Der Fukushima-Unfall bleibt auch nach 8 Jahren eine Warnung
Es gibt weiterhin viele Probleme bei Abbau und Entsorgung, die Kosten erhöhen sich, ein Endlager fehlt. Wohin mit den 22 Millionen Kubikmeter mit Cäsium belasteter Erde und der über eine Million Tonnen nicht nur mit Tritium belastetem Kühlwasser
Der Unfall im AKW Fukushima im Oktober 2011 tritt in der Weltöffentlichkeit weiter in den Hintergrund, während weiter Reaktoren errichtet werden. Derzeit sind 450 Reaktoren im Betrieb, 50 neue werden gebaut, seit 2012 nimmt die Menge an produzierten Atomstrom kontinuierlich zu. Atomstrom hat einen Anteil von ungefähr 10 Prozent an der gesamten Stromproduktion. In Japan sind nach der Abschaltung aller AKW wieder 9 Reaktoren am Netz, 17 weitere sind in der Phase der Wiederaufnahme des Betriebs. Die japanische Regierung ist entschlossen, weiter auf Atomenergie zu setzen, die bis 2030 wieder mindestens 20 Prozent des nationalen Strombedarfs abdecken soll.
Was wird der Unfall kosten? 2016 schätzte das Wirtschaftsministerium die Kosten auf 188 Milliarden US-Dollar, eine Verdoppelung der ersten Annahmen. Aber ein bisschen mehr darf es auch sein. Jetzt gibt es Schätzungen, die von über 700 Milliarden ausgehen. Klar ist, dass auch Steuergelder fließen, während drei führende Manager des Tepco-Konzerns freigesprochen wurden, weil sie nicht alle Tsunami-Szenarien und damit die dreifache Kernschmelze hätten voraussehen können, obgleich ein Bericht eben davor gewarnt hatte, dass ein möglicher Tsunami das 10 Meter über der Meeresoberfläche gelegene AKW überfluten könnte.
Ungelöst ist weiter das Problem der Endlagerung, das drängend ist, um die Fukushima-Reaktoren zu entsorgen, in dreien hat sich eine Kernschmelze ergeben. Auch sonst gibt es ungezählte Probleme zu lösen. So muss beispielsweise der hoch kontaminierte, 120 m hohe Kühlturm von Reaktor 1 und 2 abgebaut werden, weil er wegen Schäden an seinen Stützen zusammenstürzen konnte. Zunächst ging man bei Tepco davon aus, mit ferngesteuerten Maschinen - um die Arbeiter nicht zu hoher Belastung auszusetzen - den Turm Stück für Stück abzutragen und mit einem Kran auf den Boden zu bringen. Die Arbeit verzögerte sich zunächst um mehrere Monate, begann am 1. August und traf wiederholt auf Schwierigkeiten: Pannen beim Kran, der Kamera für die Sägemaschine sowie bei dieser selbst und bei den Generatoren. Ursprünglich auf Ende 2019 geplant, wird sich das noch länger in 2020 hineinziehen.
Aber da ist auch noch das kontaminierte Kühlwasser, das zwar gefiltert wird, aber weiterhin Tritium enthält. Noch wird es in Tanks aufgesammelt, es sind aber schon über eine Million Tonnen. JedenTag kommen hunderte Tonnen dazu. Bald ist die Kapazität erschöpft. Tepco und die Regierung sehen keine andere Lösung, als das kontaminierte Wasser ins Meer abzulassen. Das sei ungefährlich, was wahrscheinlich auch zutrifft. Aber es ist das Problem aufgetaucht, dass das Wasser weiterhin auch Jod 129 und zudem Strontium-90 enthält. Selbst gegen das Einlassen des Tritium kontaminierten Wasser protestieren die lokalen Fischer, es gäbe aber wahrscheinlich auch Probleme mit den benachbarten Ländern und man wird nicht riskieren, das kontaminierte Wasser ins Meer abzulassen, bevor nicht die Olympischen Spiele beendet sind.
8000 Tonnen geschmolzenes Material und 4700 Brennstäbe müssen entsorgt werden
Und da sind auch noch die Reaktoren, in denen sich eine Kernschmelze ereignet hat. Tepco hat einige Erkundungen ins Innere mit Robotern ausgeführt und will nun Reaktor 1 zum Abbau mit einer Abdeckung von 63 m Höhe, 56 m Länge und 50 m Breite umgeben, um mit dem Abbau zu beginnen. Damit soll der Staub nicht in die Umwelt und kein Regen in den geöffneten Reaktor gelangen.
Nach einer anderen Meldung hat das Industrieministerium angekündigt, mit dem Abbau von Reaktor 2 zu beginnen, der am besten erkundet ist. In den drei Reaktoren, in denen sich eine Kernschmelze ereignet hat, waren 1500 Brennstäbe. Man geht von 800 Tonnen geschmolzenem Material aus. Insgesamt befinden sich zudem in den Kühlbecken des AKW noch über 4700 Brennstäbe, die bis 2031 entfernt werden sollen, auch wenn die Endlagerung noch nicht geklärt ist, noch nicht einmal klar ist, wo und wie eine Zwischenlagerung erfolgen soll. Optimistisch will die Regierung in 30 oder 40 Jahren aufgeräumt haben, was aber angesichts der vielen bereits stattgefundenen Verzögerungen kaum realistisch sein wird.
Es gibt aber auch noch das Problem, dass für den jahrzehntelangen Abbau genügend Arbeiter zur Verfügung stehen. Ein gar nicht unerhebliches Problem in der schnell alternden japanischen Gesellschaft, die Einwanderung möglichst gering halten will. Dazu kommt offenbar, dass es auch wenig wissenschaftlichen Nachwuchs gibt. Der Fukushima-Unfall hat die bis dahin boomende Nuklearindustrie schwer beschädigt, kaum mehr jemand setzt auf deren Zukunft durch ein entsprechendes Studium.
Dekontaminierung der Böden: kostspielig und bruchstückhaft
Nebenbei gibt es noch ein Problem mit der Kontamination des Bodens um das AKW. Die in der Zeitschrift Soil veröffentlichte Studie "Effectiveness of landscape decontamination following the Fukushima nuclear accident: a review" bietet einen Überblick über den Stand der Dinge und die vorhandene wissenschaftliche Literatur. 9000 Quadratkilometer mussten oder sollten nach dem Unfall dekontaminiert werden. Die Studie, die vor allem Cäsium betrachtete, das eine Halbwertszeit von 30 Jahren hat und die Böden mit bis zu 185 kBq m−2 belastet, sagt, dass mit der verwendeten Methode, 5 cm des Bodens abzutragen, die Cäsium-Konzentration um 80 Prozent gemindert wurde. Das habe 24 Milliarden Euro gekostet, aber auch dafür gesorgt, dass große Mengen an Erde in der Nähe des AKW zwischengelagert werden müssen. Es handelt sich um 22 Millionen Kubikmeter, die sich nun in Form von Bergen von Plastiksäcken in der Landschaft befinden.
Wo die obersten 5 cm Bodenschicht entfernt wurden, ersetzte man diese durch eine zerkleinerte Granitschicht. In größerer Entfernung vom AKW wurden stattdessen Substanzen aufgetragen, die wie Zeolithpulver oder Kaliumdünger Cäsium binden oder ersetzen.
Bäume wurden allerdings nur im Umkreis von 20 m um ein Haus insoweit dekontaminiert, indem Zweige abgeschnitten und mit den Blättern entfernt wurden. Häuser wurden gesäubert (Dächer, Regenrinnen etc.), in Gärten wurde ebenfalls die oberste Schicht entfernt. Abgesehen von Bäumen in unmittelbarer Nähe von Häusern wurden Wälder wegen der Schwierigkeiten und der Kosten nicht dekontaminiert. Sie bedecken aber 75 Prozent der Fläche und sind so für lange Zeit ein Cäsium-Reservoir. Durch Erosion oder Wirbelstürme, die Überflutung oder Erdrutsche zur Folgen haben können, kann dann Cäsium wieder in die dekontaminierten Gebiete verteilt werden. In Fukushima wurde erstmals eine großflächige Dekontamination der Böden in den belasteten Gebieten durchgeführt, sie zeigt aber auch, wie bruchstückhaft dies nur gelingen kann, welche hohen Kosten dabei entstehen können, und auch erneut, dass Atomenergie hohe Risiken birgt und sichere Endlager fehlen.
Ausgegangen wird davon, dass 22 Millionen Kubikmeter kontaminierter Erde und 2 Millionen Kubikmeter belasteter Asche aus der Verbrennung entstehen. Die Regierung erwägt, weniger belastete Erde mit bis zu 3000 Bq kg−1 bei Bauprojekten unter Straßen oder Deichen zu "recyclen", wo sie mit mindestens 30 cm unbelasteter Erde, Beton oder Teer überdeckt werden. Mit einer Bedeckung von 50 cm unbelasteter Erde dürfen die Werte auf höchstens 6000 Bq kg−1 ansteigen. Die Hälfte der abgetragenen kontaminierten Erde ist unter 8000 Bq kg−1 belastet, der Maximalwert für zulässigen Müll in Japan. In fünf Jahren könnten damit über 10 Millionen Kubikmeter entsorgt werden, wenn es nicht Widerstände seitens der Bevölkerung gibt.
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