Der Mann, der - vielleicht - "Robert Roloff" war
Versuchte ein Nachwuchsjournalist, Uwe Barschel zu warnen?
Vor genau 25 Jahren traf sich am 10. Oktober 1987 in Genf ein bislang unbekannter Mann unter dem Pseudonym "Robert Roloff" mit Uwe Barschel, um ihm die Hintergründe der Intrige um den schillernden Medienreferenten Reiner Pfeiffer zu verraten. Während Barschel das Treffen vom Nachmittag als Erfolg wertete, endete ein für den Abend geplanter weiterer Termin für ihn tödlich. Diversen Behörden ist seit Jahrzehnten ein Mann bekannt, der keinen Hehl daraus machte, Kontakt zu jenem Robert Roloff gehabt zu haben. Ermittelt wurde jedoch nie.
Teil 1: Der Barschel-Brief
Der Mann, von dem im Folgenden als "Herrn X" die Rede sein soll, ist heute ca. Mitte 40 und hat Deutschland lange hinter sich gelassen. Bereits 1992 hatte er sich gegenüber mehreren Personen im journalistischen Umfeld sowie Behörden offenbart, Kontakt mit "Robert Roloff" gehabt und in diesem Zusammenhang mit Barschel gesprochen zu haben. Er sei damals als junger Mensch in etwas hineingeraten, was er offensichtlich nicht verarbeitet hatte, und über das er reden wollte. Auch in den folgenden Jahrzehnten blieb er bei seiner ungewöhnlichen Geschichte. Seit Anfang der 1990er Jahre wurden immer wieder Behörden auf den Mann aufmerksam gemacht, ohne dass insoweit ermittelt worden wäre. Vielleicht hat man ihn als "Spinner" oder Hochstapler abgetan. Doch der Mann war über die Ereignisse vom Oktober 1987 besser informiert, als es der damalige Kenntnisstand der Presse zugelassen hätte. Damals lautete die offizielle Version, die erst 1994 durch die Untersuchung der Staatsanwaltschaft Lübeck maßgeblich erschüttert wurde, auf Suizid.
Die meisten Publizisten, die sich mit dem Mann und seiner erstaunlichen Geschichte befassten, verzichteten schließlich auf eine Veröffentlichung. Auch TELEPOLIS wird den Namen nicht nennen, denn wenn die Story zutrifft, dann wäre der Betreffende in etwas hineingeraten, das er so nicht gewollt hätte; er hat sich inzwischen ein gänzlich neues Leben aufgebaut. Mögen er selbst oder die Behörden entscheiden, wie damit künftig umzugehen ist.
Die Informanten, mit denen TELEPOLIS lange Gespräche geführt hat, machen einen glaubwürdigen und soliden Eindruck. Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte, die trotz ihres außergewöhnlichen Themas durchaus schlüssig und plausibel erscheint, lässt sich vom Schreibtisch eines Journalisten aus allerdings nur sehr eingeschränkt beurteilen. Wenn die Story erfunden sein sollte, dann wäre sie jedenfalls verdammt gut erfunden. Schon letzteres wäre Grund genug, sie zu erzählen. Warum diese Spur bislang nicht behördlich überprüft wurde, ist unverständlich.
"Robert Roloff"
Am Sonntag, den 26. September 1987 - zwischen der berühmten "Ehrenerklärung" vom 18. September 1987 und dem Rücktritt vom 02. Oktober 1987 - gelang es einem unbekannten Anrufer nach mehreren Versuchen, den strauchelnden Ministerpräsidenten in seinem Haus bei Mölln zu erreichen. Wie aus Barschels schriftlichen Notizen folgt, empfand dieser das Alter des Anrufers als "schwer definierbar", er sei wohl "nicht sehr alt". Der Unbekannte, der erstaunlicherweise Barschels Geheimnummer kannte, bot Informationen über den schillernden Medienreferenten Reiner Pfeiffer an, dessen Rolle bis heute rätselhaft blieb.
Nach seinem Rücktritt flüchtete Barschel vor der Öffentlichkeit heimlich nach Gran Canaria in die Villa eines Freundes. Da dort zunächst das Telefon funktionsuntüchtig war, führte Barschel seine Telefonate in einem Hotel, wo er sich ansonsten verleugnen ließ, etwa gegenüber Journalisten des STERN. Doch auch dort gelang es dem Anrufer, der sich vorläufig "Robert Roloff" nannte, den Politiker am 08. Oktober 1987 telefonisch über das Hotel zu kontaktieren, indem er sich dreist mit "Landesregierung Kiel" meldete und nach Barschel verlangte. Der auf diese Weise geköderte Politiker nahm den unerwarteten Anruf entgegen und war zunächst mit einem Treffen in Madrid einverstanden. Barschel wunderte sich später in seinen Notizen über Roloffs Kenntnis seiner für den anstehenden Rückflug geplanten Reiseroute mit dem Zwischenstopp Madrid, was nur dem Reisebüro oder in Kiel bekannt gewesen sein könne. Aus diversen Gründen änderte Barschel seine Pläne und flog stattdessen über Genf, wo er sich mit dem Informanten am Flughafen verabredete. "Roloff" hatte Barschel erzählt, Pfeiffer habe mindestens einen Hintermann gehabt, der wiederum ihn, Roloff, betrogen habe. Roloff habe Pfeiffer nur zwei- oder dreimal getroffen, wo sich dieser als "Herrn Gelsenberg" vorgestellt habe, er hätte ihn jedoch im Fernsehen wiedererkannt. Roloff wolle kein Geld, nur Fahrtkosten - und seine Rache, notierte Barschel.
Am Samstag, den 10. Oktober 1987, landete Barschel gegen 15.15 Uhr in Genf, wo er auf dem Flughafen vom Journalisten Frank Garbely erkannt und angesprochen wurde. Da Barschel das Treffen am Flughafen nicht gefährden wollte, verleugnete sich Barschel und hängte Garbely mit einem Taxi ab, das ihn wieder am Flughafen absetzte. "Treffen mit R.R. hat geklappt. Tatsächlich. Er hat mir viel erzählt." notierte Barschel nach dem zwanzigminütigen Gespräch während eines Spaziergangs. Roloff hatte ihm von einer Intrige berichtet und ein Bild versprochen, das Pfeiffer und den Hintermann zeige, der seit vier Wochen verschwunden sei. Beide vereinbarten ein weiteres Treffen, das jedoch wegen der am Montag anstehenden Aussage vor dem Untersuchungsausschuss hätte kurzfristig sein müssen. Nach Freya Barschel war es für 20 Uhr geplant.
Die Notizen, die man in Barschels Zimmer fand, erscheinen als die eines Mannes, der eine Chance zur Rehabilitation sah und kämpfen wollte. Abschiedsbriefe eines verzweifelten Selbstmörders lesen sich anders. Auch angesichts der kurzfristigen Änderung der Reiseroute dürfte es äußerst unwahrscheinlich sein, dass Barschel einen mobilen Sterbehelfer auf sein Zimmer bestellt haben soll, wie es der damalige SPIEGEL-Autor Hans Leyendecker und manch anderer noch heute allen Ernstes mutmaßen. Ein weiterer Suizid, der dann wie im Fall Barschel mit offenbar rektal verabreichten Substanzen verübt worden wäre, ist bislang nicht bekannt. Ein derart eitler wie konservativer Mann wie Barschel hätte zweifellos einen starken Abgang gewählt, ein Militärfan wie er hätte wohl eine traditionelle Pistolenkugel favorisiert. Für das letzte Bild gibt es würdigere Posen als das groteske Foto eines im Anzug, jedoch ohne Schuhe in einer Badewanne liegenden Verlierers, zu einem Zeitpunkt, als dieser in der öffentlichen Meinung denkbar tief gefallen ist. Einen Suizid kann sich der in den 1990er Jahren leitende Lübecker Oberstaatsanwalt Heinrich Wille nicht vorstellen.
Notizen eines Toten
Die Zuordnung der handschriftlichen Notizen zu Barschel wurde vom Bundeskriminalamt bestätigt und gilt als unstreitig. Zu den Rätseln des Falles gehört jedoch die Tatsache, dass sie überhaupt zur Verfügung stehen und damit sofort die öffentliche Rezeption beeinflussten. Wer auch immer ein (mit dem Sedativ Diphenhydramin verunreinigtes) Whiskey-Fläschchen ausspülte und eine Weinflasche sowie die Verpackungen der in Barschels Körper nachgewiesenen Medikamente verschwinden ließ, hielt es erstaunlicherweise nicht für erforderlich, die vom Toten niedergeschriebenen Notizen zu beseitigen. Im Gegenteil lagen diese sogar offen im Hotelzimmer wie auf dem Präsentierteller herum und wurden sogar nicht erst von der Polizei entdeckt, die einen Fund aus kriminaltaktischen Gründen vermutlich erst viel später veröffentlicht hätte. Stattdessen fanden die Notizen bereits die indiskreten STERN-Reporter, die eigenmächtig wie rechtswidrig das fremde Hotelzimmer betraten und die Aufzeichnungen sofort fotografiert. Die Notizen beschrieben Roloff sogar äußerlich:
"Ca. 178 cm., kein Bart, sportlich, Jeans, blauer Pullover und Popelinjacke. Scheint Rheinländer zu sein. Wirkt ängstlich und misstrauisch."
Etwa Anhängern der Suizid-Verschwörungstheorie galt Roloff als Erfindung Barschels, der seiner Familie gegenüber einen ehrenhaften Moment für seinen Suizid inszenieren wollte. Manche halten ihn für eine Fehlspur der Mörder. Sollte diese Spur möglicherweise sogar gefunden werden und einen Verdacht auf einen Täter lenken, der Kontakt zu Pfeiffer hatte?
Herr W.
Ein Informant, nennen wir ihn einmal "Herrn W.", berichtet von einem Foto aus dieser Zeit, das "Herrn X." exakt in der von Barschel beschriebenen Kleidung zeigte. Die Personen kamen 1990 in geschäftlichen Kontakt. Herr W. war in völlig anderem Zusammenhang einmal die Rolle eines Whistleblowers zugefallen, was in den 1980er Jahren einen bundesweiten politischen Skandal ausgelöst hatte. Es mag sein, dass sich deshalb Herr X. mit Herrn W. identifizierte, plötzlich sein Gewissen erleichtern wollte und sich als Barschels geheimnisvoller Informant bzw. dessen vorgeschickter Vertreter zu erkennen gab. Auf Herrn W. machte Herr X. einen traumatisierten Eindruck.
Damals, 1990, hatte sich die Öffentlichkeit längst mit der Selbstmord-These abgefunden, das Thema war nur mäßig aktuell. Herr X. gab an, er habe Roloff gekannt. Eine Identität mit Roloff hatte er nicht eingeräumt. Er habe damals Barschel warnen wollen, und habe es nicht verarbeitet, dass ihm dies letztlich nicht gelungen sei.
Wie Barschel fiel es auch Herrn W. schwer, das Alter seines Gesprächspartners zu taxieren; der Mann Anfang 20 wirkte u. a. aufgrund seines Auftretens auf Herrn W. mindestens ein Jahrzehnt älter. Herr X. hatte im Bezug zu Herrn W. kein brauchbares Motiv, sich mit einer erfundenen Geschichte interessant zu machen. Im Gegenteil führte die skurrile Erzählung letztlich sogar zum Scheitern der begonnenen Geschäftsbeziehung. Zwar setzten Herr W. und Herr X. ihren Kontakt nicht fort, doch den mit politischen Skandalen erfahrenen Geschäftsmann Herrn W. ließ diese Geschichte nicht los, sodass er selbst recherchierte. Zwar gab es hier und da einige fragwürdige Ausschmückungen, die wohl der Verschleierung dienten. Aber vieles, was Herr W. herausbekam, deutete darauf hin, dass Herr X. im Großen und Ganzen die Wahrheit gesagt haben dürfte. Selbst für die Wahl des Pseudonyms "Robert Roloff" fand Herr W. eine verblüffende Erklärung, die aus Rücksicht auf Herrn X. hier nicht ausgebreitet werden soll.
Herr X.
Herr X. war im Rheinland zur Schule gegangen und hatte bereits damals Interesse für Journalismus und Politik entwickelt. Sein Vater hatte im politischen Bonn zu tun und war offenbar ein "geselliger Mensch", wie so manche Politiker im Rheinland. Über diese Beziehung scheint Herr X. in gewisse Kreise geraten zu sein, vielleicht handelte er auch im Auftrag des Vaters. Er erzählte Herrn W. im Jahr 1990, er habe am 08. Oktober 1987 erfahren, dass Barschel über Waffengeschäfte wie die Iran-Contra auspacken wolle, was Betroffene verhindern wollten. Zwar war in den Jahren nach dem Tod Barschels bekannt geworden, dass er seiner Frau gegenüber angekündigt habe, wenn er auspacke, werde Bonn "wackeln", man werde ihn dort "kennenlernen". Eine Verbindung von Deutschland oder gar Barschel zur Iran-Contra-Affäre war 1990 jedoch noch kein Thema, sondern erst 1994, als die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Lübeck begannen und der STERN sich mit dem Schattenmann Dirk Stoffberg befasste, von dem noch die Rede sein wird. Tatsächlich war ein Großteil jener Deals damals in Deutschland verhandelt worden. Barschel persönlich soll in einem Hamburger Hotel keinen geringeren als Oliver North getroffen haben. Auch eine ausländische Stadt, in der sich Herr X. zeitweise aufhielt, spielte bei Iran-Contra eine Rolle. Zweifellos hatte Herr X., der sich für Journalismus und die USA interessierte, in den Medien den Iran-Contra-Skandal verfolgt. Herr X. verfügte damals auch über eine weitere Büroadresse in Hannover. Freya Barschel zufolge will Roloff bei der ersten Kontaktaufnahme von Hannover aus angerufen haben.
Doch Herr X. hatte nicht nur gegenüber Herrn W. Mitteilungsbedarf. Der intellektuell begabte Mann versuchte sich auch als Autor und veröffentlichte Anfang der 1990er Jahre unter Pseudonym in einem Kleinverlag zwei kurze, allerdings kaum beachtete Romane aus der "Ich-Perspektive", die auf den Barschel-Mord anspielten. So berichtete er in der Rolle eines instrumentalisierten Journalisten, der während eines Mordes diesen nicht verhindern konnte. Auch schilderte er sich auf einer Couch bei einem Psychiater, was Herrn W. an seine Gespräche mit Herrn X. erinnerte. Auch Herr W. glaubt, sich in einer Erzählung von Herrn. X. wieder zu erkennen.
Aus dieser literarischen Verarbeitung könnte man folgern, Herr X. sei ein fantasiebegabter Hochstapler, der sich mit dem skurrilen Fall durch geschicktes Zusammenreimen interessant machen wollte. Oder man könnte ihn für einen "Spinner" halten, dem die Unterscheidungskraft zwischen Realität und Fiktion abhanden gekommen wäre. Herr W. allerdings hatte nicht den Eindruck, dass ihn sein Gesprächspartner zum Narren hielt oder dieser wahnsinnig sei, sondern schätzte ihn nachvollziehbar als traumatisiert ein. Was genau seine Rolle in der Mordnacht war, mochte Herr X. nicht preisgeben.
Schatten eines Schattenmanns
Herr X. gibt die Anbahnung des Kontakts etwas anders wieder, als aus Barschels Notizen zu schließen ist. Nicht er selbst hätte sich als "Roloff" ausgegeben, sondern eine unter diesem Namen auftretende Person hätte über ihn nach der verlorenen Landtagswahl Kontakt zu Barschel gesucht. "Roloff" sei zutreffend davon ausgegangen, dass dies Herrn X. möglich sei. Roloff habe ihm, Herrn X., von Waffenlieferungen berichtet, die von Kiel und Bonn abgesegnet worden seien. Wegen einer (irrtümlich) erwarteten Wahlniederlage habe man Barschel nicht mehr stützen wollen, weshalb dieser mit Enthüllungen gedroht habe. Herr X. will dann auf eigene Initiative nach Genf zu Zwecken der Recherche gefahren sein.
Doch die von Barschel abweichende und für die Reise nach Genf inkonsistente Einlassung, Herr X. habe für "Roloff" nur gehandelt, nicht aber sei er dieser gewesen, erscheint schon aufgrund der anderen Koinzidenzen wie die Personenbeschreibung als fadenscheinig. Naheliegender dürfte insoweit die Annahme einer Schutzbehauptung sein, die Herrn X. notfalls ermöglicht hätte, sich von "Roloff" zu distanzieren. Bei Verwicklung in einen Mordfall nicht die schlechteste Taktik.
Genf, Hotel Beau Rivage, Zimmer 317, 10. Oktober 1987, 20.00 Uhr
Die letzte bekannte Person, die Uwe Barschel lebend gesehen hat, war der Zimmerkellner, der die die gegen 18.30 Uhr bestellte (später verschwundene) Weinflasche und zwei Gläser brachte. Für 20.00 Uhr hatte sich laut Freya Barschel Roloff angesagt. Doch in den Stunden nach dem Treffen vom Spätnachmittag scheint es für Herrn X. eine unerwartete Planänderung gegeben zu haben. Herr X. war offenbar nicht alleine nach Genf gefahren. Hierfür sprechen schon Barschels Notizen, dass Roloff mit dem Auto angereist sei, denn Herr X. dürfte altersbedingt noch keinen Führerschein gehabt haben. Es scheint, als habe man Herrn X. als gutgläubigen Lockvogel missbraucht, der den sich konspirativ im Ausland versteckenden Barschel aufgespürt und ihn unfreiwillig einem Mordkommando geliefert hat.
In einem 1989 erschienen verstörenden Roman berichtet Herr X. von fünf Personen, die am Mord beteiligt gewesen seien, darunter ein asiatischer Profi-Killer, ein den Geheimdiensten wohlbekannter Waffenhändler und eine Frau. Bei den beiden letztgenannten Personen wird jeder, der sich näher mit dem Fall Barschel befasst hat, sofort Dirk Stoffberg und seine deutsche Lebensgefährtin assoziieren. Stoffberg war der "Mann fürs Grobe" des südafrikanischen Geheimdienstes, der offen mit seiner Beteiligung an "nassen Sachen" prahlte und in Genf, das damals als Welthauptstadt für Waffengeschäfte galt, ebensolche verhandelte. Stoffberg hatte 1992 bzw. 1994 - also Jahre nach dem Gespräch zwischen X. und W. - Journalisten gegenüber von zwei Waffenhändlertreffen in Genf berichtet und Andeutungen zum Barschel-Mord gemacht. Stoffberg gestand seine Verwicklung in die Iran-Contra-Affäre und berichtete, der spätere CIA-Chef Robert Gates, der in Iran-Contra verwickelt war, habe den zum Risiko gewordenen Barschel nach Genf bestellt. Barschel sei an etlichen Waffengeschäften beteiligt gewesen. Stoffberg zufolge sei der eigentliche Mord durch Killer der CIA durchgeführt worden, während der südafrikanische Dienst lediglich Beobachterstatus gehabt habe. Bevor er eine angekündigte eidesstattliche Versicherung hierüber unterschreiben konnte, zog es der Schattenmann nach offizieller Version vor, seine Freundin und sich zu erschießen. Es gibt allerdings auch andere "den Geheimdiensten wohlbekannte Waffenhändler", die als Kandidaten infrage kommen.
Weder von Stoffberg, noch von einer möglichen Verwicklung Barschels in den Iran-Contra-Skandal, noch von einem amerikanischen Killer hatte 1990 die Öffentlichkeit eine Ahnung. Der angeblich asiatische Killer würde durchaus zur CIA der 1980er Jahre passen, die im Vietnamkrieg unter den Einheimischen Agenten rekrutierte.
Leben und sterben lassen
Den jungen Herrn X. scheinen die Erlebnisse, bei denen man ihm anscheinend die Rolle des "nützlichen Idioten" zugedacht hatte, aus der Bahn geworfen zu haben. Obwohl Herr X. zweifellos vielseitig talentiert und hochintelligent war, schon als Teenager bemerkenswert ehrgeizige Dinge tat, schaffte er sein deutsches Abitur nicht mehr. In den Wendejahren pflegte er erstaunliche Kontakte in den Osten und machte offenbar windige Geschäfte, die ihm eines Tages eine Haftstrafe einbrachten. Deutschland kehrte der weltgewandte Mann schon früh den Rücken. Obwohl er als unzuverlässig gelten musste, scheint er in den 1990er Jahren für diverse Geheimdienste gearbeitet zu haben. In dieser ungewöhnlichen Branche gilt das Angebot an fähigem oder unbelasteten Personal als äußerst knapp, schillernde Personen scheinen eher die Regel als die Ausnahme zu sein. Herr X. besann sich später auf seine journalistische Ader und beackerte auf unterschiedliche Weise politische Themen. Aus familiären Gründen wurde er zwischenzeitlich selbst Gegenstand von Medieninteresse.
Zweifellos hätte Herr X. seine behauptete Rolle im Fall Barschel öffentlich machen und hiermit seine publizistische Karriere fördern können. Der möglicherweise unfreiwillig verwickelte Vater, auf den er hätte Rücksicht nehmen müssen, war inzwischen verstorben. Auch, wenn Herr X. zu krummen Geschäften neigte, scheint es, als habe Herr X. nie ein Interesse daran gehabt, mit dem Barschel-Fall Geld zu verdienen. Die seit 1989 erschienenen Romane, die inzwischen vom Markt beseitigt sind, boten kaum Erträge, sondern scheinen eher ein persönlicher Versuch des intellektuellen Mannes gewesen zu sein, sein Trauma zu verarbeiten. Die damalige Gier der Beteiligten nach Geld scheint ihn angewidert zu haben. In einer Illustration zu einem seiner Romane ist ein Mann in einer mit Geldscheinen gefüllten Badewanne zu sehen, der mit fünf Händen in diese hineingedrückt wird.
(Der Autor bedankt sich für Hinweise bei Herrn W. sowie bei Raimund Drommel, der in seinem Buch "Sprachwissenschaftliche Kriminalistik und Sprachprofiling" (2011) über den Fall des Herrn X. berichtete und Formulierungen aus dessen Romanen forensisch mit Uwe Barschels Notizen über Robert Roloff abglich.)
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