Der CDU-Generalsekretär und die Minijobs
Peter Tauber empfiehlt, etwas "Ordentliches" zu lernen
Als der CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Montag einen "Vollbeschäftigung ist viel besser als Gerechtigkeit" betitelten Welt-Artikel zum Wahlprogramm der Christdemokraten weitertwitterte, da fragte ihn ein anderer Twitter-Nutzer: "Heißt das jetzt 3 Minijobs für mich?" - worauf hin der Politiker entgegnete: "Wenn Sie was ordentliches [sic] gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs."
Mag sein, dass Tauber beim Tippen seiner Antwort SJWs vor Augen hatte, die sich auf Twitter empören, dass sie nach dem Absolvieren eines prototheologischen Studiengangs nicht sofort einen bezahlten Job als "Aktivist" bekommen. In der Regel werden jedoch gerade solche Personen über politische Netzwerke relativ schnell und gut versorgt, während sich mit den 2,6 Millionen Minijobs in Deutschland eher andere herumschlagen müssen. Darauf machen Social-Media-Nutzer Tauber seitdem aufmerksam. Zum Beispiel auf studierte Elektroingenieure, die auf Minijobs angewiesen sind, weil sie wegen ihres Alters keine andere Anstellung finden. Oder auf Rentner, die "alle was Ordentliches gelernt" haben, aber solche Tätigkeiten ausüben müssen, weil sie mit ihrer Rente nicht auskommen. Eine Angestellte in einem Jobcenter lud Tauber sogar dazu ein, seine Meinung außerhalb von Sozialen Medien mit Betroffenen zu diskutieren.
Parodien
Ein großer Teil der riesigen Reaktionswelle auf Taubers Tweet besteht aus Parodien, die häufig mit dem Hashtag #TwitternWieTauber versehen sind. Julian Klippert, ein "Multifunktionär" in Martin Sonneborns PARTEI konterte etwa mit einem Wahlbild, auf dem es heißt: "Wenn sie etwas ordentliches gewählt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs."
Den Eindruck, dass der CDU-Generalsekretär jene verachtet, die indirekt sein Gehalt bezahlen, hatten sehr viele Nutzer. Mit dem Hinweis auf die "ordentliche" Ausbildung machte sich der promovierte Historiker Tauber auch angreifbar für Kritiker wie Alexander Wallasch, der meinte, es studierten "zu viele Taubers […], nur, um nachher dem Steuerzahler lebenslang auf der Tasche zu liegen, als Diätenempfänger".
Etwas volkstümlicher brachte diese Position ein anderer Twitter-Nutzer zum Ausdruck, der zum CDU-Generalsekretär meinte: "Wenn Sie was Ordentliches gelernt hätten, müssten Sie Mutti nicht in den Hintern kriechen." Wieder andere Nutzer entdeckten alte Meldungen, die den Charakter des CDU-Generalsekretärs infrage stellen - darunter Mobbingvorwürfe (vgl. Tauber unter Druck) und eine Handelsblatt-Notiz zu seinen bemerkenswert hohen Nebeneinkünften.
Absicht?
Auch wenn Tauber mit seinem Tweet die Aufmerksamkeit sehr effektiv vom CDU-Wahlprogramm ablenkte konnte die SPD bislang eher nicht davon profitieren. Als ihr Bundestagsfraktionsvorsitzender Thomas Oppermann die Affäre mit dem Satz "Und wer keinen Anstand gelernt hat, wird CDU-Generalsekretär" auszuschlachten versuchte, erinnerte man sich schnell daran, dass es eine rot-grüne Bundesregierung war, die die Minijobs 2003 einführte.
Dass Taubers Formulierung kein "Ausrutscher", sondern taktisch gewählt war, um "eher libertäre" Merkel-Kritiker zu beeindrucken, kann zwar nicht ausgeschlossen werden - aber der Generalsekretär selbst reagierte gestern auf die von ihm generierte Aufmerksamkeit mit dem Hinweis, er habe lediglich darauf aufmerksam machen wollen, wie wichtig eine "gute Ausbildung" sei.
Auch damit liegt er allerdings nur bedingt richtig: Statistisch gesehen gibt es zwar einen stabilen Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen, aber auch unter Akademikern sind etwa drei Prozent auf Hartz-IV-Bezug angewiesen - und dem Essener Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) nach hat der Großteil der geringfügig Beschäftigten eine Berufsausbildung absolviert oder das Abitur gemacht.
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