Der Blender: Narendra Modi
Seite 2: Rahul Gandhi: Grundeinkommen für 270 Millionen arme Inder
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Dass es in Indien nicht nur eine aufstrebende Mittelklasse gibt, hat zumindest Rahul Gandhi von der Kongress-Partei erkannt: Er verspricht den schätzungsweise 270 Millionen armen Indern, die von weniger als 27 bis 30 Rupien (35 bis 39 Eurocent) am Tag leben, ein monatliches Grundeinkommen von 6000 Rupien (77 Euro).
"Natürlich ist Rahuls Versprechen den Wahlen geschuldet, aber es könnte ein Wendepunkt für die Wahlen sein", sagt der bengalische Journalist und Aktivist Sushovan Dhar. "Und vielleicht kommt es wirklich in einer wichtigen Reform, weil immer weniger Inder die Versprechen der Politiker vergessen."
"Seit 1947 wurden wir fast ausschließlich vom korrupten Gandhi-Clan und seiner Familienpartei, der Kongress-Partei, regiert. Modi hat eine weitere Chance verdient", sagt Alok Kuman Gupta, ein Anwalt am High Court, der Modis Bharatiya Janata Party (BJP) nahe steht.
Obwohl in Indien zwischen Dezember 2015 und 2018 alleine 44 vermeintliche "Beef-Esser" von religiösen Kuhrettungsgruppen ermordet wurden, hält Gupta die Nachrichten von Hass gegenüber Minderheiten für übertrieben. "Yogi A. und Narendra Modi sind einfach weniger korrupt", beharrt Gupta auf seinem Hauptargument.
Wir sitzen im altehrwürdigen Indien-Coffee-House, überall in Indien ein Ort, an dem sich Aktivisten und Anhänger der politischen Linken treffen. Nicht so im konservativen und schwer religiös geprägten Prayagraj: Den einzigen Schatten eines "Linken", den ich an fünf Morgen getroffen habe, ist ein äußerst entspannter Fünfzigjähriger, der seine Mutter besucht.
Jeden Tag nach dem Morgenkaffee zündete er sich erst einmal einen üppigen Joint an. Seine leisen und federleicht gesprochenen Sätze lassen sich so zusammenfassen: Lass mich doch mit Politik in Ruhe. In Uttar Pradesh regiert ein Priester, was willst du da noch herumdiskutieren. Ich mach' mein Ding und das entspannt.
Anwalt Gupta seinerseits entpuppt sich im weiteren Gespräch gegenüber seiner BJP kritischer als erwartet: "Auch in Prayagraj haben wir seit den Kuhrettungs-Programmen unserer Regierung ein Problem mit streunenden Kühen. Am meisten Sorgen machen die Kühe, die unproduktiv geworden sind [Anm.: keine Milch mehr geben] und in großen Herden in die Felder der Bauern einfallen. Die Regierung von Yogi hat ganz klar versäumt, genug Plätze für die freilaufenden Kühe bereitzustellen."
Überall in Prayagraj sieht man die Folgen: Kühe liegen in großen Gruppen auf den Straßen und bevölkern so gut wie jeden Müllhaufen. Auch in Sachen verschmutzter Flüsse weiß Gupta, dass die Regierung nicht genug für die Reinigung tut.
"Es wird immer nur von einem sauberen Ganges geredet, aber völlig vergessen, dass die Verschmutzung auch über die Nebenflüsse transportiert wird. Wenn Sie mir Beweise vorlegen, dass die Industriebetriebe in Dada Nagar in Kanpur den Ganges auf Umwegen verschmutzen, werde ich gerichtlich dagegen vorgehen", sagt Gupta und verspricht Kontakt mit Rakesh Jaiswal aufzunehmen.
Doch es gibt noch ein weiteres Problemfeld: Mit ihrer Politik der harten Hand hat die Modi-Regierung die umstrittene Region Kaschmir wieder in Brand gesetzt. Dabei hatte die Vorgängerregierung des Indian National Congress gezeigt, dass genau das Gegenteil - nämlich auf die mehrheitlich muslimische Bevölkerung in Kaschmir zuzugehen - für einen Rückgang der Gewalt sorgte.
Eine ähnliche Linie fährt Narendra Modi mit dem Nachbar Pakistan. Obwohl der sogenannte surgical strike im pakistanischen Balakot laut Meinung internationaler Beobachter und gestützt auf Satellitenbilder weder Terroristen tötete noch eines ihrer Camps traf, tadelte Modi mit Hilfe ihm freundlich gesinnter Medien jeden im Land als Pakistan-Unterstützer, der die Fakten offen aussprach.
Doch Indiens seriöse Tageszeitung The Hindu legte dieses Jahr weitere Fakten nach, die auch Modis Saubermann-Image als Bluff entlarvten: Die Zeitung veröffentlichte Papiere, die beweisen, dass die indische Regierung ihre französischen Kollegen angewiesen hatte, ein Unternehmen der Reliance-Gruppe von Anil Ambani beim Rafale-Waffendeal über 36 Kampfflugzeuge zu bevorzugen.
Dank seiner geschickt gesetzten Nebelkerzen aus Nationalismus, Religion und reiner Augenwischerei könnte es für den gefährlichen Populisten Modi bei den Lok-Sabha-Wahlen, die in der kommenden Woche am 11. April beginnen, noch einmal knapp reichen.
Dafür mitverantwortlich ist auch die Kongresspartei, die seit den neoliberalen Reformen in den 1990er Jahren zu sehr auf die Bedürfnisse der großen Wirtschaftsplayer gehört hat und außer Acht ließ, dass ein großer Teil der Bevölkerung nichts vom steigenden Wirtschaftswachstum hatte: Das reiche eine Prozent besitzt 73 Prozent des Vermögens in Indien.
Dafür hat der materiell arme Teil der Inder die Nebenwirkungen des Wachstums auszubaden: 14 der 15 am meisten verseuchten Städte dieser Erde liegen mittlerweile in Indien. Dazu sterben jedes Jahr mindestens 1,2 Millionen Inder an den Folgen der Luftverschmutzung - im Osten Delhis und anderen Nachbarorten verkürzt sich die Lebenserwartung wegen der verpesteten Luft um 12 Jahre.