"Dear Hillary" - Politik und Philanthropie in den Soros-Leaks
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Neue Hacker-Plattform DCLeaks enthüllt die Macht eines Milliardärs
Soros wird gefeiert als genialer Mega-Spekulant, Philanthrop und liberaler Globalisierungskritiker. Doch die Soros-Leaks enthüllen auch eine beängstigende Machtanhäufung beim reichsten Hedgefond-Manager der Welt.
Der Milliardär hat's schwer. Erst bringt Wikileaks eine E-Mail, die zeigt wie "Dear Hillary" Clinton Rat von Soros in Sachen Unruhen in Albanien bekommt, dann kommt die neue Plattform DCLeaks mit weiteren Sensationen, etwa einem Botschafter-Brunch in Kiew 2014, der Soros' Förderung der "Maidan-Revolution" (Kritiker sprechen von einem Putsch) belegt.
Das könnte Soros mühsam aufgebautes liberales Image kosten, wie er es z.B. durch Unterzeichnung einer Pro-Snowden-Petition an Obama aufgebaut hat. Soros' mächtige Open Society Foundation (OSF) ist global aktiv, fördert NGOs, Netzmedien und politische Gruppen, wie die Leaks belegen, auch in der europäischen Hackerbewegung. Könnte mehr dahinter stecken als rein karitatives Engagement eines superreichen Philanthropen für liberale, "offene" Gesellschaften?
Obwohl "Megaspekulant" George Soros als Bezwinger des Britischen Pfundes eine Berühmtheit und sein politisches Engagement in Osteuropa Legende ist, haben dieSoros-Leaks bemerkenswert wenig Resonanz in den Medien gefunden. Die enthüllende Plattform DCLeaks, die sich selbst als "American Hacktivists" bezeichnet, aber von US-Medien als Instrument "russischer Hacker" bezeichnet wird, machte mehr Schlagzeilen mit E-Mails der Clintons oder des Nato-Generals a.D. Breedlove (siehe General Breedlove - oder wie man lernen soll, Bomben zu lieben).
Wer steckt hinter DCLeaks?
Publiziert hat die Soros-Leaks eine neue Whistleblower-Plattform DCLeaks, hinter der - als Teil der aktuellen Panik über Putins vermeintliche Eingriffe in den US-Wahlkampf - "russische Hacker" vermutet werden. Da Soros sich gegen Putins Russland einsetzt und bekanntlich auch in den Umsturz in Kiew verwickelt sein soll, scheint diese als Geheimwissen anonymer "Sicherheitsexperten" präsentierte offizielle Verschwörungstheorie zumindest nicht unplausibel.
Andererseits hat DCLeaks sich die Enthüllung der Machenschaften der korrupten Machtelite in Washington auf die Fahnen geschrieben - und die scheinen sich derzeit Russland als aktuellen Lieblingsfeind auserkoren zu haben. Wer den Machteliten Washingtons auf die Finger klopfen wollte, könnte also auch alleine deshalb entsprechende Themen ins Visier nehmen. DCLeaks Selbstdarstellung scheint auf US-Hacker hinzudeuten:
DCleaks is a new level project aimed to analyze and publish a large amount of emails from top-ranking officials and their influence agents all over the world. The project was launched by the American hacktivists who respect and appreciate freedom of speech, human rights and government of the people. (…) The authorities are just lobbying interests of Wall Street fat cats, industrial barons and multinational corporations’ representatives who swallow up all resources and subjugate all markets. (…) Our aim is to find out and tell you the truth about U.S. decision-making process as well as about the key elements of American political life.
DCLeaks
DCLeaks beruft sich demnach auf Meinungs- bzw. Pressefreiheit, die Menschenrechte und Demokratie und kritisiert US-Machteliten als korrupt. Man will daher die Wahrheit über Entscheidungsprozesse in den USA ans Licht bringen und wirklich wichtige Dinge enthüllen -was implizite Kritik an den US-Leitmedien enthält, die dies alles scheinbar nicht oder ungenügend machen.
Wie DCLeaks meint, vertritt das politische Establishment der USA weniger Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte als vielmehr die Lobby-Interessen der großen Industriebarone, Multis und "Wall Street fat cats". Und eine der fettesten besagter Katzen hört auf den Namen George und sitzt zuweilen auf dem Schoß der künftigen US-Präsidentin.
Bloomberg's "russische Hacker"
Vor gut sechs Wochen, am 11.August, erschien ein Artikel eines etablierten westlichen Massenmediums zu den Soros-Leaks. Bloomberg.com wies gleich im Titel auf die zweifelhafte Herkunft der Enthüllungen hin: Russische Hacker des DNC wollen Geheimnisse auch von Nato, Soros gestohlen haben. Groß debattiert wurden zu dieser Zeit die Hillary Clintons Wahlkampf beeinträchtigenden Leaks ihrer Parteizentrale, des DNC.
Ihre Unterstützer bemühten sich dabei, die angeblich russische Herkunft der Hacker in den Vordergrund zu rücken und eine Debatte loszutreten, ob der medial dämonisierte Putin vielleicht Clintons Gegner Donald Trump mit diesen Enthüllungen fördern wolle. Das lenkte von den Leaks ab und belastete zugleich ihren Kontrahenten Trump sowie den außenpolitischen Buhmann Putin.
Die wichtigsten Teile des Leaks betrafen laut Bloomberg US-General Philip Breedlove, pensionierter Ex-Nato-Chef, während der Hack von Soros' OSF (Open Society Foundation) auf ein Intranet von Vorstand, Stab und Stiftungspartnern begrenzt gewesen sei.
Wochen bevor der Parteitag der Demokraten durch 20.000 geleakte Mails durch WikiLeaks umgestülpt wurde, fing eine andere noch wenig bekannte Webseite damit an, Geheimnisse eines Nato-Top-Generals zu posten und des Milliardärs George Soros, der Clinton unterstützt. Sicherheitsexperten sagen, dass DCLeaks.com dieselben Merkmale aufzeigt wie die Einheit des russischen Geheimdienstes, welche die Organisationen der Demokraten angegriffen hat.(...)
Bloomberg.com
DCleaks, das sich als Produkt von amerikanischen Hacktivisten beschreibt, wurde im April registriert. Viele Dokumente wurden Anfang Juni gespostet. Ein Administrator von DCLeaks, der sich als Steve Wanders ausweist, hat auf schriftliche Fragen nicht geantwortet, eingeschlossen solchen, warum das meiste Material sich auf Russland bezieht oder mit Interessen russischer Außenpolitik zu tun hat.
Bloomberg sagt nicht, woher die anonymen Sicherheitsexperten stammen, denen die Einschätzung DCLeaks als von russischen Hackern stammend zu verdanken ist. Man kann annehmen, von US-Geheimdiensten wie NSA oder CIA. DCLeaks ist offenbar nach Washington D.C. benannt, das "spiffy capitol-dome logo" zeigt demnach eine dandyhaft-edle Miniatur des dortigen US-Kongresspalastes.
Der Milliardär und Philanthrop Soros, dem etliche der seit drei Monaten auf DCLeaks enthüllten Dokumente zugeordnet sind, spielt eine große Rolle für Bloomberg, um die sich selbst als "American hacktivists" bezeichnenden Enthüller als Putins Mannen zu entlarven:
On August 3, the DCLeaks.com Twitter account tweeted "Check George Soros’s OSF plans to counter Russian policy and traditional values," attaching a screenshot of a $500,000 budget request for an Open Society program designed to counter Russian influence among European democracies.
Bloomberg
Es geht also um den Einfluss auf Russland, den Soros' Stiftung nehmen will. Die Tatsache selbst ist für Bloomberg offenbar kein Problem, sondern eine Selbstverständlichkeit. Obwohl umgekehrt russischer Einfluss auf Medien und Gesellschaft der USA derzeit heftig skandalisiert wird - auch anhand der in US-Leitmedien weitgehend jedoch beschwiegenen DCLeaks-Enthüllungen. Dies scheint einer im US-Mainstream gepflegten Haltung zu entsprechen, wonach Enthüllungen, die auf russische Hacker zurückgehen (könnten), inhaltlich nicht breiter debattiert werden sollten, da man sich sonst zu Putins Helfershelfer mache.
Dabei sollte eigentlich weniger die Herkunft als die Echtheit von Enthüllungen diskutiert werden, bevor man sich deren brisanten Inhalten widmet. Bei den Panama-Leaks etwa wurde die auf Putin fixierte westliche Berichterstattung nicht durch die Quelle, sondern durch die erst um Ecken herum recherchierte Finanzstruktur unglaubwürdig. Putin allerdings verwies auf eine Quellenlage, die aus russischer Sicht dubiose Hintermänner vermuten ließ. Einer davon war Soros (siehe Panama Papers: Wie objektiv ist die Recherche?), der die investigativen Journalisten mit finanziert hatte, denen wir den Panama-Leak offenbar verdanken. So schließt sich hier der Kreis mit Netzgerüchten, die in den Soros-Leaks (u.a.) eine Retourkutsche aus russischen Putin-Befürworter-Kreisen vermuten.
Ein Intranet namens "Karl"
Bloomberg geht auf die geleakten Inhalte kaum ein, doch seine anonymen "Sicherheitsexperten" wussten noch einiges zum Hintergrund zu erläutern: Das Intranet der OSF heiße "Karl" (Soros sieht sich als Adepten des Philosophen Karl Popper), neben den 800 Festangestellten OSF-Mitarbeitern hätten ca. 7.000 weitere Personen Zugang, die dort Projektvorschläge, Budget-Pläne und andere interne Dokumente ausgetauscht hätten.
Dabei wären "Taktiken verdächtiger russischer Hacker" eingesetzt worden, wie das Ausspähen von E-Mail-Accounts - was allerdings als Beschuldigung besonders aus NSA-Kreisen etwas seltsam klänge, nachdem Snowden diese Behörde als die vermutlich E-Mail-schnüffel-freudigste Vereinigung unseres Planeten enttarnt hat:
In the case of Soros’s Open Society, hackers stole a trove of documents after accessing the foundation’s internal intranet, a system called Karl, according to a person familiar with its internal investigation. (…) The hackers may have had access the foundations’ network for nearly a year, according to another person familiar with the investigation. Although Open Society has about 800 full-time staff, as many as 7,000 people have access to Karl, which is used to circulate draft program proposals, budgets and other internal documents. DCLeaks.com provides a possible outline of the successful tactics used by the suspected Russian hackers, like targeting personal e-mail accounts to scoop up sensitive information.
Bloomberg
Bei den 7000 externen Karl-Nutzern dürfte es sich um die "Partner" der OSF handeln, d.h. die Mitglieder diverser NGO, Oppositionsgruppen, Medienarbeitern, Polit- und Netzaktivisten, die Soros über seine OSF mit dreistelligen Millionenbeträgen fördert. Wie jetzt detailliert enthüllt wurde, arbeiten diese Leute in aller Welt inklusive den USA, besonders oft aber in der weichen Südflanke Russlands, in osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern wie der Ukraine, Kasachstan oder Usbekistan für die Ziele einer "Offenen Gesellschaft".
Das ist eine Gesellschaft nach westlich-neoliberalem Vorbild, wie sie etwa auch die Strukturprogramme des IWF zum Ziel haben. Die neoliberale Deregulierung der globalen Finanzmärkte, der Soros sein Vermögen verdankt, geht auch auf den IWF zurück, der entsprechende Forderungen in seinen berüchtigten "Strukturanpassungsprogrammen" durchsetzte.
Soros befürwortet in seinem zuweilen von Börsenjournalisten als "Globalisierungskritik" bezeichneten Buch Der Globalisierungsreport (2002) die Arbeit des IWF, wenn er auch gelegentlich linksliberale Kritik an Details übte. Im "Globalisierungsreport" will er sogar den IWF und andere Finanzinstitutionen (WTO, Weltbank) gegen "Marktfundamentalisten der extremen Rechten und Globalisierungsgegner der extremen Linken" verteidigen und reformieren1 - teilweise nach dem Vorbild seiner OSF.
Die "extremen Rechten" dürften in dieser Beschreibung wohl US-Rechtslibertäre wie Breitbart und Ludwig von Mises sein, die eher Fördergelder bei den Ölbaronen von Koch Industries bekommen.
Mit linker Globalisierungskritik wie von Attac kann Soros aber scheinbar auch wenig anfangen. Die Tobin-Tax auf Währungsspekulation will der Währungsspekulant, wenn sie denn schon eingeführt wird, lieber auf alle Finanztransaktionen ausweiten. Er gibt aber zu bedenken, dass dies wohl in der Praxis nie gelingen würde und setzt einen raffinierten Vorschlag dagegen, der wohl letztlich die Verantwortung auf die Zentralbanken und Regierungen abschiebt und mit Sonderziehungsrechten des IWF arbeitet2. Damit wären er und sein Hedgefonds aus dem Schneider.