Der Tanz der Krieger

Journalisten werden vom Pentagon auf einen Krieg vorbereitet, während die US-Regierung weiterhin Stimmung in Sachen Diktatorensturz betreibt.

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Für den irakischen Außenminister Naji Sabri gibt es, wie er in einem Brief an die UN geschrieben hat, wenig Zweifel daran, dass die UN-Resolution und die Waffeninspektionen nur einen Vorwand für dei US-Regierung darstellen, militärisch gegen den das Regime vorzugehen. Das hat im übrigen auch ein Mitarbeiter der US-Regierung ziemlich deutlich formuliert. Und auch Präsident Bush wird nicht müde, seine Koalition zu schmieden, während das Pentagon schon einmal Journalisten auf den Kriegseinsatz vorbereitet.

Dass die Regierung im Irak aus Gründen der Selbsterhaltung mit allen Mitteln versucht, einerseits keinen direkten Anlass zu einem militärischen Schlag der USA zu bieten und andererseits die Position der US-Regierung in Misskredit zu ziehen, liegt auf der Hand.

US-Journalisten beim Pentagon-Traning für den Krieg

Seit einiger Zeit findet bereits ein undurchsichtiger Schlagabtausch im Bereich der Flugverbotszonen statt. Ob hier tatsächlich immer nur das irakische Militär auf die britischen und amerikanischen Kontrollflugzeuge schießt oder diese auch aktiv und provokativ Stellungen bombardieren, möglicherweise auch, um schon einmal die Lufthoheit zu sichern, mag dahingestellt sein. Auch öffentlich geben amerikanische Politiker zu bedenken, dass sie im Beschuss der Kontrollflugzeuge eine Verletzung der neuen Resolution sehen. Zumindest werden hier schon einmal Punkte gesammelt, die sich addieren lassen (Das Spiel mit dem Recht, Was ist ein Verstoß gegen die Irak-Resolution?).

Sabri wirft der britischen und amerikanischen Regierung vor, bislang auch keine Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen in den Händen der irakischen Regierung geliefert zu haben. Vor allem aber kritisiert Sabri den Paragraphen 4 der Resolution, da dieser leicht zum Vorwurf führen kann, die Resolution gebrochen zu haben. Dafür würden schon "falsche Behauptungen oder Auslassungen" in der geforderten Erklärung über die im Irak vorhandenen Waffenproduktionsstätten und -lager, aber auch über die Anlagen und Materialien einen Grund liefern, die zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen gebraucht werden können. Sabri gibt zu bedenken, dass vielleicht schon ungenaue Formulierungen in einem Bericht mit vielen tausend Seiten als Verletzung der Resolution gelten könnten.

Sturz der Tyrannen

Tatsächlich scheint die Sorge des irakischen Außenministers nicht unbegründet zu sein. Präsident Bush hatte sich jedenfalls auf dem Nato-Gipfel in Prag durchsetzen können, so dass eine schnelle Eingreiftruppe zumindest beschlossen wurde, die Nato-Mitglieder voll hinter der Irak-Resolution stehen und Kritiker eines möglichen Militärschlags wie Deutschland sich nur noch zurückhaltend äußern (Das ist doch der Gipfel!). Dafür rief Präsident Bush schon in Rumänien indirekt zum Sturz des Tyrannen im Irak auf und zog wieder den Vergleich zum Kalten Krieg, in dessen manichäischer Welt Bush und seine Regierung ihre Orientierung gesucht und bislang erfolgreich gefunden haben. Die Rumänen, so Bush am 23. November, wissen den Unterschied von Gut und Böse (wie er selbst), weil sie "das Gesicht des Bösen" gesehen haben:

"Die Menschen von Rumänien verstehen, dass aggressive Diktatoren nicht befriedet oder übersehen werden können, man muss ihnen stets Widerstand leisten. Ein aggressiver Diktator herrscht jetzt im Irak."

Bush versprach den Rumänen durch den Beitritt in die Nato größere Sicherheit, aber zugleich die Teilnahme am Krieg gegen die ihren Willen mit "Angst und Mord" durchsetzenden "Fanatiker", unter denen die Welt genug gelitten hätte. Die "Nato und die zivilisierte Welt" greifen die "neuen Feinde der Freiheit" an. Bush verspricht Sieg auf der ganzen Linie und macht deutlich, dass die USA zur Befreiung der Welt durch die Beseitigung von Hussein antreten werden, falls dieser die Resolution verletzt.

Was ist ein Beweis?

Dass die Bush-Regierung darauf setzt, ist zwar ein offenes Geheimnis, doch ausgesprochen wurde dies, nachdem man sich zur Zusammenarbeit mit der UN entschlossen hatte, nur von einem der Regierung Nahestehenden. Bei einem Besuch in Großbritannien sagte Richard Perle, Vorstand des Defense Policy Board und einflussreicher Berater der Regierung, auch eine Bestätigung der Waffeninspektoren, dass keine Waffen gefunden werden konnten, keinen Freibrief für Hussein darstelle:

"Ich kann nicht sehen, wie Hans Blix mehr feststellen kann, als er wissen kann. Alles, was er wissen kann, sind die Ergebnisse seiner eigenen Nachforschungen. Und dies beweist nicht, dass Saddam keine Massenvernichtungswaffen besitzt."

Es war zu vermuten, dass die Frage des Beweises zu einem Streitpunkt werden dürfte. Und man wird davon ausgehen können, dass die Argumentation bei Bedarf mit sophistischer Spitzfindigkeit geführt werden wird. Einen Vorgeschmack dessen hat der Alpha-Falke Perle bereits vorgeführt:

"Gehen wir einmal davon aus, dass wir jemanden finden, der an der Entwicklung von Waffen beteiligt war und der sagt, dass es Lager mit Nervengift gibt. Aber man kann sie nicht finden, weil sie so gut versteckt sind. Muss man wirklich das Nervengas in Händen halten, um überzeugt zu sein? Wir haben es nicht mit einer Situation zu tun, in der man Kooperation erwartet."

Das scheint auf beiden Seiten zuzutreffen. Und die theoretischen (und auch praktischen) Möglichkeiten, etwas in einem Land von 430.000 Quadratkilometern zu verstecken, sind tatsächlich groß. Es gibt Gerüchte, Hussein habe biologische Waffen auf den Land 20 Meter tief in Brunnen versteckt. Chemische oder biologische Waffen könnten sich unter Gebäuden oder künstlichen Seen, in tiefgelegenen Bunkern oder in ganz gewöhnlich aussehenden Lastwagen befinden, die quer durchs Land fahren. Vielleicht hat er bereits Waffen außer Landes geschafft, so dass nun seine "Schläfer" nur auf den Befehl für einen Anschlag warten?

Die irakischen Flüchtlinge erzählen gerne und viel, um sich bei den Amerikanern beliebt zu machen und ihre Bedeutung zu steigern. Noch mehr Quellen werden sprudeln, wenn der militärische Schlag vor der Türe steht oder bereits begonnen hat. So berichtete etwa Khidhir Hamza vor dem Militärausschuss des US-Repräsentantenhauses, dass er, nachdem er den Irak verlassen hatte, von anderen Flüchtlingen erfahren habe, dass das Regime Menschen oft als Krankheitsübertrager eingesetzt habe:

"Im Ausland lebende Dissidenten, deren Familien noch im Irak leben, erhalten plötzlich die Nachricht, dass ihre Familien zu ihnen ziehen dürfen. Bevor sie ihre Pässe erhalten, werden sie normalerweise gegen einige Infektionen geimpft. Es gab viele Fälle von ganzen Familien, die auf diese Weise mit HIV und anderen Krankheiten infiziert wurden ... Wenn Pocken ins Ausland vom Irak aus gebracht werden sollen, dann kann man davon ausgehen, dass unwissende Träger, die vermutlich nicht einmal Iraker sein werden, zu den gewünschten Zielorten geschickt werden."

Journalisten werden auf den Krieg vorbereitet

Mit einem schönen Titel versah das Pentagon die Kurse, mit denen Journalisten auf die Kriegsberichterstattung vorbereitet werden: "Medien berichten über Medienvertreter, die lernen, über den Krieg zu berichten." Natürlich hätten die Journalisten gedacht, das geschehe in Vorbereitung auf den Irak-Krieg, dem aber natürlich mit der bekannten Phrase entgegen getreten wurde, dass noch keine Entscheidung gefallen sei.

Angeboten hat das Pentagon die Kurse für künftige Kriegsberichterstatter, nachdem Kritik laut geworden war, weil man keine Journalisten beim Einsatz im Krieg in Afghanistan zugelassen hatte. Ob das ganz anders wird im Irak, darf bezweifelt werden, aber das Pentagon sagt, dass man dies vor allem aus Vorsicht gemacht habe. Jetzt werden daher die willigen Reporter angeblich schon einmal trainiert, um im Kriegsfall sich besser schützen zu können und weniger ein Ballast zu sein. Dabei erfahren sie auch, wie gemein biologische und chemische Waffen sein können, wie man schnell Gasmasken aufsetzt oder aus Hubschraubern aus- und einsteigt. Und auch andere Strapazen machen die Medienmenschen anscheinend gerne mit, um dann auch wirklich vorne mit dabei sein können. Zum Abschluss gab es noch einen Marsch mit Gepäck, Überfällen aus dem Hinterhalt und einem simulierten Gasangriff.

Gleichwohl wird vom "Einbetten" der Journalisten gesprochen, also dass sie nicht frei herumlaufen, sondern schön im Tross dorthin gehen sollen, wo man sie haben will - und die dann auch möglichst nur Gutes über das Militär berichten.

"Wir wollen Journalisten mit uns haben, die genug Erfahrung haben, um richtig über das Militär zu schreiben, die Ränge zu kennen, die Taktiken und die Ausrüstung zu verstehen und genug Selbstschutz und Feldkenntnisse zu haben, so dass sie sich nicht selbst, die Mission oder die Marines gefährden." - Brigadegeneral Andrew Davis

Die Medienvertreter selbst würden nur gerne deutlich als Nicht-Soldaten in Erscheinung treten. "Besonders in einigen Teilen dieser Welt", so ein Journalist des Fernsehsender ABC, "glaubt man, dass die amerikanischen Medien auf der Seite des amerikanischen Militärs stehen. Ich glaube nicht, dass das stimmt, aber so wird das wahrgenommen." Wobei vermutlich auch deutliche Zivilkleidung nicht helfen dürfte, wenn die Journalisten im Gefolge und unter dem Schutz der amerikanischen Soldaten deren Kampf gegen ihre Feinde beobachten.