Der Krieg der Neuen Rechten
Kommentar: Wie Donald Trump und Wladimir Putin dem türkischen Staatschef Erdogan seine syrischen Flüchtlingsghettos schenkten
Das hervorstechendste Merkmal imperialistischer Machtpolitik in der Ära der Neuen Rechten ist ihre propagandistische Verrohung. Man gibt sich keine Mühe mehr, die üblichen Schlächtereien im Gefolge geopolitischer "Interventionen" irgendwie durch höhere, "demokratische" oder menschenrechtspolitische Ziele zu legitimieren, wie es in den vergangenen Jahrzehnten nach dem Kollaps des real existierenden Sozialismus im Westen üblich war.
Inzwischen wird ungefilterter Imperialismus betrieben, indem das Interesse der spätkapitalistischen Staatsmonster klar und ungeschminkt zum Ausdruck kommt. Nur wenige Tage nach dem Verrat Trumps an den Kurden Syriens und einem von Washington ausgehandelten "Waffenstillstand", der de facto alle Forderungen Erdogans nach einer ethnischen Säuberung der Region erfüllte, ließ Trump verkünden, er wolle doch noch Truppen in Ostsyrien stationieren - nicht zum Schutz der syrischen Kurden, die zu Hunderttausenden aus der von islamistisch-türkischen Banden heimgesuchten Grenzregion fliehen, sondern zur Sicherung der ostsyrischen Ölfelder, die nicht dem Assad-Regime zugänglich gemacht werden sollen.
Es geht nicht mal um das übliche ökonomische Interesse
Bei dieser Kehrtwende geht es nicht mal um das übliche ökonomische Interesse hinter imperialistischen Interventionen, da das syrische Öl ja nicht auf den Weltmarkt verhökert oder gar auf den Markt des Energieexporteurs USA gebracht werden kann.
Es ist eine rein destruktive Maßnahme, mit der dem Assad-Regime und seinem russischen Paten selbst diese bescheidene Einnahmequelle verwehrt werden soll, um die Stabilisierung der Region, die nun unter russischer Schirmherrschaft ablaufen sollte, zu erschweren und deren Kosten für den Kreml - der mit dieser Aufgabe ohnehin ökonomisch überfordert ist - in die Höhe zu treiben. Somit würde Putin die Stellung der USA in der Region beerben und sich in ein teures imperialistischen Abenteuer verwickelt sehen, ohne hiervon ökonomisch irgendwie profitieren zu können.
Trump wiederum forciert die Annäherung an Ankara. Im imperialistischen Deal zwischen Trump und Erdogan ("Waffenstillstand") kamen somit beide Nato-Staaten schlicht darin überein, eine ethnische Säuberung auf dem Gebiet eines Drittstaates durchzuführen.
Die veröffentlichte Meinung aller Nato-Staaten nahm diese im Kern bereits faschistische, auf die Vernichtung des Siedlungsgebiets einer Bevölkerungsgruppe zielende Politik mit einem bloßen Stirnrunzeln hin. Um den Ekel angesichts dieser mörderischen Politik in die Höhe zu treiben, entblödete sich Trump nicht, den syrischen Kurden, die er vor kurzem der Soldateska Erdogans zum Fraß vorwarf, eine Rolle als eine Art Schutztruppe bei der militärischen Sicherung dieser Ölquellen anzubieten.
Die massenmörderischen Zugeständnisse Trumps gegenüber Erdogan - sie wurden von Putin in Sotschi weitgehend bestätigt. Erdogan bekommt nach Afrin ein weiteres nordsyrisches Flüchtlingsghetto, während die Verteidigungskräfte Rojavas sich aus der Grenzregion zurückziehen müssen. Der Kreml drohte den Kurden Syriens ganz offen mit Genozid, um sie zur Hinnahme der Aufteilung Rojavas unter imperialistische Mächte zu bewegen: Sollten die Kurden sich weigern, würden die russischen und syrischen Einheiten von der Grenze abgezogen, um Rojava der türkischen Armee zu überlassen.
Dass dies keine leere russische Drohung ist, ist den Kurden schmerzlich bewusst, nachdem der Kreml sein Einverständnis für die ethnische Säuberung des Kanton Afrin durch türkisch-islamistische Banden gab, die seither mit russischem Segen einen schleichenden Genozid an der einstmaligen kurdischen Bevölkerungsmehrheit betreiben dürfen.
Trumps "Säuberungen"
Der US-Präsident selbst argumentierte ähnlich, als er den Kurden den "Rückzug" aus Nordsyrien empfahl, nachdem er den Weg freimachte für den türkischen Angriffskrieg. Die Sprache driftet längst ins Faschistische ab. Donald Trump kann inzwischen von notwendigen "Säuberungen" der Kurden in Nordsyrien sprechen, ohne dass dies noch einen Skandal auslösen würde.
Es gibt in diesem Punkt kaum noch einen Unterschied zu den immer offener agierenden islamofaschistischen Kräften in der Türkei. Erdogan spricht öffentlich bei Fernsehübertragungen über die ethnischen Säuberungen an Kurden, die er noch vorzunehmen gedenkt, ohne dass es irgendein größeres westliches Nachrichtenmedium überhaupt noch zur Kenntnis nehmen würde.
Beide Seiten - die USA wie Russland - sind inzwischen auch emsig bemüht, allen Beweisen für Vertreibung, türkischen Kriegsverbrechen und islamistischer Folter zum Trotz, die Türkei möglichst eng an sich zu binden. Trump hat bereits die Sanktionen gegen die Türkei aufgehoben, die im Kongress geplanten Sanktionsmaßnahmen verlaufen im Sand, während der türkische Verteidigungsminister bereits von einer Wiederaufnahme der Türkei in das amerikanische Programm zum Bau des Kampfflugzeugs F-35 spricht.
Türkische Medien wiederum meldeten, dass die auf den Gräbern Rojavas vonstatten gehende Annäherung zwischen Erdogan und Putin sich ebenfalls in einer zunehmenden militärischen Kooperation manifestiere. Die Türkei stehe demnach kurz davor, avancierte russische Kampfflugzeuge vom Typ Su 35 zu erwerben. Erdogan betreibt somit weiterhin einen erfolgreichen geopolitischen Balanceakt zwischen Ost und West, um seinen imperialistischen Großmachtambitionen und seinem Säuberungswahn näherzukommen.
Diese türkische "Schaukelpolitik" ist nur angesichts des "multipolaren" Charakters des globalen Machtgeflechts möglich, nachdem die USA ihrer Stellung als globaler Hegemon verlustig gingen und nur noch als ein Machtfaktor unter vielen agieren. Auch die Europäer betreiben übrigens, aller Rhetorik zum Trotz, weiterhin die Alimentierung des Regimes in Ankara.
Die Türkei ist einer der größten Geldempfänger der Bundesrepublik, während selbst der wahrscheinliche Einsatz von chemischen Waffen gegen Zivilisten die Bundeswehr nicht davon abbringen kann, mit den türkischen Streitkräften weiterhin zu kooperieren.
Inzwischen werden somit ethnische Säuberungen, gezielte Massaker an der Zivilbevölkerung - größtenteils unreflektiert - zum akzeptierten Mittel der Geopolitik von Nato-Staaten. Um den Wandel der westlichen Interventionspolitik nachzuvollziehen, reicht ein Blick auf den völkerrechtswidrigen Nato-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien von 1999, der gerade mit der Verhinderung ethnischer Säuberungen legitimiert wurde.
Und noch der Angriffskrieg der USA gegen den Irak wurde propagandistisch als Mittel zur Demokratisierung der Region verklärt. Heutzutage schließen Nato-Partner selbst Deals über die "Säuberung" Nordsyriens ab.
Dies ist weitaus mehr als ein kosmetischer Unterschied: Die moralisierenden Lügen, die etwa den Jugoslawien-Krieg der Nato begleitet haben, können entlarvt, der propagandistische Anspruch mit der brutalen Realität kontrastiert werden.
Bei offen geführten imperialistischen Kriegen, die keines humanitären Mäntelchens mehr bedürfen, da sie auf eine weit vorangeschrittene Barbarisierung in der Bevölkerung bauen können, ist es nicht mehr möglich. Es hat keinen Sinn, Trump der Beihilfe zur ethnischen Säuberung zu bezichtigen, da dies allen eigentlich klar ist, da es hingenommen oder gar befürwortet wird.
Im Kern bereits faschistisch: Machtpolitik der Neuen Rechten
Letztendlich kann der Krieg um Rojava als ein Krieg der Neuen Rechten begriffen werden, da alle wichtigen Akteure, die daran beteiligt sind, sich aus diesem politischen Sumpf rekrutieren.
Das gilt zuallererst für den Naziversteher Donald Trump, aber auch für Erdogan als einen Ideologen, der extremistischen Islamismus mit dem genozidalen türkischen Nationalismus amalgamierte. Die Kurden sind den Regierungsislamisten deswegen besonders verhasst: Sie sind keine strenggläubigen Moslems und sie sind keine Türken.
Und schließlich gilt der bei Rechtsauslegern ungemein populäre Wladimir Putin als die ideologische Vaterfigur der Neuen Rechten - zumal Russland ja tatsächlich Rechtsparteien in Europa finanziert und unterstützt hat. In Europa hat wiederum der Rechtspopulist Viktor Orban den türkischen Angriffskrieg explizit unterstützt.
Orban ging es dabei nicht nur um die Vernichtung einer "linken", fortschrittlichen Alternative zur kapitalistischen Dauerkrise. Die Türkei solle ihre Flüchtlinge nach Syrien abschieben, damit diese nicht nach Europa kommen können, so die Logik des ungarischen Erdoganverstehers. Inzwischen fordert Orban sogar Finanzhilfen für das Erdogan-Regime, damit es sein Flüchtlingsghetto in Syrien aufbauen könne.
Im Kern ist diese Politik schon faschistisch: Ethnische Säuberungen werden in Kauf genommen, ein emanzipatorisches Projekt in der Region wird zerstört, um auf dessen Trümmern ein gigantisches Flüchtlingslager zu errichten, das von extremistischen Islamisten bewacht wird - bezahlt von europäischem Geld. Flüchtlinge sind somit zu einem geopolitischen Machthebel verkommen, den Erdogan gegenüber der EU nutzen kann.
Konzentration "überflüssiger" Menschenmassen in Zonen der Exklusion
Vor dem Hintergrund der kapitalistischen Systemkrise, die eine immer größere Zahl "ökonomisch Überflüssiger" produziert, wie auch der kommenden Klimakrise, in deren Verlauf ganze Regionen des globalen Südens unbewohnbar werden können, eröffnen sich abgründige Perspektiven für eine solche faschistische Politik der ethnischen "Säuberung" ganzer Landstrichen und der Konzentration von Flüchtlingsmassen in Ghettos oder Zonen der Exklusion.
Die Neue Rechte ist somit nicht nur eine innerpolitische Gefahr, sie unterminiert nicht nur die bürgerliche Demokratie und den Staatsapparat, sie betreibt außenpolitisch brutalsten Imperialismus, der sogar die Gemetzel des neoliberalen Zeitalters in den Schatten zu stellen droht, sie forciert bereits eine Politik der ethnischen Säuberungen, der Exklusion und der Konzentration "überflüssiger" Menschenmassen in Zonen der Exklusion.
Sollte sich diese faschistische Politik tatsächlich durchsetzen, im öffentlichen Bewusstsein zu einer neuen Normalität gerinnen, drohen bei weiterer Verschärfung der sozioökologischen Weltkrise des Kapitals erneut Menschheitsverbrechen, wie sie auch die letzte große kapitalistische Systemkrise im 20. Jahrhundert durchzogen. Die Solidarität mit Rojava muss somit mit dem Kampf gegen die Neue Rechte auch in der Bundesrepublik einhergehen.
Das Abdriften in den Faschismus des 21. Jahrhunderts vollzieht sich auch auf geopolitischer Ebene weitgehend graduell aus der gegebenen geopolitischen Machtlogik der spätkapitalistischen Staatsmonster heraus, die krisenbedingt immer weiter ins Extrem abdriftet. Kann Erdogan angesichts zunehmender ökonomischer Verwerfungen in der Türkei von seinem faschistischen Expansionskurs lassen, ohne die Macht zu verlieren?
Es gibt hier bislang keinen Bruch bei diesem graduellen Abdriften in die Barbarei, da auch die alten neoliberalen Eliten - die in Syrien nur noch eine Nebenrolle spielen - versuchen, sich der krisenbedingten Verrohung der Sitten und der voranschreitenden Barbarisierung der Politik weitestmöglich anzupassen, selbst die faschistische Formierung der Türkei noch für das eine oder andere Geschäft zu nutzen.
Die Situation in Rojava erinnert durchaus an 1938, als die westlichen Großmächte - gegen sowjetischen Widerstand - hofften, Nazideutschland mit ihrer Appeasement-Politik befriedigen zu können, indem sie etwa die Tschechoslowakische Republik beim Münchener Abkommen dem deutschen Expansionsstreben opferten. Wohin dies Appeasement führte, dürfte immer noch bekannt sein.