Davutoglu bietet PYD Zusammenarbeit an

Syrische Kurden sollen Verbindungen zur syrischen Regierung kappen

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Seit dem Wochenende bombardiert die türkische Luftwaffe Stellungen der Terrororgruppen Islamischer Staat (IS) und PKK im Nordirak und in der Ortschaft Zur Maghar im syrischen Kurdengebiet. Die Bombardements stoßen bei den NATO-Verbündeten, die am Dienstag in einer auf Wunsch der Türkei einberufenen Sondersitzung darüber beraten (vgl. Türkische Regierung veranlasst Nato-Sondersitzung), auf ein unterschiedliches Echo.

Während der Beschuss der Salafisten (über dessen angebliche Wirkungslosigkeit die Terrorgruppe selbst spottet) allgemein gelobt wird, hält beispielsweise Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Bombardements von PKK-Stellungen im Nordirak für eine Gefährdung des Friedens in der Osttürkei. Diesen seit 2013 andauernden Frieden brach die PKK allerdings bereits am Donnerstag, als sie zwei türkische Polizisten erschoss, ihnen ohne Beweise eine Zusammenarbeit mit dem IS unterstellte und sich explizit zu dieser Tat bekannte. Auch ein Anschlag auf ein Armeefahrzeug, bei dem am Sonntag in der Nähe von Diyarbakir zwei türkische Soldaten ums Leben kamen und vier weitere verletzt wurden, geht wahrscheinlich auf das Konto des militärischen Arms der PKK.

Sieht man sich die Geschichte der verbotenen Kurdenpartei an, dann überraschen diese Taten nur bedingt: Der totalitäre Personenkult ermordete vor allem in den 1980er und 1990er Jahren nicht nur zahlreiche türkische Wehrpflichtige und Polizisten, sondern auch tausende zivile Opfer, die kein Schutzgeld zahlen und ihre Dörfer und Häuser nicht zur Verfügung stellen wollten, weshalb man sie als "Kollaborateure" brandmarkte. Sogar innerhalb der Kaderorganisation wurde umfassend gemordet:

Neben Abweichlern traf es angeblich auch Untergebene Abdullah Öcalans, die nichts anderes gemacht hatten, als seine Befehle auszuführen. Der Grund dafür soll gewesen sein, dass der PKK-Führer Sündenböcke brauchte, auf die er Entscheidungen wie die Zwangsrekrutierung schieben konnte, nachdem sich diese als kontraproduktiv herausstellten.

Andere Dissidenten, wie beispielsweise Selim Çürükkaya, konnten ihrer Ermordung nur durch eine Flucht ins Ausland entgehen. Aber auch in Deutschland wurde ein Haftbefehl gegen Abdullah Öcalan erlassen, nachdem die Ermittlungsbehörden zum Ergebnis kamen, dass dieser den 1984 in Rüsselsheim verübten Fememord an Zülfü Gök zu verantworten hat. 15 Jahre später ermordeten PKK-Terroristen in Bremen eine junge Frau alleine deshalb, weil diese sich entgegen eines anderslautenden Befehls mit einem (ebenfalls ermordeten) "Kämpfer" eingelassen hatte, den sie pflegen sollte.

Diese Geschichte der PKK ist in der Türkei präsenter als in Deutschland, wo in den letzten beiden Jahren vor allem der Kampf der syrischen Kurdenpartei PYD gegen den IS das Image der Organisation verbesserte. Wie stark PKK und PYD zusammenhängen, ist umstritten. Während einige Beobachter die PYD lediglich für einen syrischen Ableger der PKK halten, betont die Partei selbst zwar die pankurdische Solidarität, aber auch ihre Unabhängigkeit.

Ahmet Davutoğlu. Foto: Marc Mueller / MSC. Lizenz: CC BY 3.0

An diese Unabhängigkeit hat jetzt der türkische Ministerpräsident Davutoğlu appelliert: Er erklärte sich nach dem Militärschlag auf die von der PYD beherrschte Ortschaft Zur Maghar öffentlich zu einer Zusammenarbeit mit der PYD bereit, wenn diese keine Bedrohung für die Türkei darstellt und ihre Verbindungen zur syrischen Regierung kappt. Sollte Davutoğlu das Angebot ernst gemeint haben, dann schwebt ihm möglicherweise ein ähnliches Verhältnis wie mit den irakischen Kurdenparteien vor. Die vertragen sich grundsätzlich gut mit der Regierung in Ankara und halten eine gewisse Distanz zur PKK, die jedoch nicht ausschließt, dass sie Stützpunkte im Nordirak unterhalten darf.

Möglich ist jedoch auch, dass Davutoğlus Angebot nicht ernst gemeint war und dass mit einer erwarteten Ablehnung ein eventuelles militärisches Vorgehen gegen die PYD und ihre YPG-Miliz begründet wird. Für letzteres spricht, dass der Ministerpräsident auch ein Ende der Zusammenarbeit der PYD mit der syrischen Regierung fordert. Das wäre militärisch insofern unklug, als dann die derzeit von der YPG und der syrischen Regierung verteidigte Stadt Hasakah an den IS fallen könnte. In diesem Fall droht nicht nur zehntausenden assyrischen Christen, sondern auch über hunderttausend Kurden Tod oder Vertreibung.

Flankiert wurden die Angriffen der türkischen Luftwaffe am Wochenende durch zahlreiche Festnahmen von Terrorverdächtigen. Wie viele davon dem IS, der PKK und der Terrorgruppe DHKP-C zugerechnet werden, ist immer noch nicht klar. Die DHKP-C ist eine Art türkisches Äquivalent zu den deutschen, italienischen und französischen Terrorgruppen der 1970er Jahre, konnte sich aber bis jetzt halten. Sie entstand 1978 als "Dev-Sol" und ermordete seitdem zahlreiche Militärs, Polizisten und Geschäftsleute.

2012 sagte die damalige Istanbuler DHKP-C-Anführerin Asuman Akça türkischen Medien, sie werde in einem Prozess gegen sie über die Verbindungen ihrer Terrorgruppe mit dem Gladio-ähnlichen Netzwerk Ergenekon aussagen. Daraufhin wurde sie in den Kopf geschossen. Als sich am 6. Januar 2015 eine Frau auf einer Polizeistation in Istanbul in die Luft sprengte, bekannte sich die DHKP-C erst zu diesem Anschlag, nahm das Bekenntnis aber wieder aus dem Web, nachdem herauskam, dass die Selbstmordattentäterin eine Tschetschenin mit engen Verbindungen zum IS war.

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