Der Trick mit dem NSA-Lauschgesetz

US-Regierung hat eine Falle in den Protect America Act eingebaut und sieht ihn sowieso nur als ersten Schritt an, der weiter ergänzt werden müsse

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Das Weiße Haus hat inzwischen Routine damit, einmal vom Kongress verabschiedete und vom Präsidenten unterzeichnete Gesetze noch einmal nachträglich im eigenen Sinne zurechtzubiegen. In aller Regel geht es dabei darum, dass sich US-Präsident Bush vorbehält, als oberster Kriegsherr und als Verantwortlicher der Exekutive auch Inhalte des Gesetzes außer Kraft setzen zu können (Die unbeschränkte Macht des US-Präsidenten). Beim gerade unter hohem Druck noch am letzten Sitzungstag verabschiedeten Gesetz, das die Lauschbefugnisse der NSA erheblich erweitert, ist das zwar nicht geschehen, aber man hat anders vorgesorgt.

Mit dem, auch mit Stimmen von einigen demokratischen Abgeordneten verabschiedeten Protect America Act können nun Geheimdienstmitarbeiter und nicht mehr Richter darüber entscheiden, ob Gespräche oder Internetkommunikation zwischen vermutlich im Ausland befindlichen Personen – die natürlich auch US-Bürger sein können, auch wenn immer das "Ausländische" betont wird - und Amerikanern in den USA abgehört, gespeichert und mit anderen Informationen verbunden werden können ("Protect America Act" passiert den US-Kongress). Anstatt der Richter vom Foreign Intelligence Surveillance Court haben der oberste Geheimdienstchef und der Justizminister die letzte Kontrolle. Demokratische Abgeordnete, die sich für das Gesetz ausgesprochen haben, machten geltend, dass es vorerst nur ein halbes Jahr gelten würde und dann verlängert werden müsste. Das aber trifft so nicht ganz zu.

Schon im Gesetz wurde ein kleiner und unscheinbarer Passus eingearbeitet, der zumindest für die Bush-Regierung das weitere Lauschen bis zum Ende ihrer Amtszeit sichert, auch wenn der Kongress das Gesetz nicht verlängern sollte. Alle Überwachungsaufträge, die bis zu diesem Termin begonnen wurden, können aber, wie das Center for National Security Studies befürchtet, bis zu einem Jahr danach noch gültig sein – also bis zum Ende der Präsidentschaft von Bush im Januar 2009. So heißt es ganz am Schluss des Gesetzestextes:

Authorizations in Effect- Authorizations for the acquisition of foreign intelligence information pursuant to the amendments made by this Act, and directives issued pursuant to such authorizations, shall remain in effect until their expiration. Such acquisitions shall be governed by the applicable provisions of such amendments and shall not be deemed to constitute electronic surveillance as that term is defined in section 101(f) of the Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978 (50 U.S.C. 1801(f)).

Deutlich gemacht hat der US-Präsident aber auch, dass "unsere Arbeit" mit diesem Gesetz noch nicht getan sei. Es handle sich nur um ein zeitlich begrenzt gültiges, zudem "eng" zugeschnittenes Gesetz, das nur die "unmittelbarsten Gesetzeslücken" berücksichtige. Im September müsste der Kongress nach den Ferien die anstehende Reformarbeit abschließen, die vom obersten Geheimdienstchef gefordert wurde. Dazu gehöre vor allem diejenigen, die nach den Anschlägen vom 11.9. die Nation angeblich unterstützt haben, vor Klagen zu schützen:

When Congress returns in September the Intelligence committees and leaders in both parties will need to complete work on the comprehensive reforms requested by Director McConnell, including the important issue of providing meaningful liability protection to those who are alleged to have assisted our Nation following the attacks of September 11, 2001.

Gemeint sind damit die Telekomunternehmen und Regierungsangestellten, die das vom Präsidenten angeordnete Lauschprogramm ausgeführt und dabei stillschweigend das dafür zuständige Gericht ausgeschaltet haben, meint Jack Balkin, Rechtsprofessor an der Yale University. Nach Balkin verwendete Bush das Wort "angeblich", weil sie illegal gehandelt hätten, er dies aber natürlich nicht so sagen, sondern nachträglich eine Rechtsgrundlage schaffen will, wie das Weiße Haus dies auch bei den praktizierten "besonderen Verhörmethoden" erreicht hat.

Nach Harold Furchtgott-Roth, einem ehemaligen Kommissar der Federal Communications Commission, seien die Telekommunikationsunternehmen, die den Geheimdiensten Daten übergeben haben, jetzt zwar nach dem "modernisierten" FISA-Gesetz vor Klagen geschützt, nicht aber nach anderen Gesetzen: "Das ist ein wichtiger Punkt", schrieb er, "weil die American Civil Liberties Union und andere Bürgerrechtsorganisationen viele Klagen gegen verschiedene Kommunikationsunternehmen wegen der Zusammenarbeit mit der Regierung in vielen Belangen außerhalb von FISA vorbringen."

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi hat allerdings auch gefordert, dass neue gesetzliche Grundlagen für das Abhören ausgearbeitet werden müssten, wenn der Kongress wieder seine Arbeit aufnimmt. Man habe jetzt eine Gesetzeslücke geschlossen, das Gesetz aber sei in vielen Passagen "unannehmbar". Die US-Bürger, so Pelosi, würden auch nicht die sechs Monate abwarten wollen, bis neu über das Gesetz entschieden werden muss, sondern schon zuvor auf Änderungen dringen.