Der Feind in Asien

Seite 2: Die Versuche der USA, Chinas Aufstieg zu behindern

Deshalb versuchen die USA, sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus dieser Zwickmühle zu befreien. Schon vor Trump gab es diverse Anläufe der US-Präsidenten mit diesem Ziel: mit den Beitrittsverhandlungen zur und danach mit einer Reihe von Dumpingklagen innerhalb der WTO; indem die USA im Zuge der Finanzkrise ein verstärktes Gewicht Chinas im IWF blockiert haben; mit der Konstruktion diverser Freihandelsabkommen, die sich gegen China richteten (TPP und TTIP).

Dass einige außenpolitische US-Aktivitäten Staaten aufs Korn genommen und schwer geschädigt haben, die gute Handelsbeziehungen zu China unterhielten (Iran, Sudan, Libyen) ist sicher auch kein Zufall, sondern zumindest gewollter Kollateralschaden. Trump hat die Palette der US-Bemühungen dann um die eingangs zitierten erweitert: massive Schutzzölle, die chinesische Waren verteuern; ein Gesetz, das chinesische Firmenkäufe in den USA unter Aufsicht stellt; Nötigung amerikanischer Unternehmen, ihre Investitionen in die US-Heimat (zurück) zu verlagern; eine Neuauflage der Cocom-Liste, die im Kalten Krieg den Export militärisch nutzbarer Technologie verhindert hat.

Er hat seine Experten eine Strategie des "Decoupling" ausarbeiten lassen, um notfalls alle ökonomischen Beziehungen zum chinesischen Feindstaat zu unterbrechen. Und er bekämpft mit dem Technologiekonzern Huawei exemplarisch das modernste chinesische Kapital, das sich gerade angeschickt hat, viele westliche Staaten mit seiner 5-G-Technik auszurüsten, die für viele künftige Schritte bei der Digitalisierung von Produktion, Transport und Kommunikation gebraucht wird (Stichwort: Industrie 4.0) und als Schlüsselindustrie wie Herrschaftsinstrument in der künftigen Konkurrenz der Unternehmen wie Nationen deshalb unverzichtbar ist.

Die ersten Schritte des neuen US-Präsidenten Joe Biden machen deutlich, dass er die China-Politik seines "unmöglichen" Vorgängers Trump konsequent weiterverfolgen wird. Unmittelbar nach seiner Amtseinführung unterzeichnete Biden, der seine China-Politik unter das Motto "extremer Wettbewerb" stellt, eine Verordnung, derzufolge US-Regierungsbehörden nur im eigenen Land erstellte Waren und Dienstleistungen kaufen sollen (dabei handelt es sich um etwa 600 Mrd. Dollar). Der zulässige Anteil im Ausland hergestellter Bauteile wird gesenkt, Ausnahmegenehmigungen erschwert.4

Bemerkenswert an diesen Kämpfen der Weltmacht ist: Sie offenbaren, dass den USA ihr bisheriges Konkurrenzmittel abhandenkommt. Bisher waren sie die Macht, die auf Freiheit im Welthandel und dem Abbau aller (Zoll-)Schranken beharrt hat - weil sie als kapitalistisch produktivste Ökonomie auf diese Art und Weise überall in der Welt Geschäft machen oder finanzieren konnte, damit also sicher den meisten Profit erzielte.

Bisher waren sie die Macht, die allen anderen Staaten modernste Technik verkaufen konnte - nun nötigen oder bestechen sie andere Nationen, nicht bei China zu kaufen. Die Vereinigten Staaten sind dabei in der Lage, einiges für diese Politik in die Waagschale zu werfen: Die Drohung mit ökonomischen Nachteilen ist für jedes Land dieser Welt eine heikle Frage angesichts dessen, was seine Kapitale und Banken in den USA erwirtschaften bzw. angesichts dessen, was ein eventueller Ausschluss vom internationalen Finanzmarkt bedeuten kann, auch wenn man gar nicht unmittelbar mit oder in den USA handelt.

Mit dieser Politik untergraben die amerikanischen Politiker allerdings die Prinzipien der Weltordnung, die sie selbst nach Weltkrieg II eingerichtet haben: Souveräne Staaten, die in freier kapitalistischer Konkurrenz nach ihrem Vorteil streben. Für dieses Prinzip steht inzwischen der chinesische Präsident Xi Jingping ein - ein deutlicher Ausdruck dessen, welche Nation im Augenblick den Nutzen aus dieser von den USA geschaffenen Weltordnung zieht…

Die US-amerikanischen Versuche, Chinas weiteren Aufstieg mit ökonomischen Gegenmitteln zu verhindern, haben bisher keinen durchschlagenden Erfolg gezeigt – kein Wunder also, dass der Übergang zu härteren Mitteln ansteht.

Dazu gehört die Unterstützung separatistischer Bewegungen in China. In der westlichen Provinz Xinjiang werden die muslimischen Uiguren unterstützt, deren Separatismus heute in dschihadistischer Form auftritt5; in Hongkong berät die CIA seit 2015 Joshua Wong, das "Gesicht" der aktuellen Hongkong-Proteste.

Die Befeuerung von Separationsbestrebungen ist schon immer ein probates Mittel gegen lästige Konkurrenten gewesen. Sie setzt am "empfindlichen" Punkt - der staatlichen Hoheit - an und verwickelt den betroffenen Staat in unproduktive Auseinandersetzungen bis hin zu Bürgerkriegen. Es ist insofern nicht verwunderlich, wenn die auf diese Weise attackierten Staaten ihrerseits mit aller Gewalt versuchen, solche Bewegungen bereits im Keim zu ersticken, womit sie natürlich wieder ihre ganze menschenverachtende Repressivität beweisen…

Dazu gehört auch das Schmieden von antichinesischen Bündnissen. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2020 hat amerikanische Verteidigungsminister Mark Esper die Europäer zu einer klaren Entscheidung gedrängt – die diesen angesichts der ökonomischen Bedeutung des chinesischen Markts nicht ganz leichtfällt.

Er hat an den WTO-Beitritt Chinas vor 20 Jahren erinnert (den er mitverhandelt hatte): Ein Teil der US-Delegation hätte gehofft, durch verstärkte ökonomische Liberalisierung auch die politische voranzutreiben und China zu einem "verantwortungsbewussten globalen Akteur" zu machen.

Nun sei zu konstatieren, dass unter Präsident Xi Jinping das Gegenteil eingetreten sei: "mehr interne Unterdrückung, räuberischere wirtschaftliche Praktiken, mehr Härte und – für mich am besorgniserregendsten – eine aggressivere militärische Haltung".

China habe sich "durch Diebstahl, Zwang und Ausnutzung freier Marktwirtschaften" Vorteile verschafft und sinne darauf, das System "zu untergraben und zu zersetzen", das ihm seinen Aufstieg ermöglicht hat. Es strebe überall auf der Welt "neue strategische Beziehungen" an und übe "Druck auf kleinere Nationen" aus. Das sagt allen Ernstes der Vertreter der Weltmacht USA - Kommentar überflüssig.

Beim G7-Gipfel in London wiederholte der neue US-Außenminister Blinken den Vorwurf, China untergrabe die "auf internationalen Regeln basierende Ordnung, in die unsere Länder in so vielen Jahrzehnten so viel investiert haben". Wenn ein Land – sei es China oder ein anderer Staat – diese Ordnung infrage stelle, "werden wir aufstehen und die Ordnung verteidigen".

Das Selbstbild der USA sieht demgemäß so aus, dass sie mehr oder weniger selbstlos ("so viel investiert"!) der Welt eine Ordnung spendiert haben, die sie nun ebenso selbstlos gegen einen Störenfried verteidigen wollen/müssen. Die Welt ist für die USA offenbar dann "fair" und "in Ordnung", wenn sie den größten Nutzen aus ihr ziehen und unbestritten das Sagen haben; alles andere kann für sie nur ein Fall von "untergraben" und "zersetzen" sein, gegen den sie ihren Vorteil sichern, pardon: gegen die sie "die Ordnung" verteidigen müssen.

Dass die Volksrepublik China sich ganz gemäß der "regelbasierten Ordnung" des kapitalistischen Weltmarkts und mit US-amerikanischer Kapitalhilfe, an der US-Firmen über Jahrzehnte prächtig verdient haben und verdienen, zum heutigen Resultat hochgearbeitet hat, das den USA nun so überaus störend in die Quere kommt – diesen Fall kann es aus US-Sicht schlicht nicht geben. Also darf es ihn nicht geben - der neue "Kalte Krieg" ist für die USA insofern eine unumgängliche Konsequenz, und das nicht für die "Falken" oder "Hardliner", sondern über alle Parteigrenzen hinweg.

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