Den Rechtsruck in der AfD hat es nicht gegeben
Seite 2: Deutschland steht "auf der roten Liste" der bedrohten Völker
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Doch auch dieses Schauspiel oder dann die Wahl von Gauland als Meuthens-Sidekick ist kein ideologischer Rechtsruck. Der äußerst rechte Parteirand machte so nur deutlich, dass er längst in der Mitte der AfD angekommen ist. Zu einem Rechtsruck passte auch nicht das, was zu hören war von Kandidaten oder neuen Mitgliedern des Bundesvorstandes. Der moderate Pazderski wurde als einer von drei Vizechefs gewählt, mit einem demütigenden Ergebnis knapp über 50 Prozent. Der bisher als moderat und bürgerlich geltende Kay Gottschalk schimpfte gegen die "verschissene EU" und umschrieb Gegendemonstranten, die ihn zuvor an der Hand verletzt haben sollen, als Gestalten, die früher wohl mal ein KZ hätten betreiben können. Die AfD, sagte Gottschalk in seiner Bewerbungsrede, müsse nunmehr selbst "Schlagkraft erreichen". Er wurde zum Vizechef gewählt.
Albrecht Glaser, bekannt für seine kritischen Thesen gegen den Islam und nunmehr ebenso Vizechef, bewarb sich unter anderem für das Amt mit der Aussage, dass Deutschland "auf der roten Liste" der bedrohten Völker stehe. Man müsse die Kulturnation auch vor dem Islam retten. Die Chefin der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, gehört dem Vorstand erneut als Beisitzerin an. Sie sprach von einer "Merkel-Dämmerung", bewirkt habe diese die AfD. Die Partei werde fortan eine Politik gegen Politiker machen, "die unser Land aufgegeben haben". Auch Beatrix von Storch gehört wieder dem Vorstand an, diesmal als Beisitzerin.
"Totaler Krieg" von Links gegen das Volk
"Der Islam gehört ebenso wenig nach Deutschland wie Merkel ins Kanzleramt", rief von Storch in ihrer Bewerbungsrede den Delegierten zu. Diese applaudierten, Merkel sei die "größte Rechtsbrecherin" in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, ergänzte sie, schimpfte auf die "Dekadenz der Eliten". Koalieren werde man nur, wenn man die stärkste Kraft geworden sei, sagte von Storch. Rechtsaußen Steffen Königer, der nach mehreren Wahlgängen von den Delegierten mit 55,74 Prozent zum 6. Beisitzer gewählt wurde, sagte, in Deutschland finde ein "totaler Krieg" von Links gegen das Volk statt und es gehe nun darum, zusammen zu stehen "gegen das feindliche Heer".
Nicht erfolgreiche Kandidaten für das Amt als Beisitzer im Vorstand beschwerten sich darüber, als "Rechtsradikale und Nazis verunglimpft" zu werden. Man müsse im Bundestag "Pflöcke einschlagen" im Kampf um die Rettung des "wunderschönen Vaterlandes". Ein Russlanddeutscher trat dafür ein, man müsse das ganze Land "aufräumen". Ein anderer befand, das "Mahnmal der Schande" am Haus Höckes verhöhne in Wahrheit die Opfer des Nationalsozialismus. So schnell kann also in der AfD eine Aktion gegen rechte Umtriebe und deren Geschichtsrevisionismus um 180 Grad gewendet werden.
Ein anderer Kandidat meinte, der Klimawandel sei ein "Schwindel" und begründete dies damit, dass "man uns" gesagt habe, es werde keinen Winter mehr geben. Wer vor die Tür schaue, wo winterliche Verhältnisse herrschten, erkenne den "Schwindel" sofort. Ein anderer Kandidat und Höcke-Mitstreiter polterte gegen Lucke und Petry, letztgenannte sei heute eher ein Fall für die Nervenheilanstalt. Durch das Agieren beider sei klar geworden: "Wer versucht die AfD zu richten, den richtet die AfD!" Mit NPD und Extremismus wollte der Kandidat nichts zu tun haben, allerdings dann doch selbst entscheiden, wer ein Extremist ist. Das lasse er sich, so der Kandidat, nicht vom Verfassungsschutz vorschreiben. Besagter AfD-Kader hat eine Nähe zur rechtsextremen "Identitären Bewegung" (IB), die seiner Meinung nach zu Unrecht überwacht werde.
Solche Töne auf dem AfD-Parteitag - auch welt.de hat Zitate gesammelt - stehen nicht für einen weiteren Rechtsruck der Partei, der am vergangenen Wochenende in Hannover stattgefunden haben soll. In weiten Teilen der Partei und erst recht in deren Sympathisanten-Umfeld gehören solche Aussagen seit Jahren schon zum guten Ton, zum Partei-Mainstream sozusagen. Auffallend war in Hannover lediglich, dass die Macht jener Kreise, die eine radikale bis extreme, kämpferische bis kriegerische Rhetorik schon länger nutzen, gewachsen ist.
Sie können nun ihre Ideen bei Abstimmung durchsetzen. Und das mit 40 bis 50 Prozent. Sollte dereinst auch das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke eingestellt werden und dessen Flügel weiter an Macht gewinnen, tritt er sodann vielleicht auch selbst für einen Posten an. Vielleicht wäre aber auch das kein Rechtsruck - sondern nur eine logische Folge.