Der General, der Präsident - und die Bombe

Seite 3: 22.November 1963

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Das von Kennedy eingeleitete Ende des Kalten Kriegs starb mit ihm am 22.11.1963. Stattdessen bekamen die Militärs ihren heißen Krieg in Vietnam und gaben weiterhin Unsummen für das Militär aus, das den größten Posten im US-Haushalt ausmacht. Zwei Jahrzehnte nach Kennedy kam es beinahe zum befürchteten Atomkrieg aus Versehen. Bald darauf begann tatsächlich die von Kennedy geforderte Abrüstung. Inzwischen kooperieren die USA mit den Sowjets auch im All.

Auch nach 50 Jahren ist unbekannt, woher die per Polizeifunk kurz nach dem Mord durchgegebene Personenbeschreibung von Oswald stammte. Warum das Verhör mit dem festgenommenen Oswald nicht protokolliert wurde und warum man ihm keinen Rechtsbeistand zugestand, warum er sich im Gegensatz zu konventionellen Attentätern nicht mit seiner Tat brüstete, sondern sie abstritt, und wie Oswald an diesem Tag zwei Menschen erschießen konnte, ohne dass man Schmauchspuren an den Wangen fand, beschäftigt aufmerksame Beobachter noch immer.

Woher Oswald schon Wochen vorher die kurzfristig geänderte Fahrtroute der Wagenkolonne gekannt haben könnte, ist ebenfalls unklar. Gekannt haben dürfte die Route Bürgermeister Earle Cabell, der Bruder des von Kennedy geschassten CIA-Deputys General Charles Cabell. Warum die Limousine ohne ihre kugelsichere Abdeckung fuhr, obwohl der Secret Service vor Besuchen in Chicago und Tampa jeweils mit Gewehren bewaffnete Exilkubaner aus dem Verkehr gezogenen hatte, bleibt rätselhaft.

Warum die Personenschützer von ihren Trittsteigen abgezogen wurden, warum der angeblich im Schulbuchverlagsgebäude positionierte Schütze nicht das günstigere Schussfeld vom Fenster in Richtung ankommender Limousine nutzte und warum die Strecke eigens am Grashügel mit erhöhter Schussposition vorbeiführte, ist nach wie vor unklar. Der Fahrer, der sein vorgeschriebenes Tempo unterschritt und nicht beim ersten Schuss sofort beschleunigte, wurde hierzu nicht einmal befragt, stattdessen reinigte man das Auto, was eine Spurensicherung erschwerte.

Die erstaunlich schnell vollzogene Einigung der Behörden auf einen verwirrten Alleintäter hatte den Vorteil, dass keine Rache an einem äußeren Feind wie Kuba oder der Sowjetunion gefordert werden konnte. Ebenso vermochte man auf diese Weise den inneren Frieden zu wahren, der ohnehin schon durch den Rassenkonflikt belastet war. Das Argument, dass ein Zweifel am Alleintäter "Blut in den Straßen" zur Folge hätte, überzeugte auch Robert Kennedy, der stillhielt.

Tatsächlich aber bezweifelte nicht nur Robert Kennedy die offizielle Darstellung, sondern offenbar auch der vormalige Präsident Truman, der 1947 die Einrichtung der CIA gebilligt hatte. Im Dezember 1963 plädierte er dafür, diesen Geheimdienst auf seine eigentlich intendierte Funktion zur Koordination von Informationen zu begrenzen.

LeMays Air Force war es vorbehalten, den Leichnam Kennedys aus Dallas auszufliegen. Die Fotos, die später von der Autopsie veröffentlicht wurden, unterscheiden sich von den Aufnahmen, die ursprünglich im Militärkrankenhaus entstanden - unter dem Qualm von LeMays Zigarre. Seine Anwesenheit wurde nicht offiziell vermerkt, ist aber bezeugt. Als der leitende Arzt fragte, wer denn hier das Kommando habe, war es LeMay, der dies beanspruchte.

Als Mary Meyer 1964 den Warren-Report las, der wesentlich von Ex-CIA-Chef Allen Dulles beeinflusst wurde, geriet die Kennerin der Washingtoner Verhältnisse außer sich. Sie konfrontierte die CIA-Leute mit ihrer Sicht und wollte an die Öffentlichkeit gehen. Kurz darauf fand man sie mit zwei Kugeln im Kopf. Noch am Mordabend ließ sich die CIA-Legende James Jesus Angleton beim Einbruch in Meyers Haus erwischen, wo er deren Tagebuch entwendete.

Politik

Vizepräsidentschaftskandidat LeMay auf dem Cover des Time Magazine

Nach dem Attentat verließ auch der dort ungeliebte Chairman Taylor das JCS. Nachdem LeMay immer vehementer den Einsatz der Bombe in Vietnam verlangte, gelang es McNamara 1965 endlich, den blutdürstenden General aus dem Dienst zu entfernen. (1986 wurde die operative Macht des Vereinigten Generalstabs begrenzt.)

Zivilist LeMay kandidierte 1968 als Vizepräsidentschaftskandidat gemeinsam mit dem rassistischen Gouverneur von Alabama George Corley Wallace für die neue American Independent Party, die es in Umfragen auf 20% brachte. Zwar hatte sich LeMay im Dienst stets für eine Integration von schwarzen Soldaten eingesetzt, obwohl dies nicht dem Zeitgeist im rechstlastigen US-Militär entsprach - dies hinderte ihn jedoch nicht an einer Partnerschaft mit Wallace, der im Zweiten Weltkrieg unter seinem Kommando gedient hatte.

LeMays penetrante Forderung nach dem Einsatz der Atombombe in Vietnam und seine Drohung, die Nordvietnamesen in die Steinzeit zurück zu bomben, erwiesen sich jedoch als unpopulär, sodass die Partei schließlich nur 13,5% einfuhr. Erst ein Jahrzehnt nach Kennedys Tod realisierte die amerikanische Öffentlichkeit, dass die CIA sich keineswegs auf die Spionagerolle beschränkt hatte, sondern Staatsstreiche orchestrierte sowie politische Morde und Terroranschläge organisierte.

Zum Ende des Kalten Kriegs verstarb auch LeMay 1990.

Ein Teil der Akten zum Kennedy-Mord, der nach Ansicht einiger Autoren nur das Werk eines verwirrten Einzeltäters sein soll und daher harmlos sein müsste, ist auch ein halbes Jahrhundert später noch immer gesperrt - darunter etwa die Steuererklärung von Oswald, die Aufschluss über honorierte Tätigkeiten für das FBI geben könnte. In den 2007 freigegeben Familienjuwelen der CIA ist das an "Punkt 1" stehende Thema, das mit einiger Sicherheit die Umstände des Präsidentenmords behandeln dürfte, noch immer geschwärzt. Offen ist, was Nixon mit dem Ausdruck "the whole Bay of Pigs thing" meinte.

In einem Interview äußerte LeMay die Ansicht, er habe nie verstanden, warum Johnson die Kennedys nicht wie Kakerlaken zertreten habe, die sie gewesen seien.

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