagt, dass Deutschland zwei Mal überfallen wurde. Erster und Zweiter Weltkrieg seien Angriffskriege auf Deutschland gewesen, weil die Deutschen so fleißig seien. Er redet von sich aufpotenzierenden Krisendynamiken, mit denen die Revolution in greifbare Reichweite rücke. Die nationale Bewegung solle sich an die Spitze dieser Revolution setzen, um dann die NS-Wirtschaftspolitik auf rassenbilogischer Grundlage wieder einzuführen.

Das ist der Ladig, von dem das Bundesamt für Verfassungsschutz sagt, dass es sich "nahezu unbestreitbar" um Björn Höcke handelt. Geschrieben bei Thorsten Heise, einem Mann, der nicht nur Verleger und NPD-Politiker ist, sondern auch mit "Combat 18"(Kampfgruppe Adolf Hitler) zu tun hat. Einem internationalem Rechtsterrorismus-Netzwerk, das Anschläge auf der ganzen Welt verübt. Heise hält dort Vorträge. Und er ist ein guter Bekannter von Höcke, hat Höcke beim Umzug geholfen, als dieser nach Bornhagen gezogen ist.

Andreas Kemper

Wer sich also mit Björn Höcke näher beschäftigt, landet bei Thorsten Heise. Der begann seine politische "Karriere" bei der "Freiheitlichen Arbeiterpartei" (FAP) und setzte seine Aktivitäten nach deren Verbot in der Szene der "Freien Kameradschaften" fort. Mittlerweile ist er im Bundesvorstand der NPD und Landesvorsitzender der Partei in Thüringen. Dort besitzt er ein Anwesen.

Ende April vergangenen Jahres geriet dieses wegen eines bundesweiten Treffens Rechtsextremer in die Schlagzeilen. Auf zwei Fotojournalisten, die dieses Treffen dokumentieren wollten, stürmten laut NDR

(…) zwei Männer, bewaffnet mit einem schweren Schraubenschlüssel und einem Baseballschläger, auf die beiden Journalisten zu. Sie flüchten im Auto, die Angreifer hinterher. Nach einer wilden Verfolgungsjagd landen die Fotografen mit ihrem Wagen im Graben. Die Angreifer gehen direkt auf die Journalisten und das Auto los, schlagen die Scheiben ein. Merlin M. bekommt einen Messerstich ins Bein, sein Kollege trägt nach einem Schlag mit dem Schraubenschlüssel eine heftig blutende Platzwunde auf dem Kopf davon. Offensichtlich haben die Angreifer es auf die Fotoausrüstung der Journalisten abgesehen. Kurz bevor sie die Kameratasche rauben, versteckt M. die Speicherkarte in seiner Socke. So gelingt es, Fotos eines Angreifers, wie er mit dem Schraubenschlüssel auf die Fotografen zurennt, zu sichern. Schweren Raub und gefährliche Körperverletzung wirft die Staatsanwaltschaft Mühlhausen den beiden Angreifern vor. Tatverdächtig sind ein Landesvorstandsmitglied der NPD in Niedersachsen, sowie ein junger Mann aus dem Umfeld Thorsten Heises.

NDR

Im November 2018 lud Heise zu einem "Zeitzeugentreffen" mit einem ehemaligen Mitglied der Waffen-SS. Thorsten Heise soll federführend gewesen sein bei der Neonazi-Terrororganisation "Combat 18", dem bewaffneten Arm des inzwischen verbotenen Netzwerks "Blood & Honour". Zu diesem gehörten laut Landeskriminalamt Thüringen auch Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.

Laut ZDF gehörten 20 Personen aus dem Umfeld des NSU zum deutschen Blood & Honour-Netzwerk, darunter vermutlich mindestens fünf V-Leute. Wird also bei der AfD der Teppich gelüftet, unter den diese unappetitlichen Verbindungen gern gekehrt werden, quillt auch der NSU heraus. Alles, was Henrik Broder dazu sagte, ist ein bißchen "du, du" in Richtung Gauland und das ganz klare Signal: Mäßigt Euch und ich wähle Euch. Eine ziemlich armselige Vorstellung für einen ansonsten so streitbaren Publizisten.