Der Raum ist selbst ein Akteur des großen Schauspiels!
Seite 3: "Ich bezweifle, dass es Wurmlöcher im Universum gibt"
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Engel sind bekanntlich weiß - vielleicht so weiß wie die vermeintlichen Weißen Löcher, die einige Kosmologen postulieren. Diese Theorie mögen Sie gleichwohl nicht sonderlich …
Ulrich Walter: Die Idee der Weißen Löcher mündet in eine schwierige Theorie, weil diese Anti-Lösungen zu Schwarzen Löchern sind, die selbst aber nicht real sind. Sie sind formal gesehen zeitlich invertierte Schwarze Löcher. Wurmlöcher hingegen sind eine masselose Symbiose aus Schwarzen und Weißen Löchern.
Ich bezweifle allerdings, dass es Wurmlöcher im Universum gibt. Es ist zwar ein valides, aber rein theoretisches Konzept. Was man in mathematischen Modellen erstellen kann, muss in der Realität nicht unbedingt existieren oder funktionieren. Es gibt in den Geisteswissenschaften eine Theorie, der zufolge alles das, was denkbar ist, im Universum existieren muss. In der Physik muss aber etwas, was mathematisch berechnet und belegt werden kann, nicht unbedingt vorkommen. Wurmlöcher sind in der Theorie berechenbar, aber ich glaube nicht, dass diese im Kosmos auftauchen. Denkbar wäre vielleicht, dass sie sich, wie die virtuellen Teilchen im Vakuum, virtuell im Raum-Zeit-Quantenschaum manifestieren. Auf makroskopischer Ebene hingegen bleiben sie reine Fantasiegebilde.
Es gibt eine schöne von Commander Spock rezitierte Weisheit. Sie stammt aus dem Star-Trek-Kosmos und reflektiert das erste Gesetz der Metaphysik von Kiri-kin-tha. (Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart). Es lautet: Nichts Unwirkliches existiert!
Ulrich Walter: Sehr schön. Das habe ich noch nicht gehört!
Über die Wirklichkeit der Wirklichkeit lässt sich trefflich diskutieren. Wer sich darüber im kosmischen Maßstab Gedanken macht, stößt unweigerlich auf das Anthropische Prinzip. Sie sind ein Befürworter der schwachen Variante, das die meisten Wissenschaftler akzeptieren.
Ulrich Walter: Das schwache Anthropische Prinzip (WAP) ist für sich genommen eine logische Tautologie mit großer Durchschlagskraft, weshalb mehr als 50 Prozent aller Physiker und Kosmologen von der WAP überzeugt sind. Bei allen anderen Formen wird meines Erachtens zu viel hineininterpretiert und sie finden daher nur wenige Befürworter. Es gibt nur eine Handvoll bekannter Physiker, die das starke oder sogar finale Anthropische Prinzip begrüßen, weil diese Varianten zu teleologisch ausgerichtet sind. Ich kenne kaum einen, der sie emphatisch verteidigt.
Prinzipiell unterscheidet die Astrophysik zwischen drei Varianten des Anthropischen Prinzips:
- Das schwache Anthropische Prinzip (R. H. Dicke 1957): Die Aussage des schwachen Anthropischen Prinzips (weak anthropic principle = WAP) basiert auf einem logisch selbstverständlichen Zusammenhang: Weil es in diesem Universum Beobachter gibt, muss die Entwicklung des Universums die Existenz dieser Beobachter zulassen. Die beobachtbaren Werte der Naturkonstanten und die aus ihren Wirkungen erschließbaren kosmischen Anfangsbedingungen "unseres" Universums entsprachen gerade den Erfordernissen, welche für die Vorbedingungen biologischer Evolution intelligenten Lebens notwendig sind.
- Das starke Anthropische Prinzip (B. Carter 1974): Wesentlich spekulativer ist die Formulierung des starken Anthropischen Prinzips, das dem Universum einen Zielrichtungsmechanismus zuschreibt: "Das Universum muss die Eigenschaften haben, die es ermöglichen, dass sich im Laufe der kosmischen Evolution Leben entwickeln kann." Das Universum musste zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Geschichte Bedingungen hervorbringen, welche die Entwicklung von Leben gestatten.
- Das finale Anthropische Prinzip (P. Dirac 1961). Es besagt, dass intelligente Informationsverarbeitung, auf die in dieser Variante das Leben reduziert wird, irgendwann im Universum in Erscheinung treten muss und danach niemals wieder aussterben kann. Dieses "Postulat des ewigen Lebens" ist an eine spezielle kosmologische Entwicklung geknüpft, die von J.D. Barrow und F.J. Tipler (1986) näher untersucht wurde.
Würde ein Anhänger des WAP, der über die Wahrscheinlichkeit von Leben im All sinniert, nicht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass im Universum Leben eher die Regel als die Ausnahme ist?
Ulrich Walter: Nein, nicht unbedingt. Die Ansichten darüber hängen von der Wissenstiefe der Details ab, die Leben ausmachen. Je weniger ich von den Bedingungen für Leben weiß, umso mehr glaube ich an anderes Leben im Universum und umgekehrt.
Dass ungeachtet der extrem geringen Wahrscheinlichkeit unserer eigenen Existenz viele Anhänger der WAP unser Dasein als selbstverständlich ansehen, beruht auf falscher Logik. Sie lautet: Selbst wenn die Lebensbedingungen unsere Existenz extrem unwahrscheinlich machen, dann muss es in Myriaden von Paralleluniversen doch einmal passieren - eben in unserem. Die Logik der WAP, die unser extrem unwahrscheinliches Vorhandensein verständlich macht, verlangt jedoch nicht die tatsächliche Existenz von extrem vielen Paralleluniversen. Ihr reicht deren denkbare Existenz.
Lassen Sie mich die Logik des schwachen WAP folgendermaßen ausdrücken: Unsere Existenz ist in einem endlichen Universum extrem unwahrscheinlich. Aber es sollte uns nicht wundern, dass wir trotzdem existieren, denn wenn es uns nicht gäbe, gäbe es keinen, der sich darüber wundern könnte.
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