"Davos wird brennen"
Eine Demo in den Bergen und die Tücken des WWW
Bern - Ende Januar ist es wieder so weit: Rund 1000 Staatschefs, Wirtschaftsführer und Größen aus Wissenschaft und Kultur treffen sich zum alljährlichen Stelldichein beim Weltwirtschaftsforum in den Schweizer Bergen. Die Prominenz wird aber im Skikurort Davos nicht alleine sein. Ein breites Bündnis von Globalisierungsgegnern mobilisiert wie schon in den vergangenen Jahren zu Aktionen und einer Großdemonstration gegen das private Elitetreffen.
Davos, die verschneite Bergidylle und Kulisse von Thomas Manns Zauberberg, wird spätestens am 27. Januar als gleichwertige Chiffre wie Seattle, Prag, Nizza oder Melbourne weltweit in den Schlagzeilen der Medien stehen. Nach den Treffen der Welthandelsorganisation, IMF, Weltbank und EU steht nun auch das World Economic Forum im Visier der Globalisierungskritiker. Seit 30 Jahren organisiert die private Stiftung unter der Ägide des Genfer Ökonomieprofessors Klaus Schwab in Davos ein Treffen, auf dem sich Größen aus Politik und Wirtschaft ungezwungen, sprichwörtlich fernab der Alltagsgeschäfte, über aktuelle Fragen des Weltgeschehens unterhalten können. Ursprünglich als Managertreffen gegründet, expandierte das Forum in den 80er Jahren zu einer Organisation, die neben dem Jahrestreffen in der Schweiz eine Vielzahl von regionalen Treffen auf der ganzen Welt veranstaltet. Resultate dieser Gipfel sind etwa die Berichte über die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften oder aber Absprachen zwischen Politik und Wirtschaft, deren Konsequenzen oft erst im Nachhinein als Folge von WEF-Gesprächen auszumachen sind. (siehe auch:: Weltweite Kommunikation und Vernetzung sind kein Privileg der Eliten mehr und Wach auf Europa - und vor allem Deutschland)
Vor nunmehr sieben Jahren regte sich erstmals spontaner Protest gegen das hochkarätige Treffen in den Schweizer Bergen; damals noch als punktuelle Missmutsäußerung gegen die Anwesenheit des mexikanischen Präsidenten und sein militärisches Vorgehen gegen den Indio-Aufstand der Zapatistas in Chiapas. Noch vor der erfolgreichen Kampagne gegen das Ministertreffen der Welthandelsorganisation im Mai 1998 in Genf, war den Schweizer AktivistInnen der Anti-WTO-Koordination klar, dass nun auch das World Economic Forum «daran glauben muss». Da es im Gegensatz zu einer Stadt im Höhenkurort Davos keine entsprechende Infrastruktur für breit angelegte Protestaktionen gibt, musste in manchen Belangen improvisiert und das ganze Material für den Tag X in die Berge geschleppt werden. Am kommenden 27. Januar ist es bereits das vierte Mal in Serie, dass die urbane Linke für einmal nicht zum Skilaufen den beschwerlichen Weg in die Berge des Südostens der Schweiz auf sich nimmt. Wurde 1998 noch auf den Überraschungseffekt gesetzt und die unvorbereiteten Sicherheitskräfte regelrecht überrumpelt, so ist seither hochoffiziell mobilisiert worden.
Eine nicht unwesentliche Rolle hat hierbei auch der Einsatz der neuen Medien gespielt. Setzten die Demoorganisatoren vor zwei Jahren für die Öffentlichkeitsarbeit gerade mal ein Handy mit anonymer Nummer ein, so läuft inzwischen der Großteil der Mobilisierung über Internet. Mittels Mailingsliste wird zur Zeit heftig über die berühmt-berüchtigte Gewaltfrage debattiert. Was früher halbklandestin am WG-Tisch verhandelt wurde, ist nun öffentlich und für alle interessierten zugänglich - so natürlich auch für Polizei, Medien und die Verantwortlichen des World Economic Forum selbst. (Mailingliste) Und genau diese freie Zugänglichkeit der vormals internen Diskussionen kann für die OrganisatorInnen der Aktionen gegen das WEF unliebsame Folgen haben. So titelte etwa vor einigen Tagen die auflagestärkste Zeitung der Schweiz, das Boulevardblatt Blick, in fetten Lettern «Davos wird brennen», mit dem Hinweis, dass diese unmissverständliche Aussage auf der Homepage der Anti-WTO-Koordination zu finden sei. Tatsächlich: Ein gewiefter Journalist hat die hinterste Ecke des Forums durchstöbert und dabei einen entsprechenden Eintrag, der ihm als titelwürdig erschien, gefunden. (siehe auch Davos Indymedia)
Neben den Tücken der oft unterschätzten fehlenden Anonymität im Cyberspace, bietet das weltweite Netz auch Vorteile bei einer Mobilisierung, die über die Schweizer Landesgrenzen hinausreicht. Nach der Ankündigung, dass gegen die inzwischen von den Behörden verbotene Demonstration mit dem größten Polizeiaufgebot seit Gründung der Bündner Kantonspolizei vor 200 Jahren, unterstützt von Festungswächtern der Schweizer Armee und Polizeikräften aus dem Fürstentum Liechtenstein, vorgegangen werde, häufen sich in den Diskussinsforen die Anfragen, mit welchen Repressalien denn allenfalls zu rechnen sei.
Mit den klassischen Kniffen der Kommunikationsguerilla arbeitet ein Hinweis auf der Site der Anti-WTO-Koordiantion unter dem vielversprechenden Hinweis «top secret». Unter der kopierten Boulevard-Schlagzeile «Davos in Angst» werden Zitate aus der durchaus WEF-freundlichen Davoser Lokalzeitung fein säuberlich seziert und in einen subversiven Kontext gestellt. So etwa im Zusammenhang mit der Berichterstattung über speziell für die Dauer des Weltwirtschaftsforums aufgerüsteten Telekomdienstleistungen. Bekanntlich sei es der sogenannte «Seattle-Mensch», der die Vorzüge der modernen Kommunikation für seine Zwecke bestens zu nutzen wisse, so die Globalisierungsgegner.
Eher ins Kapitel «Schmunzelecke» gehören die Links auf Pfadfinderseiten mit Anleitungen zum Iglu-Bauen. Da die lokalen Behörden die Hotelbesitzer vor übernachtungswilligen DemonstrantInnen gewarnt haben, wird nun empfohlen sich auf den Skipisten Eskimobehausungen zu bauen.