"Der Konsument kauft immer das, was billiger ist"

Seite 2: Bauernschwund in Österreich seit den 1960er-Jahren

Christian Bachler ist in den Jahren vor der Pfändung teilweise schwer depressiv, erleidet ein Burnout. Im Gespräch mit Florian Klenk nennt er psychische Erkrankungen die neue Berufskrankheit der Bauern, insbesondere der Bergbauern. Früher war es ein "krummer Buckl" von der schweren Arbeit, heute sind es Depressionen und Burnouts.

Steil gelegene und vergleichsweise kleine Bauernhöfe, wie der von Christian Bachler, sind kaum geeignet, in hocheffiziente Tierfabriken verwandelt zu werden, wie es der aktuelle Agrarmarkt erfordert. Beim Versuch, dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben, geraten viele Landwirte bis über den Kopf in Schulden, ihr Hab und Gut wird zu Spottpreisen versteigert. Die Bank behält den Erlös zur Tilgung der Schulden, der Hof wird von Investoren in Ferienapartments oder Golfanlagen umgewandelt.

So hätte es auch im Fall von Christian Bachler kommen sollen. Wenn der findige Bauer und der engagierte Falter-Chefredakteur nicht in letzter Sekunde eine gemeinsame Rettungsaktion gestartet hätten: Über ein Crowdfunding-Projekt hofften sie, mit prominenter Unterstützung – unter anderem vom umstrittenen Volksrocker Andreas Gabalier – Gelder in Höhe von 100.000 Euro aufzutreiben. Dann wäre der Hof vor der Pfändung gerettet gewesen. Es kam viermal so viel zusammen, in nur zwei Tagen.

Für Christian Bachler war es ein Befreiungsschlag. Die anderen Bauern kommt aber kein Chefredakteur aus Wien besuchen, mit allen Chancen, die sich daraus ergeben. Die meisten gehen also weiterhin mit der Zeit, verschulden sich und expandieren.

Florian Klenk: Wir haben es heute mit einer industrialisierten Landwirtschaft zu tun, auch wenn viele Prospekte noch etwas anderes zeigen. So wie die Handwerker im 19. Jahrhundert verschwunden sind, haben auch die Bauern in den 60er- und 70er-Jahren zu verschwinden begonnen.

Die Folgen sind man vor allem im Flachland. An der Stelle von Bauernhöfen stehen jetzt regelrechte Fabrikhallen in der Landschaft, in denen Hühner oder Schweine auf Vollspaltenboden gehalten werden.

Es ist ja gut, dass ein Bauer nicht nur Selbstversorger ist; aber die Industrialisierung der Landwirtschaft hat inzwischen ein Maß erreicht, das nicht nur die Böden und die Natur zerstört, sondern auch die Bauern zum Verschwinden bringt. Und wenn die Bauern verschwinden, verschwinden ganze Dörfer und Kulturregionen.

Wer profitiert von dieser Entwicklung? Es können doch nicht nur die Banken sein.

Florian Klenk: Es profitieren die Betriebe, die ihre Margen aus der Masse holen, die Handelsketten, die großen Schlachtbetriebe à la Tönnies. Wer draufzahlt, sind dagegen die, die mit schmutzigen Händen auf dem Feld stehen, die vielen Bachlers in diesem Land.

Tiere sind die größten Verlierer

Was ist mit den Konsumenten, die ihr Schnitzel um zwei Euro bekommen? Profitieren sie nicht auch?

Florian Klenk: Auf den ersten Blick, ja. Aber auch die Konsumenten zahlen darauf, zunächst in Form von Steuern, die danach als Subventionen wieder ausgeschüttet werden, und in Form der zerstörten Landschaft und Artenvielfalt.

Die allergrößten Verlierer sind aber die Tiere: die Schweine auf dem Vollspaltenboden und in den Kastenständen, die geschredderten Küken, die entsorgten männlichen Kälber, die Ferkel, die bei vollem Bewusstsein kastriert werden. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten – von der Öffentlichkeit beinahe unbemerkt – eine Form der Landwirtschaft breitgemacht, die Tiere systematisch und millionenfach quält und ausbeutet.

Selbst als informierter Mensch, der regelmäßig Nachrichten konsumiert, bekommt man von all dem wenig mit. Man möchte stattdessen meinen, die großen Probleme der Bauern wären der Wolf, Ärgernisse wie das Kuh-Urteil oder die Grünen mit ihren anstrengenden Umweltauflagen…

Florian Klenk: Das hat zwei Ursachen. Zum einen schauen wir Medienleute in der Stadt wohl zu selten hin, was sich auf dem Land tut. Selbst die Medien, die die Bauern mit Informationen versorgen, sind in den Händen von bestimmten Parteien und der Agrarindustrie. Es gibt also kaum kritische und unabhängige Berichterstattung im Sinne der Bauern.

Zum anderen sind die Bauernvertreter, die Genossenschaften und Landwirtschaftskammern nicht interessiert, über solche Themen zu sprechen. Ich bin erst kürzlich wieder mit meiner Buchbesprechung von einer Landwirtschaftskammer ausgeladen worden.

Stattdessen bringt man die Bauern gegen die Städter in Stellung. So wird eine kritische Auseinandersetzung mit den Problemen der Bauern verhindert. Wobei einige, wie Christian Bachler, sich mithilfe neuer Kommunikationskanäle selbst Gehör verschaffen.

Bachler findet auf alternativen Kanälen auch zu seinen Kunden – über Facebook, Chatgruppen und seine Webseite.

Florian Klenk: Wenn Christian Bachler auf seiner Whatsapp-Gruppe postet, dass eines seiner Mangalica-Schweine gerade geschlachtet wurde, ist das Fleisch innerhalb weniger Minuten weg. Das funktioniert nicht nur für ihn gut.

Viele Bauern haben in der Direktvermarktung neue Wege gefunden, um sich von der Agrarindustrie unabhängiger zu machen. Ich glaube schon, dass hier gerade ein Wandel stattfindet und der sich auch durchsetzen kann.

Wer ist gefragt, wenn es ums Durchsetzen geht?

Florian Klenk: Der Gesetzgeber. Vom Gerede über die Konsumentenverantwortung halte ich wenig, der Konsument kauft immer das, was billiger ist. Der Gesetzgeber muss den Rahmen abstecken, das war bei den Legebatterien, die verboten worden sind, nicht anders.

Die Eier sind danach um einiges teurer geworden, und? Das stört heute niemanden mehr. Genauso hoffe ich, dass die Vollspaltenböden in der Schweinehaltung bald verboten werden und dass eine strenge Kennzeichnungspflicht für Haltungsmethoden eingeführt wird. Gegebenenfalls auch mit Bildern, wie das in der Tabakindustrie schon längst bewährt ist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.