Der Golfstrom verliert Kraft
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- Veränderung des Golfstroms: Nicht bis zum Kipppunkt warten
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Baumringe, Eisbohrkerne, Korallen oder Ozeansedimente: Wissenschaftler werteten Klimadaten aus und schlagen Alarm. Zusammenbruch würde Europa für immer verändern.
Nun ist es also amtlich: Der Golfstrom verliert an Kraft. Nie zuvor in den letzten 1.600 Jahren war die sogenannte Atlantische Meridionale Umwälzströmung (Amoc) so schwach wie derzeit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Forscherinnen und Forscher aus Irland, Großbritannien und Deutschland jetzt im Fachblatt Nature Geoscience veröffentlicht haben. Stefan Rahmstorf, einer der Autoren, spricht von einer "beispiellosen Entschleunigung des Golfstromsystems", die von den Forschern nachgewiesen wurde.
Es gab mal eine Zeit, da waren Nord- und Südamerika noch nicht miteinander verbunden: Vor etwa 4,7 Millionen Jahren sorgte Vulkanismus, Tektonik und Kontinentaldrift dafür, dass eine Landverbindung zwischen den beiden Kontinenten entstand. Mit sehr praktischen Folgen für Europa: Die warme Meeresströmung, die bis dahin in den Pazifik driftete, wurde abgelenkt und Richtung Europa umgeleitet.
Diese Meeresströmung nimmt im Atlantik südwestlich des afrikanischen Kontinents viel Wärme auf, fließt zum Golf von Mexiko und tankt dort weitere Wärme, bevor der Florida- und der Bahamasstrom dazu kommen, die dann gemeinsam als "Golfstrom" Richtung britische Inseln fließt und sehr viel Energie transportieren.
Das Stromsystem ist dafür verantwortlich, dass in Mittel- und Nord-Europa ein milderes Klima herrscht als in vergleichbaren Breiten Nordamerikas. Die Region um Hannover liegt beispielsweise auf dem 52. Breitengrad, genau wie St. John‘s auf Neufundland, wo die Winter lang und eiskalt sind und 20 Grad im Sommer Spitzentemperatur darstellt.
"Das Golfstrom-System funktioniert wie ein riesiges Förderband, es bewegt fast 20 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde, etwa das Hundertfache des Amazonasstroms", erklärt Rahmstorf, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (Pik) und Professor für das Fach Physik der Ozeane an der Universität Potsdam.
Die Wärme, die diese Wassermassen nach Europa führen, entspricht der Leistung von rund einer Million größerer Atomreaktoren. Ohne diese Energie wäre es bei uns im Schnitt um fünf bis zehn Grad kälter.
Wasser wird dichter, im Süden wird es kälter
Angetrieben wird das System durch Winde, durch die Sonne, die Erdrotation, vor allem aber durch kaltes, salziges Wasser, was in der Labradorsee und dem arktischen Ozean in die Tiefe fällt. Auf dem Weg Richtung Europa steigt der Salzgehalt, weil die Sonne ständig Wasser verdunstet, zudem kühlt sich der Strom ab je weiter seine Reise führt. Dadurch steigt die Dichte des Wassers, es wird schwerer, sinkt in die Tiefe und zieht so aus dem Süden warmes Wasser nach.
Ein System, das bis zum späten 19. Jahrhundert relativ stabil war, wie die Forscher nun herausfanden: Sie nutzten sogenannte Proxy-Daten, also Baumringe, Eisbohrkerne, Korallen oder Ozeansedimente, die stellvertretend Informationen über das Klima seiner Zeit liefern.
Eine direkte Messung der Golfstromkraft gibt es erst seit 2004, aber aus der Kombination der Messergebnisse mit solchen Proxy-Daten lassen sich Temperatur und Strömungsgeschwindigkeit in der Vergangenheit rekonstruieren.
Der Weltklimarat IPCC hatte 2019 in seinem Sondergutachten bereits mit mittlerer Sicherheit festgehalten, dass der Golfstrom im Vergleich zum Zeitraum 1850 bis 1900 schwächer geworden ist. "Unsere Studie liefert weitere unabhängige Belege für diese Schlussfolgerung", sagt Stefan Rahmstorf.
Zwar fehle noch ein Beleg dafür, dass die Abschwächung durch den menschgemachten Klimawandel hervorgerufen wird. Allerdings sprechen alle Fakten und vor allem die Physik dafür: Die Arktis wird immer wärmer, die Meereisbedeckung immer geringer, es strömt immer mehr Schmelzwasser in den arktischen Ozean, weshalb sich dessen Zusammensetzung ändert und ein "Nach-Unten-Fallen" von kaltem, salzhaltigen Wasser erschwert.
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