Der CIA-Mordplan gegen Assange, Mike Pompeo und das Recht der Mächtigen

Mike Pompeo bei einer Pressekonferenz im Jahr 2020. Der damalige US-Präsident Donald Trump und Vizepräsident Mike Pence im Hintergrund. Bild: White House / Public Domain

Es wirkt wie ein Hollywood-Film. Doch es ist real: Spionage, Verschwörung, Mordkomplott. Während Gerichte bereits agieren, übersehen Medien den Skandal weiter.

Nicht überall ist man erleichtert über die Freilassung von Julian Assange nach einem Deal mit den USA. Das Wall Street Journal titelte in einem Redaktions-Leitartikel: "Julian Assange ist kein Held". Darin heißt es:

Der ehemalige CIA-Chef Mike Pompeo nannte Wikileaks einmal einen "nicht staatlichen feindlichen Geheimdienst", und diese Bezeichnung passt. Als die USA Assange 2019 unter dem Spionagegesetz anklagten, verwies der stellvertretende Generalstaatsanwalt John Demers auf die Gesamtheit seines Handelns − die Beschaffung als geheim eingestufter Informationen und deren Veröffentlichung im Internet, die das Leben amerikanischer Verbündeter in Gefahr bringen könnte. (...)

Das Argument der Schädigung

Das Argument wird auch von anderen Kommentatoren weiter vorgebracht, selbst von Journalisten, die ihn wie Andrian Kreye von der Süddeutschen Zeitung durchaus würdigen. Julian Assange ist danach "ein Egomane und Radikaler", "immer eine kontroverse Figur", deren Praxis "von einem Fundamentalismus geprägt" ist, "der oft mehr Schaden anrichtete als Aufklärung brachte" und "Geheimdienstquellen gefährdete".

Die Kritiker von Assange hätten natürlich darauf hinweisen können, dass die USA am Mittwoch im Gerichtssaal erneut erklärten, dass es keine einzige Person auf der Welt gibt, die sie anführen können, die von den Wikileaks-Veröffentlichungen jemals zu Schaden gekommen sei.

Schon 2013 hatte eine Untersuchung des Pentagon keinen Fall finden können, bei dem Menschen durch Wikileaks-Publikationen getötet wurden, wie gegen Assange angeführt wird. Reporter von den internationalen Leitmedien, die mit ihm zusammengearbeitet haben, wie John Goetz vom Spiegel, und Presseorganisationen wie Reporter ohne Grenzen, haben die vielen diffamierenden Mythen um Assange immer wieder widerlegt, z.B., dass er ohne Vorsichtsmaßnahmen heikle Dokumente veröffentlicht habe.

Tatsächlich sind nur zwei Personen durch die Publikationen von Wikileaks zu Schaden gekommen: Chelsea Manning, die Wikileaks Dokumente zum Irak- und Afghanistan-Krieg zuspielte (sie wurde nach sieben Jahren Gefängnis von US-Präsident Obama begnadigt), und eben Julian Assange. Keiner derjenigen, die für die in den Leaks geschilderten Kriegsverbrechen verantwortlich sind, wurde jemals von den USA zur Rechenschaft gezogen.

CIA beauftragte Firma für Spionage

Interessant ist auch, dass das Wall Street Journal Mike Pompeo als Kronzeugen anführt, um Julian Assanges Vorgehen als kriminell und unmoralisch zu diskreditieren. Denn der Ex-CIA-Chef unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump ist eigentlich derjenige, der sich – zu Recht – vor Gericht im Fall Assange zu verantworten hat.

Es geht dabei um die Zeit, in der Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft eingeschlossen war. Die CIA versuchte damals, ihn mit allen Mitteln in die Enge zu treiben, zu zerstören und zu "neutralisieren".

Zuerst einmal begann man, Assange und seine Besucher zu überwachen und auszuspionieren. Die Botschaft verschärfte in der Zeit die Sicherheitsvorkehrungen. Kameras und Mikrofone wurden überall installiert und live-streamten jede Bewegung, jedes Gespräch – von allen, die die Botschaft betraten.

Die CIA beauftragte dafür Undercover Global (UC Global), ein privates spanisches Sicherheitsunternehmen, das Bilder von den Handys und Laptops der Besucher von Assange sowie Videostreams von den Treffen an die CIA senden sollte.

Das Urteil des New Yorker Gerichts

Assange wurde in seiner Zeit in der Botschaft von mehr als hundert Anwälten, Journalisten und Ärzten besucht. Dazu gehörten Assanges Strafverteidiger in den Vereinigten Staaten, internationale Menschenrechtsanwälte, Journalisten, die über nationalen Sicherheit berichten, deren Quellen bei einer Enthüllung gefährdet sein könnten, sowie medizinisches Fachpersonal.

Ein Gericht in New York entschied im Dezember 2023, dass UC Global und die CIA durch die Spionage die verfassungsmäßigen Rechte und die Privatsphäre von US-Bürgern verletzt hätten, als sie sich mit Wikileaks-Gründer Julian Assange in der Botschaft in London trafen.

Geklagt hatten die Rechtsanwältinnen Margaret Ratner Kunstler und Deborah Hrbek sowie die Journalisten John Goetz und Charles Glass, alles US-Bürger:innen. Die Klage wurde erhoben gegen den ehemaligen CIA-Direktor Mike Pompeo, die CIA und David Morales, einen ehemaligen Special-Forces-Soldaten des spanischen Militärs und Eigentümer von UC Global.

Der Richter entschied, dass die Kläger "ausreichende Beweise" dafür vorgelegt haben, dass Morales als Agent oder Kollaborateur der CIA unter Mike Pompeo (der auch Trumps Außenminister war) gehandelt hat.

Geheimdienst-Verschwörung gegen Assange

Pompeos Nachfolger, CIA-Direktor William J. Burns, weigert sich nun, dem New Yorker Richter, der den Spionage-Fall untersucht, alle Informationen diesbezüglich zu übermitteln. Burns verweist dabei auf Gefahren, die diese Informationen für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten hätten. Die Kläger versuchen weiter, sie trotzdem zu erhalten.

Auch in Spanien sind UC Global und sein Eigentümer David Morales Gegenstand eines laufenden Strafverfahrens in Sachen unrechtmäßiger Assange-Spionage. Es geht dabei auch um Geldwäsche und Bestechung. Im Juni 2022 stellte der spanische Oberste Gerichtshof dem ehemaligen CIA-Direktor Mike Pompeo eine Vorladung zu, um über ein mögliches CIA-Komplott zur Ermordung von Assange auszusagen.

Denn was noch schwerer wiegen könnte als die unrechtmäßige Spionage, ist ein CIA-Plan, Assange auszulöschen. Hochrangige CIA-Vertreter während der Trump-Amtszeit haben laut einem US-Bericht, der sich auf ehemalige Beamte beruft, die Entführung und sogar Ermordung des Wikileaks-Gründers Julian Assange erwogen.

Die Gespräche über die Entführung bzw. Ermordung von Assange fanden 2017 statt, berichtet Yahoo News. Der Grund: Der damalige CIA-Direktor Pompeo und sein Team waren wütend über die Veröffentlichung von "Vault 7" durch Wikileaks, einer Sammlung von CIA-Hacking-Tools, die von der Behörde als der größte Datenverlust in ihrer Geschichte angesehen wurde.

Extreme Szenarien

Deswegen nannte Pompeo Wikileaks einen "nicht-staatlichen feindlichen Geheimdienst", worauf nun das Wall Street Journal verweist, um Assange als kriminell darzustellen.

Extreme Szenarien wurden dabei in der CIA durchgespielt: Schießereien mit russischen Agenten auf den Straßen Londons, sollten sie Assange von der Botschaft wegfahren (man vermutete, dass Russland Assange ausfliegen könnte), Stoppen des russischen Fahrzeugs und anschließendes Kidnapping; das Zerschießen der Reifen des russischen Flugzeugs, in dem sich Assange befinden könnte, bevor es abhebt.

Die CIA-Komplotte gegen Assange wurden in dem Bericht vom September 2021 ausführlich beschrieben, der auf Interviews von Reportern mit mehr als 30 US-Regierungsbeamten basiert. Pompeos Wunsch nach Rache an Assange führte danach zu einem "totalen Krieg" gegen Assange auf den höchsten Ebenen der CIA und der Trump-Regierung.

Die Pläne erinnern an Verschwörungen, wie sie bei Kongressuntersuchungen 1975 in den USA zutage kamen, bei denen demokratische Regierungschefs getötet werden sollten. Oder die Cointelpro-Operationen des FBI, die u. a. die Polizei von Chicago bei der Ermordung des Black-Panther-Führers Fred Hampton unterstützten.

Zweierlei Maß

Wie weit die Mordkomplotte gegen Julian Assange gediehen waren, lässt sich schwer sagen. Das herauszufinden, wäre Aufgabe einer ernsthaften Untersuchung, wobei diejenigen, die solches zu verantworten hätten, zur Rechenschaft gezogen werden sollten.

Wenn es um mutmaßliche Mordpläne und Morde an russischen Reportern und den Krieg des Kreml gegen kritische Berichterstattung geht, sind die Medien in Europa und den USA voller Empörung.

Beim US-Krieg gegen Journalisten wird ein anderer Maßstab angelegt, eine andere Perspektive eingenommen. Dann heißt es: Ball flach halten.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump sagte in einem Interview 2010, dass Wikileaks eine "Schande" sei und für deren Aktionen die "Todesstrafe" angewendet werden sollte. Hillary Clinton soll angeblich in einem Gespräch die Idee in den Raum gestellt haben, warum man Assange nicht einfach mit einer Drohne eliminiere – woran sie sich auf Nachfrage nicht mehr erinnern kann.

Der tatsächliche Schaden

Anstatt diesen Skandal in den Vordergrund zu rücken, zirkulieren eine Reihe von Medien weiter den Mythos, dass Wikileaks und Assange Menschenleben riskiert haben. Bis heute scheinen einige weiter nicht begriffen zu haben, um welchen Schaden es wirklich geht: um den der Pressefreiheit, des investigativen Journalismus und den, den diejenigen zu erleiden haben, die diese Werte nicht nur hochhalten, sondern praktizieren.

Und das auch, wenn es bedeutet, sich mit dem Regierungsapparat des historisch mächtigsten Staats anzulegen, der bekannt dafür ist – und damit ist er keineswegs allein –, nicht zimperlich zu sein, zurückzuschlagen.