Der Fels im Strom der digitalen Veränderungen
Die deutsche Filmwirtschaft will durch Abschreckung mit einer drastischen Kampagne das "Massenphänomen" der Raubkopien eindämmen, um alles auch im digitalen Zeitalter beim Alten zu lassen
Nicht mit neuen Ideen, sondern mit einer großen Kampagne zur Abschreckung will die deutsche Filmwirtschaft den Deutschen Moral beibringen und die "dramatische Zunahme" beim illegalen Brennen und Herunterladen von Filmen aus dem Internet stoppen. Das Mittel ist, die Millionen von Menschen, die sich als Piraten betätigen und kein Unrechtsbewusstsein haben, als Kriminelle zu stigmatisieren. So will man dem "Massenphänomen des illegalen Filmkopierens" beikommen - und taufte die Website denn auch Hart aber gerecht. Die Spots sollen denn auch eindeutig eine Botschaft vermitteln: "Raubkopierer werden seit dem 13.9.03 mit Freiheitsentzug bis zu fünf Jahren bestraft."
Nach Angaben der Filmwirtschaft würde sich alleine in Deutschland der durch Raubkopien angerichtete Schaden auf etwa 800 Millionen Euro beziffern, wovon "alle Beschäftigten in der deutschen Film- und Videowirtschaft betroffen" seien. Nach einer Befragung der Filmförderungsanstalt hätten 5 Millionen Deutsche in den ersten acht Monaten dieses Jahrs 30 Millionen DVDs und CDs gebrannt, davon 13,3 Millionen aus dem Internet. Letztes Jahr seien es noch insgesamt 27 Millionen im ganzen Jahr gewesen: " Jeder zweite Downloader kopiert oder downloadet die Filme nach dem Kinostart, jedoch vor dem deutschen Handelsstart."
Das Potenzial an Sündern wächst mit der Verbreitung von Breitbandanschlüssen und Brennern, wobei Filme vor allem auf DVD gebrannt werden. "23,5 Mio. Deutsche haben Zugriff auf einen CD-Brenner im eigenen Haushalt, 570.000 auf einen DVD-Brenner und 250.000 auf einen DVD-Rekorder", heißt es in der Studie. Die Zahlen sind Schätzungen, das betrifft natürlich vor allem die Größe der Verluste. Die dürften in aller Regel unrealistisch hoch angesetzt sein, denn nicht jeder raubkopierte Film wäre auch gleich ein legal verkaufter Film.
Sicherlich ist das Kopieren mit der digitalen Technologie heute sehr viel einfacher und schneller geworden, zudem können über das Internet mittlerweile auch große Dateien relativ schnell heruntergeladen werden, so dass der bislang lokale Markt hier auf einen globalen virtuellen Markt stößt, was natürlich neue Rahmenbedingungen mit sich bringt und alte Gewohnheiten des Vertriebs untergräbt. "Die digitale Epoche", so heißt es richtig, "stellt für die Filmwirtschaft eine große Herausforderung dar."
Aber man hat den Eindruck, dass mit dieser "aggressiven" Kampagne eher versucht werden soll, alles beim Alten zu lassen, obgleich Elke Esser, Geschäftsführerin ZKM Zukunft Kino Marketing GmbH, prominent auf der Website mit dem Satz zitiert wird: "Wenn Ideen nichts mehr wert sind, bewegt sich nichts mehr!" So wird richtig gesagt, dass das (herkömmliche) "Modell der Filmauswertung in seinen Grundfesten" erschüttert werde, aber dann doch nur bedauernd festgestellt, wie es früher gewesen ist - und wie es wohl wieder sein soll: "Fakt ist, dass es zum Zeitpunkt des Kinostarts nur eine einzige legale Möglichkeit gibt, den Film zu sehen: den Kinobesuch." Möglicherweise ist die Distributionskette, die die Filmwirtschaft aus der Vergangenheit ins digitale Zeitalter herüberretten will, aber nicht zu halten, also der Start in einer Region mit dem ausschließlichen Abspielort des Kinos, dann der Verkauf von DVDs und die Vermarktung an die Fernsehsender. < Wenn die Möglichkeit einer globalen Distribution vorhanden ist, sehen die Menschen möglicherweise nicht mehr ein, dass sie von den Unternehmen gezwungen werden, die Filme so zu konsumieren, wie dieser es am liebsten ist. Zudem sind sowohl der Kinobesuch als auch die DVDs nicht gerade billiger geworden, während die Höhe der Gagen von Filmstars für viele nicht mehr wirklich nachvollziehbar ist. Offenbar will aber die Filmindustrie an der Preisgestaltung und an der Distribution nichts verändern, sondern sich nur durch besseren Schutz und schärfere Strafverfolgung als Institution bewahren. Der Ruf nach dem Staat und das Drohen mit Strafen zeugt jedenfalls nicht von der sonst oft beschworenen Kreativität der Unternehmer.
Ohne den Menschen, die wohl meist auch Kunden sind und nun durch die "drastischen, aber humorvollen Spots und Print-Motive" zu Verbrechern - auch wenn das "umgangssprachlich" verstanden werden soll - gemacht werden, zukünftige Alternativen anzubieten, an denen die Filmwirtschaft arbeitet, setzt man schlicht und einfallslos nur auf Abschreckung zur "Eindämmung der illegalen Nutzung von Filmen". Zu der angeblich "umfassenden Strategie" gehört nach der Filmwirtschaft nämlich nur "eine erhöhte Sicherheit in allen Stufen der Filmauswertung, Aufklärungsarbeit sowie zivil- und strafrechtliche Maßnahmen".
Und um gerade im Internet besseren Zugriff auf alle Nutzer zu haben, fordert die Filmindustrie von der Politik noch weit größere Befugnisse, denn man will gleich selbst Polizei spielen:
Eine gravierende Lücke bei der Bekämpfung des Diebstahls geistigen Eigentums ist die aus Sicht der Rechteinhaber zeitaufwendige Aufdeckung von Urheberrechtsverletzungen in sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerken. Hier fordert die deutsche Filmwirtschaft gemeinsam mit den Verbänden der Musikindustrie ein besonderes Auskunftsrecht der Rechteinhaber gegenüber den Providern.
Man will die "breite Bevölkerung" nicht kriminalisieren und den "normalen User" nicht strafrechtlich verfolgen, die Kampagne soll zum Nachdenken und zur Diskussion anregen. Daher müsse man drastisch vorgehen und provozieren, laut sein, weil man sonst kein Gehör finde. Gleichwohl wird mit Strafe und Kriminalisierung gedroht, damit der "Endverbraucher sich der Illegalität seines Handels bewusst wird und sein Verhalten kritisch hinterfragt und ändert". Aber wir leben mittlerweile auch in einer Welt, in der Gesetze und Strafandrohung hinterfragt werden können und dürfen. So wird auch nicht nur ein Versuch gemacht zu erklären, warum die Herstellung einer Privatkopie nicht mehr möglich sein soll, sondern nur gesagt: "Privates Kopieren einer Original-DVD/CD mit Kopierschutz ist nicht erlaubt und kann zivilrechtliche Konsequenzen durch den Rechteinhaber haben. Es gilt das Verwertungsverbot." Das aber verstehen viele Menschen nicht, auch wenn dies im Urheberrechtsgesetz so von der Content-Industrie durchgesetzt wurde.
Und ob die "drastische", aber angeblich "humorvolle" Kampagne tatsächlich ein so guter Weg ist, eine "Diskussion" herzustellen oder ein Thema "kritisch zu hinterfragen", wobei von vorneherein klar ist, dass nur eine Seite sich verändern soll und sich der richtigen Haltung anpassen muss, wird man absehen müssen. Wenn der eine Spot - humorvoll? - zeigt, wie eine Frau ihrem Freund mit der Polizei droht, wenn er nicht endlich mit dem Herunterladen aufhört und ins Bett kommt, dann mag dies auch an andere Zeiten mit Denunzianten erinnern. Der Einfall mit dem "Herrn der Ringe" hat hingegen tatsächlich noch ein wenig Witz., das Plakat freilich schon nicht mehr wirklich Besonders lustig ist zumindest aber der Spot nicht, den Stefan Krempl so beschreibt: "Darin laufen eine Handvoll junger Bengel in ein Gefängnis ein, in dem schon die alteingesessenen Schwerbrecher auf das Frischfleisch warten. Die harten Jungs freuen sich nach eigenem Bekunden riesig über die "knackigen Ärsche" der Neuzugänge."
Möglicherweise käme man da auch auf die Qualität zu sprechen, die in vielen Filmen geboten wird. Aber damit hat das natürlich auch nichts zu tun:
Entziehen Raubkopierer nicht nur schlechten Filmen die Grundlage?
Leider nein, die Zahlen zeigen deutlich: Allen Produktionen wird die Erfolgsgrundlage entzogen. Unter Raubkopien leiden Blockbuster genauso wie kleinere Produktionen.