Der Umweltgipfel - ein sozialistischer Trick?
Mit der Globalisierung wächst der Widerstand gegen verbindliche Umweltabkommen und werden alte Feinde beschworen.
In Kyoto geht es darum, ob die Staaten der Weltgemeinschaft dazu bereit sind, ihren Verbrauch an fossilen Energien zurückzufahren, um einer möglichen globalen Erwärmung vorzubeugen. Auch die Informationsgesellschaft existiert nicht im immateriellen Reich der Bits and Bytes, sondern verbraucht Energie, ohne die nichts geht, die aus überaus materiellen Ressourcen gewonnen wird und ebenso materielle Schadstoffe wieder in die Luft bläst. Auch bei der Herstellung von Computern und den vielen Zusatzgeräten, nicht nur beim Betrieb, werden gewaltige Mengen an Energie verbraucht. Insgesamt wächst der Energieverbrauch weltweit rasant, von einer Entlastung durch die Digitalisierung ist jedenfalls nichts zu spüren.
Die überwiegende Zahl der Wissenschaftler ist davon überzeugt, daß die Menschen Einfluß auf das Klima haben, auch wenn es niemand wirklich beweisen kann und die Simulationen der künftigen Entwicklung umstritten sind. Die Konzentration auf die Klimakatastrophe, die noch in ferner Zukunft steht, sich nicht merklich über Katastrophen auswirkt und die Generation der jetzt Lebenden nicht mehr trifft, läßt die Bedeutung in der Aufmerksamkeit sinken, zumal im Prozeß der Globalisierung die Umwelt derzeit kein großes Gewicht mehr besitzt und die Auswirkungen einer ökologischen Umstellung der Technik ökonomisch nicht wirklich erwogen werden.
Viele fürchten, daß durch ein Abkommen das wirtschaftliche Wachstum gedrosselt werde. Daher wächst der Widerstand gegen etwaige Abmachungen zum Schutz des Klimas. In der Pflicht stünden vor allem die Industriestaaten, die am meisten Energie verbrauchen. Besonderes Augenmerk richtet sich allerdings auf die USA, die bislang ein Abkommen verhindert haben. In den USA - "Weltmeister der Energieverschwendung" (Spiegel) - wird ein Viertel der gesamten Emissionen vor allem durch den Verkehr und die Gebäude produziert. Energie ist so billig, daß sie kein Thema ist, der Treibhauseffekt so abstrakt, daß sich wenige Menschen wirklich Sorgen machen.
Die Clinton-Regierung hat zwar jetzt den lauen Vorschlag gemacht, bis in 15 Jahren den Ausstoß von Klimagasen auf den Stand von 1990 zu stabilisieren, aber nur dann, wenn sich auch Entwicklungsländer wie Indien oder China zum Klimaschutz verpflichten. Damit allerdings wird ein Scheitern bereits vorprogrammiert, was der amerikanischen Regierung wahrscheinlich passen würde, weil sie stark unter Druck steht. Eine mächtige Allianz aus Industrie und Politik warnt vor den wirtschaftlichen Folgen, die mit einer Reduzierung des Energieverbrauchs einherginge. Pete du Pont, ein ehemaliges Kongreßmitglied der Republikaner und früherer Gouverneur von Delaware, der jetzt Herausgeber der Zeitschrift IntellectualCapital ist, sieht gar in der Beschwörung des globalen Treibhauseffektes ein Manöver der Sozialisten: Kyoto's Scary Scenarios. Nachdem alles nicht genutzt habe, die Bevölkerungsexplosion sich aufgelöst, die Hungerkatastrophe sich nicht eingestellt und die Ankündigung einer Eiszeit sich nicht bewahrheitet habe, würden sie unbeirrt - trotz des Triumphes des demokratischen Kapitalismus über den Staatssozialismus - weiter ihren Kampf führen. Käme es zu einem Abschluß, so der rechte Verschwörungstheoretiker, würde man "Regierungsmacht in die Hände von unbelangbaren internationalen Bürokraten legen, das Wirtschaftswachstum aller Industriestaaten beschränken und den Reichtum von den entwickelten zu den unterentwickelten Ländern überführen, so daß wir alle gleicher würden." Und das geht natürlich nicht.
Es gehe auch gar nicht darum, ob die Klimaerwärmung nachweisbar sei - und das ist sie für du Pont ganz entschieden nicht -, die "Kyoto-Sozialisten" haben als unausgesprochenes Ziel nur eines im Auge: "unser Wachstum zu beendigen und unsere wirtschaftliche Macht zu begrenzen." Und das unterschreiben dann Clinton und die liberalen Politiker. Folge wäre, daß etwa die Kosten für Öl und Kohle steigen würden, was die US-Wirtschaft schädigen und zu Millionenverlusten bei den Arbeitsplätzen führen würde. Andere Staaten würden hingegen keine Auflagen hinnehmen müssen, weswegen es letztlich nicht um die Reduzierung der Schadstoffe, sondern um die Umverteilung des Reichtums ginge.
Die meisten Leserbriefe zu diesem denkwürdigen Beitrag bestätigen dessen Sicht. So schreibt denn etwa ein Conrad Meier: "Das Umweltproblem hat mehr mit der Regierungskontrolle über unser Leben, als mit der Verbesserung unserer Lebensqualität zu tun." Und ein anderer ruft aus: "Der Sozialismus ist ein Übel." Man braucht ihn also wieder und findet ihn in der Umweltpolitik, dem letzten Schlupfloch für die ewigen Verteidiger des Status quo gegen die gefürchtete staatliche Bevormundung der individuellen Freiheit und des freien Marktes.