Der Horror zu überleben
Drei der populärsten Survival-Horror-Reihen feiern im Frühjahr 2009 ihre jeweils fünften Fortsetzungen: Alone in the Dark, Silent Hill und Resident Evil
Im Januar hatte Atari mit dem seit 2004 entwickelten „Alone in the Dark – Inferno“ die Runde neuer Survival-Horror-Games eingeläutet. Im Februar folgte dann die lange erwartete Next-Generation-Fortsetzung „Silent Hill – Homecoming“ und vor kurzem im März dann Capcoms „Resident Evil 5“. Alle drei Fortsetzungen erweitern das Spielprinzip der Vorgänger, variieren die Stories – und rufen dabei kulturelle und politische Themen wach.
Im Sommer vergangenen Jahres hatte Sony mit Siren: Blood Curse den Startschuss für das Survival-Horror-Genre auf der PlayStation 3 gegeben, ein mehrteiliger Download-Titel, der etliche Motive bekannter Spiele des Genres aufnimmt und variiert. Im November zog Electronic Arts dann mit Dead Space nach und verlegt den Horror in den Weltraum: Dort bekommt es der Spieler mit einem außerirdischen Kult zu tun. Das bereits etwas eingestaubte Genre soll nun mit drei neuen Titeln wieder auf Vordermann gebracht und NextGen-Kompatibel gemacht werden. Dass die programmiererischen Tiefen der Sony-Konsole immer noch nicht ergründet sind und zumindest bei zwei der Spielen die Grafik eher im Midrange-Bereich anzusiedeln ist, ist ja leider nichts neues – zeigt aber, dass die Publisher bemüht sind, im Konkurrenzkampf mitzuhalten, wenn es darum geht, den Survival-Horror auf die PS3 zu bringen. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass sich alle drei Spiele bei kulturellen und politischen Themen bedienen um ihre Plots zu motivieren.
Im Dunkeln ist schlecht munkeln
Alone in the Dark - Inferno dürfte etlichen Spielern bereits bekannt gewesen sein, denn die Premiere der fünften Fortsetzung des Urahn der 2002 reüssierten Grusel-Spiele war bereits im Sommer 2008 auf dem PC. Insofern konnte man gespannt darauf sein, was sich für die Konsolen-Portierung wohl ändern würde. Die Story jedenfalls nicht: Sie ist im New York dieser Tage angesiedelt. Die Spielfigur, Edward Carnby, erwacht in einer brenzligen Situation in einer Hochhauswohnung: Ein Killer macht sich gerade daran ihn auf das Dach zu befördern um sie dort zu erschießen. An diesem Punkt übernimmt man die Kontrolle der Figur und befreit sich. Zunächst gilt es, aus dem Hochhaus zu fliehen, in dessen Wände, Decken und Fußböden sich seltsame Risse auftun. Diese und überall ausbrechende Feuer führen nach und nach zum Zusammenbruch des Hauses. Bevor der beendet ist, trifft man auf zwei Figuren, die einen auf der Flucht aus dem Haus in den Central Park und von dort in ein Museum begleiten. Die ganze Stadt ist mittlerweile von der Erscheinung, die das Haus am Anfang zerstört hat, betroffen und es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.
Neu gegenüber den Vorgängern von „Alone in the Dark – Inferno“ ist vor allem, dass man als Spieler zwischen verschiedenen Perspektiven auf das Geschehen wechseln kann. Die Ego-Perspektive stellt sich dabei als die unbrauchbarste für den Spielverlauf heraus (außer, man benutzt gerade eine Waffe, dann wird sie jedoch automatisch eingenommen). Eine deutliche Hürde ist auch die ziemlich komplexe Figurensteuerung, bei der etliche Handlungen auf Tastenkombinationen gelegt sind, die man sich jedoch nicht einprägen muss, weil immer rechtzeitig ein Hilfsfenster aufspringt, wenn die Aktion gerade gefragt wird. Dass sich darunter auch so seltsame Handlungen, wie einen Lidschlag auszuführen, um wieder klar sehen zu können, befinden, ist einer der Manierismen des Spiels. Das Entwickler-Studio hat wohl schon bei der Konzipierung des Spiels daran gedacht, dass nicht nur Hardcore-, sondern auch Casual Gamer einmal Lust haben könnten, solch ein storybasiertes Spiel durchzuspielen und es deshalb mit einer Spul-Funktion ausgestattet: An jedem Punkt kann man sich über das Pausemenü nicht nur via Videokonsole anschauen, was man bisher hinter sich gebracht hat, sondern auch kapitelweise zurück- und vorspringen: Auf diese Weise kommt selbst jemand, der irgendwo im Spiel stecken bleibt, in den Genuss, es sich bis zum Schluss anzuschauen oder es an anderer Stelle weiterzuspielen.
Posttraumatisches Belastungsspiel
Auch der jüngste Teil der „Silent Hill“-Reihe ist bereits im vergangenen Jahr veröffentlicht worden. Dass Silent Hill Homecoming hierzulande länger auf sich warten ließ, lag wohl vor allem an der USK-Freigabe, für die das Spiel ordentlich entschärft worden ist. Das hat dazu geführt, dass es sich etliche Spieler aus dem Ausland – vor allem Großbritannien – importiert haben, um in einen früheren und unzensierten Spielgenuss zu bekommen. Der Untertitel „Homecoming“ erinnert nicht durch Zufall an Kriegsheimkehrer, denn Alex, die Figur, die man spielt, ist Kriegsveteran. Als er (aus dem Irak?) in seine Heimatstadt Shepherd's Glenn zurückkehrt, hat sich dort einiges geändert: Die Straßen sind großteils zerstört, es ist den ganzen Tag neblig, kaum ein Mensch ist zu sehen und auf dem Friedhof buddelt der Bürgermeister Gräber aus. Auch bei Alex zu Hause hängt der Haussegen schief: Seine Mutter sitzt katatonisch im Rollstuhl und sein kleiner Bruder Joshua ist spurlos verschwunden. Die Suche nach dem Bruder – zunächst in Shepherd's Glenn, dann im Nachbarörtchen Silent Hill, ist das Thema des Spiels.
Wie schon bei den Vorgängerteilen bekommt man es auch in „Silent Hill: Homecoming“ wieder mit allerlei grotesk entstellten Monstern zu tun. Einige davon sind altbekannt (etwa der „Pyramid Head“), andere neu – alle jedoch auf ihre Weise gefährliche Gegner. Abermals muss man sich sein Inventar und Waffenarsenal mühevoll zusammensuchen und dabei einige recht nervenaufreibende Großschlachten gegen gehäutete Hunde, gesichtslose Krankenschwestern oder Monster, die mit Schwertern als Armen und Beinen über Wände und Decken kriechen, schlagen. Erstmals steht einem hier nicht nur Flucht oder Drauflosprügeln als Handlungsoption zur Verfügung, sondern auch eine Ausweichfunktion, die einem bisweilen erst den Zugang zur verwundbaren Stelle des Gegners eröffnet. Der Grusel bleibt dabei ein wenig auf der Strecke; die unheimliche Atmosphäre, wie sie die ersten drei Teile von „Silent Hill“ bestimmt hat, wird man in „Homecoming“ lange suchen: zu linear ist der Handlungsablauf angelegt, zu oft ärgert man sich mehr über die zu dunklen Handlungsräume als dass man sich vor ihnen fürchtet und die Musik lässt auch die beunruhigende Atonalität einiger Vorgängerteile vermissen. Und dennoch ist „Silent Hill: Homecoming“ summa summarum recht gelungen, weil es die Waage zwischen schwierig zu bewältigenden Situationen und kleinen Erfolgserlebnissen (etwa beim Lösen diverser Kleinrätsel) hält. Man darf eben nur nichts wesentlich Originelles erwarten.
Infektionsgebiet Afrika
Erst vor wenigen Tagen, passenderweise am Freitag, den 13. März, ist dann noch Resident Evil 5 in Deutschland erschienen. Ob es sich dabei wirklich um den 5. Teil der Serie handelt, können „Editionsgameologen“ angesichts der Fülle der Vorgänger und Seitenprojekte unter einander ausdiskutieren; sicher ist, dass es das technisch bislang elaborierteste Spiel aus dem „Resident Evil“-Universum ist. Mit Untoten hat man es dieses mal zwar nicht zu tun, wohl aber mit mutierten Afrikanern, die durch Bio-Terroristen mit einem Abkömmling des aus dem Vorgängerteilen bekannten T-Virus infiziert wurden und sich nun in auf unangenehme Weise in Monster verwandeln. Als schon seit Teil 1 bekannte Hauptfigur Chris Redfield wird man im Infektionsgebiet abgesetzt und findet sich schon bald von einer Horde der Mutanten verfolgt an der Seite einer neuen Partnerin, Sheva Alomar, wieder. Mit ihr muss man zunächst einem Dorf der Infizierten entkommen, um sich dann auf die Suche nach dem Urheber der Seuche, dem Terroristen Albert Wesker zu machen.
Auch hier ist der Grusel merklich zurückgefahren worden zugunsten von wirklich atemberaubenden Action-Sequenzen. Dass „Resident Evil 5“ noch zum Survival-Horror-Genre gerechnet werden kann, liegt allein an den vielgestaltigen Monstergegnern: Von Menschen mit Tentakelköpfen über Spinnenwesen bis hin zu Zombies mit Kettensägen bekommt man es manchmal gleich hordenweise zu tun. Der Clou bei dem Spiel ist der neue Koop-Modus: Sheva gibt nicht nur Rückendeckung und befreit einen aus brenzligen Situationen (bzw. muss selbst oft genug aus den Klauen der Angreifer gerettet werden), sie lässt sich auch von einem zweiten Spieler steuern – im Split-Screen-Modus oder über das Netz. Damit stellt sich „Resident Evil 5“ als das innovativste der drei hier einander gegenüber gestellten Spiele heraus – doch damit noch nicht genug. Auch grafisch und dramaturgisch hat es gegenüber seinen Konkurrenten eindeutig die Nase vorn. Die Spielräume sind extrem detailgenau dargestellt und filmartige Cut-Ins, die mal Rückblenden, mal Verweise auf das, was gerade anderswo passiert, liefern, Sorgen noch für zusätzliche Dynamik im Spielgeschehen.
It's a policitcal struggle
Die ästhetischen Grenzen zwischen den einstmals einander diametral entgegen gesetzten Spielkonzepten der „Silent Hill“- und „Resident Evil“-Reihe haben sich in den neuesten Teilen teilweise aufgehoben, vor allem dadurch, dass sich ersteres durch verbesserte Kampf-Optionen letzterem annähert. Doch auch in einigen den Stories zugrunde liegenden Motiven haben die Spiele mehr Gemeinsamkeiten bekommen. Das Kriegsszenario, aus dem Alex in seine Heimatstadt Shepherd's Glenn zurückkehrt, scheint sich bis dorthin verlängert zu haben: Er wird von wilden Alpträumen geplagt, deren existenzieller Charakter dem Spieler gleich im Prolog zu „Silent Hill: Homecoming“ klar wird: Es ist zwar nur ein Traum, jenes dunkle Krankenhaus, in dem Alex zu Beginn des Spiels erwacht; die Monster, die dort ihr Unwesen treiben, sind jedoch ebenso gefährlich wie die Erlebnisse auf seinen Schlachtfeldern vorher und danach. In diesem Krankenhaus wimmelt es nur so von Anzeichen einer aus den Fugen geratenen Medizin: halbierte Soldaten-Kadaver, Hinweise auf Misshandlungen von Patienten usw. Das alles soll den Protagonisten/Spieler nur vorbereiten auf den Horror der Heimgekehrten, der sich ihm zunächst in der Apathie seiner Mitbürger offenbart. Wenn sich in den in Cut-Scenes vorgeführten Dialogen zwischen Alex, seiner Mutter oder der Bürgermeisterin so gar nichts von dem Horror, der sich ringsherum abspielt, wiederfindet, dann kann man das als unplausible Entwicklung der Story lesen, aber auch als Hinweis auf die neue Normalität des Grauens.
Die Wahl des Handlungsortes Afrika für „Resident Evil 5“ hat den Entwicklern einiges an Kritik eingebracht. Schwarze mit einem Virus infizierte Horden, die Jagd auf weiße Eindringlinge machen? Aus den Vorgängerteilen weiß man, dass Afrika der Ursprung Viren ist, die der Umbrella-Konzern später als biologische Waffe einzusetzen vorgehabt hat. Produzent Masachita Kawata hat sich beeilt nachzuschieben, dass mit der Verbindung von Thema und Handlungsort keineswegs eine politische Botschaft verbunden gewesen sein soll. Das mag stimmen, wenn es um die Intention, eine solche Botschaft zu vermitteln, geht; politisch bleibt sie aber dennoch, denn unter den Zombie- und Mutantenhorden finden sich schon gleich zu Beginn des Spiels Demagogen und Einheizer, die die Verfolgung der weißen Eindringlinge befehlen. In beiden Spielen sind die Subtexte per se politischer Natur, denn die fiktiven Ereignisse, die dem Horror des Spielverlaufs zugrunde liegen („Silent Hill: Homecoming“) bzw. ihn erst auslösen („Resident Evil 5“) lassen sich zumindest als Anspielungen auf reales Geschehen verstehen.
Near Death Investigations
„Alone in the Dark – Inferno“ hält sich diesbezüglich ebenfalls nicht zurück. Edward Carnby, der seit 1992 Protagonist der Serie ist, scheint völlig schuldlos in das Titelgebende „Inferno“ geraten zu sein, welches nach und nach alle Gebäude in Manhattan zum Einsturz bringt. Welche Assoziationen dieses Szenario wachruft, muss man wahrscheinlich gar nicht mehr ausformulieren; das Spiel kodiert die Katastrophe mit einem Horror-Motiv: Was da nämlich ganze Häuserblocks in den Abgrund reißt, scheint ein riesiges Monstrum zu sein, das man anfangs nur durch Risse in den Gemäuern hindurch zu Gesicht bekommt und das an das Monster aus Cloverfield erinnert. Überhaupt haben viele Situationen und Handlungsorte in „Alone in the Dark – Inferno“ Ähnlichkeit mit Matt Reeves' Film. Das Spiel ist insgesamt sehr filmisch: Seine Handlung wird immer wieder durch kurze Cut-Scenes unterbrochen, die in die jeweils neue Situation oder Räumlichkeit einführen und die mit verschiedenen Filmstilistiken (Perspektivwechsel, Schwenks, Fahrten, …) verwirklicht sind. Dies und die Möglichkeit, die Spielhandlung – wie oben erwähnt – zu unterbrechen, „zurückzuspulen“ oder ein späteres Ereignis des Handlungsverlaufs anzusteuern, stehen der Immersion des Spielers zwar entgegen, verhelfen dem Spiel jedoch zu einem „retrospektiven“ Charakter. Das ist dann wenigstens ebenso beunruhigend, weil es die Bedeutung der Spielerhandlungen für den Fortgang des Plots ziemlich relativiert: Alles was passiert, ist bereits passiert.
Alle drei Spiele deponieren wenn nicht reale so doch zumindest realistische Paradigmen in ihre Plots. Das ist ein Trend, der sich auch in historischen Authentisierungspraktiken anderer Medien, vor allem dem Film, der letzten Jahre findet und Bezüge zur außerfiktionalen Wirklichkeit des Rezipienten stiften soll. Der Horror wird auf diese Weise eine Prolongation des Gegebenen, eine „Was wäre wenn“-Fiktion. Wenn man sich, wie in den hier vorgestellten drei Survival-Horror-Games dann auch noch selbst als Akteur in diesen Fiktionen wiederfindet, wird das Spiel zum Gedankenspiel. Das, was vom Spieler als alltäglicher, „realer Horror“ aufgefasst wird, hat sich ebenfalls verändert. Wie man diesen realen Horror bewältigt, kann man symbolisch in allen drei Spielen durchexerzieren.