Der BND im Kosovo
Streit unter Freunden?
Die Verhaftung von drei BND-Beamten im Kosovo war am Donnerstag Thema im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages (PKG ). Doch wie so oft, blieben auch nach der Sitzung viele Fragen offen. Haben drei BND-Beamte sich an einem Sprengstoffanschlag auf das Hauptquartier der EU in Pristina beteiligt? Oder haben sie nach dem Anschlag nur den Tatort besichtigt und fotografiert? Nachdem das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKG) rund drei Stunden getagt hatte, erfuhren die vor der Tür des (offiziell eigentlich ebenfalls geheimen) Tagungsraums im Untergeschoss des Bundestagsgebäudes wartenden Journalisten nur so viel: Es handelt sich bei den drei Deutschen, tatsächlich um „Beamte“. So der PKG-Vorsitzende Thomas Oppermann (SPD).
Auf Nachfrage des Autors, wo diese drei denn tätig seien, ergänzte Oppermann: „Beamte des BND.“ Es gäbe, so Oppermann, „keine Anhaltspunkte" dafür, dass die drei deutschen Beamten in einen Anschlag verwickelt seien. Die kosovarische Regierung habe der deutschen Bundesregierung auch keine Beweise vorgelegt. Daraus folgt die Forderung nach sofortiger Freilassung der drei Beamten.
Außerdem, so Oppermann, seien die Haftbedingungen der drei deutschen Beamten „unmenschlich“. Doch selbst das muss nicht stimmen. Deutsche Beamte, die es wissen müssen, weil sie im Unterschied zum Abgeordneten Oppermann, Zugang zu den Gefangenen hatten, sprechen von „akzeptablen“ Haftbedingungen. Also nicht einmal auf solch eine Aussage der PKG-Mitglieder ist wirklich Verlass.
Ungeklärt blieb, was die drei Beamten Andreas D., Andreas J. und Robert Z. eigentlich im Kosovo machten, was ihr genauer Auftrag war. Thomas Oppermann erzählt den Journalisten etwas von 2.500 Bundeswehrsoldaten, die im Kosovo tätig seien und dass man „die Sicherheit der Soldaten gewährleisten“ müsse. Stellt sich die Frage, ob die normalerweise durchaus bewaffnete Bundeswehr das nicht selbst kann? Benötigt sie dafür den normalerweise unbewaffneten BND? Fest steht, dass die drei bei der Regierung in Prishtina nicht als BND-Residenten angemeldet waren. Anders als in einigen Medien behauptet, verfügte auch keiner der drei über einen deutschen Diplomatenpass.
Kriminelle in der Regierung
Die drei Männer arbeiteten für die Firma „Logistic Assessments” in Prishtina, die verschiedenen Berichten zufolge als BND-Basis im Kosovo diente. Angeblich wurden sie bereits seit über einem Jahr von kosovarischen Sicherheitsbehörden überwacht. Ihre Firma, die bei der Vermittlung von Geschäftskontakten im Kosovo behilflich sein soll, befasste sich logischerweise mit wirtschaftlichen Strukturen in dieser Mini-Republik, in der viele führende Politiker einen eher kriminellen Hintergrund haben.
Wirtschaftliche und finanzielle Strukturen haben in diesem Land auch gleichzeitig mit Korruption in großem Stil, mit Drogenhandel und anderen, damit einhergehenden Bereichen der Kriminalität zu tun. Nicht zufällig wird Kosovo von manchen auch als „kleine Mafia-Republik“ bezeichnet. Es gäbe also Anlass genug für den BND, wie überhaupt für jedes Land, jede Regierung und erst recht jeden Geheimdienst eines jeden Landes, sich mit dem Treiben der ehemaligen UCK-Kameraden näher zu befassen und dabei ganz besonders Wirtschaft und Finanzen im Auge zu behalten. Eine offizielle Registrierung bei den kosovarischen Behörden wäre bei solch einer Zielsetzung eher kontraproduktiv. Denn im Kosovo darf man weiterhin davon ausgehen, dass die Regierung eher zur Mafia gehört, als dass sie diese bekämpfen würde.
BND-Bericht über Organisierte Kriminalität im Kosovo
Der BND hat sich bereits in früheren Jahren ausführlich damit befasst und auch selbst dafür gesorgt, dass das bekannt wurde. So gelangte – wohl kaum zufällig - eine Anfang 2005 verfasste, 67-Seiten umfassenden Analyse über die Organisierte Kriminalität im Kosovo an einen ausgesuchten Teil der deutschen Öffentlichkeit. Darin wurden Namen, Daten und Fakten über den kriminellen Sumpf im Kosovo genannt. Gar nicht gut weg kamen in dem BND-Report einige heute nach wie vor wichtige Politiker wie Ramush Haradinaj, Hashim Thaci und Xhavit Haliti weg. Alle drei machten Karriere in der UCK, der Kosovo-Befreiungsarmee, wie diese Truppe sich selbst nannte.
Ramush Haradinaj war kurzzeitig vom 3. Dezember 2004 bis 8. März 2005 kosovarischer Ministerpräsident, bevor er sich nach Den Haag in U-Haft begab. Er wurde vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, aber recht bald wieder freigesprochen. Der Grund: Es fanden sich zu wenig Zeugen, die gegen ihn aussagen mochten. Von massiven Einschüchterungen gegen Zeugen war die Rede. Über Hashim Thaci, den heutigen Regierungschef, heißt es im BND-Report: „Thaci gilt neben Haliti [...] als Auftraggeber des Profikillers Afrimi“, auf dessen Konto mindestens elf Auftragsmorde gehen sollen. Xhavit Haliti sitzt heute im kosovarischen Parlament. Über diese drei Herren heißt in dem BND-Report weiter:
Über die Key-Player (wie z. B. Haliti,, Haradinaj) bestehen engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden OK-Strukturen im Kosovo. Die dahinter stehenden kriminellen Netzwerke fördern dort die politische Instabilität. Sie haben kein Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung, durch die ihre florierenden Geschäfte beeinträchtigt werden können.
Was war Ziel des symbolischen Anschlags?
Zu den Auffälligkeiten bei dem Sprengstoffanschlag gehört dessen Harmlosigkeit und die gerade zu öffentlich zelebrierten Festnahme der drei BND-Beamten. Dieser Anschlag sollte keinen ernsthaften Schaden verursachen, sondern hatte eher Symbolcharakter. Er richtete sich, einer nun in Pristina mit einer erstaunlichen Verspätung von fast zwei Wochen „nachgereichten“ Bekenner-Erklärung einer bisher unbekannten "Armee der Republik Kosovo" (ARK) zufolge, gegen die EU-Mission EULEX. Weil diese „zu serbischen Bedingungen arbeite und von den Albanern abgelehnt werde.“ Es wird mit weiteren Anschlägen gegen die EULEX-Mission gedroht, „wenn sich diese mit Blick auf den Status Kosovos neutral verhält".
Die ARK habe sich in ihrer Bekenner-Email an mehrere Medien gewandt, sagte ein Polizeisprecher in Pristina. Die Polizei gehe davon aus, "dass diese Organisation, ihre Behauptung und Drohungen nicht ernst zu nehmen sind", werde jedoch "ernsthaft" ermitteln. Man darf gespannt sein, was dabei heraus kommt.
Der deutschsprachige Informationsdienst Kosova aktuell sieht den Anschlag ebenfalls im Zusammenhang mit der Polizei- und Justiz-Mission der EU. Die EU habe Kosovo „tagelang unter Druck gesetzt, die von Serbien gestellten Bedingungen für die Stationierung von EULEX zu akzeptieren“. Viele Kosovaren lehnten die Bevormundung durch die EU ab und protestierten dagegen. Als möglichen Grund für eine Involvierung der BND-Beamten nennt Kosova aktuell diesen „zivilen Protest der Kosovaren gegen die EULEX Mission zu kriminalisieren“.
Nach Auffassung des linken Bundesabgeordneten Wolfgang Neskovic, der Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, sollte die Bundesregierung nicht nur das geheim tagende Kontrollgremium des Bundestages über die tatsächlichen Geschehnisse im Kosovo unterrichten, sondern auch die Öffentlichkeit.
Die Geschehnisse in Pristina erinnern an einen Spionagefilm: Die Regierung des Kosovo behauptet, sie habe Beweise dafür, dass drei mutmaßliche BND-Mitarbeiter einen Anschlag auf ein EU-Gebäude in dem erst vor kurzem von Deutschland anerkannten Staat verübt haben sollen. Angesichts eines solchen Verdachts genügt es nicht, lediglich die zur Verschwiegenheit verpflichteten Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums über die Hintergründe zu informieren. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, ob ihr Staat jetzt auch im internationalen Terrorismus mitmischt. BND-Chef Ernst Uhrlau und das Bundeskanzleramt müssen die Bundespressekonferenz so schnell wie möglich über das, was sie wissen, unterrichten.
Vielleicht käme eine solche offene Diskussion auch zu dem Ergebnis, dass der BND sich vor allem mit Problemen befasst, die wir ohne ihn nicht hätten.