Der Ukraine-Krieg als Menetekel

Seite 2: Ukraine-Krieg: Die Krise vor der Krise

Die globale Nahrungsproduktion litt bereits vor dem Ukraine-Krieg unter wachsenden Problemen, sagt Martin Banse:

Die Marktsituation insbesondere bei Weizen war schon vor Ausbruch des Krieges durch niedrige Lagerbestände und hohe Preise angespannt. Deswegen reagiert der Markt jetzt mit diesen extremen Preisausschlägen.

Die Preise für Getreide, Ölsaaten und anderen Lebensmittel erreichten zum Jahreswechsel den höchsten Stand seit 20 Jahren. Die Ursachen sieht der Agrarökonom in der wachsenden Nachfrage auf dem Weltmarkt und den hohen Kosten für Energie, Transport und Düngemittel. Ähnlich sieht es Sebastian Hess vom Institut für Agrarpolitik und landwirtschaftliche Marktlehre an der Universität Hohenheim.

Die globalen Agrarmärkte waren ohnehin seit einigen Monaten durch relative Rohstoffknappheit und steigende Preise geprägt.

Mit dem Angriff auf die Ukraine gießt das russische Regime noch einmal kräftig ins Feuer. Aber welche Ursachen hat die Teuerung auf den Energie- und Agrarmärkten? Die Covid-19-Pandemie schränkt seit 2020 die landwirtschaftliche Produktion ein und verzögert Lieferungen. Die Entwicklung geht aber über ein vorübergehendes Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage hinaus.

Zu den Preistreibern zählt die ökologische Krise, weil zunehmende Dürren, veränderte Niederschlagsmuster, Starkregen und Stürme die landwirtschaftlichen Erträge mindern. 2021 haben die Wetterextreme in zahlreichen Regionen zu schlechten Ernten geführt.

Der Klimawandel trägt auch zur Teuerung von Energie und Industrierohstoffen bei. Wegen einer starken Dürre in China mussten im Frühjahr 2021 viele Wasserkraftwerke die Produktion drosseln. Außerdem erhöhte eine ungewöhnliche Hitzewelle im Sommer den Strombedarf für Klimaanlagen. Die so entstandene Stromknappheit in China verstärkte die Nachfrage auf den Weltmärkten nach Kohle und Erdgas und trieb die Preise nach oben. Die häufigeren Wetterextreme beeinflussen schließlich die Transportkosten. All das hemmt die Produktivität im Agrarsektor, eine Tendenz, die künftig immer stärker werden wird.

Die höheren Preise für Grundnahrungsmittel und Energie beeinflussen auch die Arbeitskosten, die steigenden Kosten hemmen das Wirtschaftswachstum insgesamt. Die zunehmende Wasserknappheit verschärft übrigens auch den sogenannten Chipmangel.

Weil 2021 der Monsun in Taiwan praktisch ausfiel, sah sich die Regierung gezwungen, Wasser zu rationieren, auch für die Halbleiterindustrie, die große Mengen davon benötigt. Die taiwanesische Produktion deckt etwa zwei Drittel des weltweiten Halbleiter-Marktes. Kurz, auch die ökologischen Verwerfungen tragen zur Lieferkettenkrise bei.