Debatte über Impfungen für Kinder stellt Pandemiepolitik bloß

Seite 2: Impfungen für Kinder: Was soll die Wissenschaft leisten?

Mitnichten. Tonne, immerhin Vater von zwei Töchtern im betreffenden Alter, holte zum Generalangriff auf die unliebsamen Impfexperten der Stiko aus, bezeichnete ihr Urteil als "Beitrag zur Verunsicherung" und "das Gegenteil dessen, was Wissenschaft leisten sollte".

Da fragt man sich: Was soll Wissenschaft denn dann leisten? Soll sie Empfehlungen und Beurteilungen auf Basis vorliegender Daten abgeben? Oder soll sie Empfehlungen und Beurteilungen gemäß politischen Vorgaben liefern?

Die Interventionen von Weil, Tonne, aber auch Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), der bei der Impfkampagne für Kinder ebenso Druck macht, verdeutlichen, was in der Pandemiepolitik aus dem Ruder gelaufen ist.

Einige Politiker versuchen ausgerechnet im sensiblen medizinischen Bereich ein etabliertes Kontrollsystem wissenschaftlicher Gremien über politische Entscheidungsträger außer Kraft zu setzen, weil sie sich rasche Erfolge erhoffen oder eigene Verfehlungen zur Verringerung der Infektionsrate in Bildungseinrichtungen kaschieren wollen.

Indem die Befürworter einer raschen und massenhaften Impfkampagne für Kinder die defizitäre Datenlage ignorieren und willfährige Einschätzungen einfordern, gießen sie Wasser auf die Mühlen derjenigen, die allerorts Verschwörung wittern.

Wie schon Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonten SPD-Landesminister Tonne und andere Gleichdenkende, es werde keine Impfpflicht geben. Das ist de jure nicht zu bestreiten, de facto aber Augenwischerei. Denn in dem Maße, wie von politischer Seite Impfungen Minderjähriger forciert werden, müssen individuelle oder familiäre Entscheidungen zur Injektion eines (nach bisherigen Standards nicht hinreichend erforschten) Vakzins unter politischem und normativem Druck getroffen werden.

Wie reagiert das Umfeld, wenn ich mein Kind nicht impfen lasse? Wie reagiert die Schule? Darf mein Kind heute mit ins Restaurant, in den Urlaub, ins Konzert? Diese Fragen werden angesichts der zu erwartenden Verstetigung der Pandemie an Gewicht gewinnen. Damit wird auch der Druck zur Impfung steigen, ganz unabhängig von Gesetzen und Verordnungen. Die Aufgabe von Bundes- und Landespolitikern wäre, die Grundlagen für eine freiwillige Teilnahme an den Impfkampagnen zu schaffen. Das Gegenteil ist vor dem heutigen Impfgipfel von Bund und Ländern geschehen.