Der Kettenhund
Iran: neuer Härtekurs
Der Aufruf zum Hass ist nicht neu. Seit 25 Jahren, seit der iranische Revolutionsführer Ajatollah Khomeini zum Gedenkmonat für die Palästinenser erklärt hat, gibt es alljährlich Kundgebungen im Iran, in denen die Vernichtung Israels lauthals skandiert wird. Im Westen wurde dies registriert, aber kaum beachtet. Abgesehen von ein paar radikalen Minderheiten. Doch in diesem Jahr ist es anders. Der neue iranische Präsident schärft sein Profil mit einem rhetorischen Aufguss der Brandreden seines Idols Khomeini – "As the Imam said, Israel must be wiped off the map" – brüskiert die westliche Öffentlichkeit und riskiert ernsthafte außenpolitische Konsequenzen.
Gestern hat der iranische Außenminister Manushehr Mottaki noch einmal nachgeschürt und Israel die Legitimation abgesprochen. Seit Jahren hat kein ranghoher iranischer Politiker mehr die Vernichtung Israels gefordert, scharfe internationale Proteste sind die Folge – dies zu einem Zeitpunkt, an dem die Besorgnis des Westens über einen radikalen Kurs Irans durch die neu gewählte Regierung von der Angst begleitet werden, dass Iran im Gegensatz zu all den offiziellen Erklärungen heimlich an der Atombombe bastelt. Hat der Ausfall von Ahmadinedschad Methode oder zeigt sich hier die außenpolitische Unbedarftheit gepaart mit dem überbordenden Ehrgeiz eines Provinzpolitikers und Ex-Milizionärs?
Alles spricht dafür, dass sich Ahmadinedschad als Vollender de Khomeini-Revolution versteht und mit seiner Regierungsmannschaft, die von der Majlis, dem iranischen Parlament, übrigens bei weitem nicht die gewünschte Unterstützung erhielt, einen äußerst harten Kurs gehen will. Deutliches Zeichen dafür ist die Verschärfung von Maßnahmen gegen kritische, oppositionelle Kräfte. Seit einigen Tagen kursiert in der iranischen Blogosphäre die Nachricht einer Todesliste, 210 missliebige Journalisten sollen darin aufgelistet sein. Bestätigt wird dies von einer Meldung der Internetausgabe der iranischen Zeitung Rooz.
Zum anderen ist die Macht von Ahmadinedschad beschränkt. Schon nach seiner Wahl wurde darauf hingewiesen, dass der oberste Führer des Landes, Ajatollah Khamenei, dafür sorgen werde, dass der neue Präsident außenpolitisch kein allzu freies Spiel hat. Die außenpolitische Rolle Ahmadinedschads dürfte sich darauf beschränken, mit extremen Äußerungen Stimmungen zu sondieren, zu testen, wie weit Iran gehen kann, wie die Reaktion von Freunden und Feinden aussieht. Die faktische Politik machen andere, bzw. steht unter der Aufsicht der Mullahs und anderer Big Player der iranischen Politik: allen voran Haschemi Rafsandschani.
Indiz dafür ist die Order des obersten Führers Khamenei, die der Schlichtungskommission unter Vorsitz von Rafsandschani erhebliche Machtbefugnisse zugteilt hat: die Aufsicht auf "makropolitische" Entscheidungen Irans. Damit wurde einem der schärfsten politischen Widersacher Ahmadinedschads Kompetenzen übertragen, die ihn im internen Machtgefüge über den Präsidenten stellen.
Die Hasstiraden Ahmadinedschads gegen Israel und die USA sind Teil einer antiwestlichen Stimmungs-Kampagne, von der man sich offensichtlich einiges verspricht, die sich unter der neuen Führung im Inneren (kürzlich wurde gemeldet, dass die Regierung ein Verbot westlicher Filme ausgesprochen hat ) und nach Außen verschärft. Sie dienen Ahmadinedschad vor allem dazu, sein Profil und das seines Landes als Regionalmacht, die sich nicht einschüchtern lasst, zu schärfen, deutliche Signale in der Region abzugeben, die dann an wichtigen Stellen wieder zurückgenommen werden: Kein Zufall, dass die außenpolitische "Schadensbegrenzung" der iranischen Führung von der Botschaft des Landes in Moskau aus erfolgt. Solange Russland bei seinem angekündigten Veto anlässlich eines möglichen UN-Sicherheitsratsbeschluss gegen Irans Atompolitik bleibt, darf der Kettenhund schon mal bellen. Zubeißen darf er nicht.