Der Anteil der Natur an der Rechtswendung der Gesellschaft

Seite 2: Echokammern und die Erreichbarkeit von Jugendlichen durch Bildungsarbeit

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Welche rechten Gruppierungen haben Sie bei Ihrer Arbeit am ehesten im Fokus, welche stufen Sie - vor allem in der Wirkung auf Jugendliche - am riskantesten ein?

Yannick Passeick: Die Identitären - auch wenn sie sich gerade im Auflösungsprozess befinden - scheinen uns für die Arbeit am riskantesten, weil sie objektiv gesehen wirkungsvoll arbeiten. Umweltschutz wird mit "Heimatliebe" modern verpackt, Aktionen medial gekonnt inszeniert. Mit Martin Sellner befindet sich dort außerdem einer der größten Influencer des rechten Spektrums an der Spitze. Neonazi-Organisationen wie der Dritte Weg, der Sturmvogel oder der Freibund dürften dagegen durch ihr martialisches Auftreten eher abschreckend wirken. Auch rechte Siedlungsbestrebungen auf dem Land können potenziell harmlos wirken und daher eine Gefährdung darstellen.

Das Corona-Virus schränkt die grundgesetzlich verbürgte Freiheit ein. Dagegen artikulierte sich öffentlich Widerstand, der von Verschwörungstheoretikern über Parteigänger der Grünen, der Linken, der FDP bis zu den Reichsbürgern getragen wurde. Sind die traditionellen politischen Lager hinfällig? Weiß man überhaupt noch, wo der politische Gegner zu verorten ist?

Yannick Passeick: Ich glaube nicht, dass die traditionellen politischen Lager hinfällig sind. Aber womöglich zeigt sich eine Verschiebung von Schwerpunkt- und Konfliktlinien von solidarischen und weltoffenen Ideen auf der einen Seite und egoistischen (seltsamerweise mit der Selbstbezeichnung liberal) und abschottenden Ideen auf der anderen Seite. Bei den Protesten warben ja plötzlich dieselben Menschen für das Grundgesetz, was sie wenige Wochen zuvor noch als ungültig bezeichnet haben. Grundsätzlich gilt meiner Meinung nach, dass die Orientierung an den allgemeinen Menschenrechten inklusive globaler Solidarität ein guter Indikator ist, an dem sich politische Kräfte einteilen lassen.

Die globale Bevölkerungsexplosion führe zwangsläufig zum Raubbau an der Natur, ist eine der Argumentationslinien. Starke Zersiedelungsprobleme hat auch unser Land. Setzte bei Teilen der Umweltbewegung 2015 ein latenter Stimmungsumschwung zu Ungunsten der Flüchtlinge ein?

Yannick Passeick: Zum einen halte ich das Wort "Bevölkerungsexplosion" für entmenschlichend, zum anderen hat der Diskurs über Bevölkerungszahlen die Umweltbewegung seit Jahrzehnten mitgeprägt. 2015 gab es in der gesamten Bevölkerung viel Solidarität und wenig später viel Ablehnung gegenüber Geflüchteten. Die Umweltverbände haben sich mit ihren über 10 Millionen Mitgliedern solidarisch gezeigt, aber als Abbild der Gesamtgesellschaft wird es auch dort Abweichungen gegeben haben. Solche Stimmungen sind jedoch in den meisten Verbänden auf Landes- oder Bundesebene nicht mehrheitsfähig. Das zeigt sich auch an den zahlreichen Projekten mit Geflüchteten im Natur- und Umweltbereich.

Rechtsextremismus im Internet breitet sich flächendeckend aus, versetzt mit illiberalen spiritualistischen Ideen und mystischen Natur-Vorstellungen. Kommt Bildungs- und Präventionsarbeit überhaupt noch an die neuen Medien und deren babylonisches Sprachgewirr heran?

Yannick Passeick: Bildungs- und Präventionsarbeit muss für eine effektive Arbeit mit bewährten und innovativen Mitteln vorgehen. Viele Projekte setzen auf digitale Formate, um junge Menschen in ihrer Online-Lebenswelt zu erreichen. Damit lassen sich allerdings auch nicht diejenigen erreichen, die sich schon in rechten Echokammern befinden. Also braucht es zusätzlich den Ansatz der lokalen Arbeit über Vereine und Schulen. Die Kombination ist vielversprechend, aber letztlich muss sich die Präventionsarbeit an den Erfolgen messen lassen. Wir verfolgen mit unserem Projekt "NaturSchutzRaum" beispielsweise einen solchen zweigeteilten Ansatz, sowohl über Online-Angebote Studierende in den grünen Berufen zu sensibilisieren, als auch durch die Ausbildung von Multiplikator*innen im ländlichen Raum rechtsextrem gefährdete Jugendliche zu erreichen.

Ist es schon vorgekommen, dass jugendliche Mitglieder Ihres Vereins nichtsahnend oder vollbewusst rechtsextremes Gedankengut zum Besten geben? Wie würde dann verfahren?

Yannick Passeick: Es kann durchaus vorkommen, dass Jugendliche nichtsahnend diskriminierende Aussagen tätigen. Dann ist es wichtig, einerseits Haltung zu zeigen und solche Aussagen zu verurteilen, andererseits aber respektvoll auf die Person zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Im Gespräch kann dann gefragt werden, woher dieser Gedanke kommt und thematisiert werden, was daran problematisch ist. Zu dieser Erkenntnis müssen junge Menschen dann selbst gelangen. Bei einer vollbewussten Äußerung extrem rechten Gedankenguts kann bei mangelnder Einsicht und Gesprächsbereitschaft letztlich mit Verweis auf die Satzung deutlich gemacht werden, dass die Person in dem Verband keine Zukunft hat.

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