Der chinesische Gene-Editing-Tabubrecher ist untergetaucht oder isoliert worden
Regierung und Universität wollen mit seinen Experimenten nichts zu tun haben, es bleiben Zweifel
He Jiankui, der Wissenschaftler von der Südlichen Universität für Wissenschaft und Technik (SUSTC) , der auf seinem YouTube-Channel verkündete, die ersten mit Gene Editing veränderten Kinder geschaffen zu haben (Erste Kinder angeblich geboren, die mit Gene Editing behandelt wurden), ist nach weltweiter Kritik untergetaucht oder verschwunden. Nach Gerüchten soll der "chinesische Frankenstein" festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden sein.
Staatliche Behörden hatten das angeblich eigenmächtige Vorgehen gerügt und behauptet, nichts von den Experimenten gewusst zu haben. Das Wissenschafts- und Technikministerium hat eine Untersuchung angekündigt und angeordnet, Forschungen einzustellen. Eine Sprecherin seiner Universität sagte SMCP etwas windelweich: "Jetzt ist keine Information genau, nur die offiziellen Kanäle sind dies." Man könne die Fragen jetzt nicht beantworten, würden aber Neuigkeiten über die offiziellen Kanäle mitteilen. Angeblich wurde He Jiankui, nachdem er letzte Woche auf dem Zweiten Internationalen Gipfel zum menschlichen Genome Editing in Hongkong aufgetreten war, vom Präsidenten seiner Universität nach Shenzhen zurückgebracht und zu Hausarrest verdonnert.
Seine Universität hatte sich deutlich von ihm distanziert. Die Universität sei "zutiefst schockiert", die Forschung sei außerhalb des Campus durchgeführt und ohne Wissen und Genehmigung der Universität durchgeführt worden. Überdies sei er seit Februar 2018 beurlaubt. Betont wird, dass die Forschung der Universität mit der internationalen akademische Ethik übereinstimmen müsse.
Allerdings hatte der Wissenschaftler Genehmigungen für die Gene-Editing-Experimente an Menschen von der Ethik-Kommission der Universität auf seiner Website ebenso verlinkt wie die Aufklärung der Eltern, um deren Zustimmung zu erlangen. Auffällig ist, dass die Genehmigungen auf der Website Chinese Clinical Trial Registry (ChiCTR), auf der alle genehmigten Versuche aufgelistet werden, gerade nicht mehr zu finden sind. Auch seine Website www.sustc-genome.org.cn/ ist derzeit nicht aufrufbar. Ist hier eine Säuberungsaktion im Gange?
Man könnte den Verdacht hegen, dass He Jiankui mit offizieller Unterstützung aber nicht im Namen des Forschungsministeriums und der Universität einen Testballon starten wollte, wie in der wissenschaftlichen Welt und der Politik der Tabubruch ankommt, mit der Genschere CRISPR/Cas9 gezielt in die Keimbahn menschlicher Embryonen im Rahmen einer In-Vitro-Fertilisation (IvF) einzugreifen. Der Forscher hatte angeblich ein Gen verändert, um die Kinder vor Aids zu schützen. Seine verkündete Vision ist es, Erbkrankheiten und andere Krankheiten mit dieser Methode, deren Folgen noch völlig unabsehbar sind, zu verhindern: "Jeder soll frei von Erbkrankheiten sein." Es ist ein gewaltiger Markt, der mit dieser Technik und ihren Versprechungen, nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei deren Kindern Krankheiten zu verhindern oder bestimmte Eigenschaften an- oder ausschalten zu können.
He Jiankui veröffentlichte auch eine Ethik des Gene Editing. Genchirurgie dürfe nur bei Familien eingesetzt werden, die wegen eines kaputten Gens, Unfruchtbarkeit oder einer verhinderbaren Krankheit in Not sind. Sie dürfe "niemals für Ästhetik, Verbesserung oder Geschlechterwahl" eingesetzt werden. Dass hier der Wissenschaftler nicht ganz isoliert gehandelt haben könnte, ließe sich daraus schließen, dass Anfang November, kurz vor der Erfolgsmeldung von He, das Ergebnis einer Umfrage veröffentlicht wurde, nach der mehr als 60 Prozent der Chinesen die Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Gene Editing befürworten. Die Meisten seien dafür, Gene Editing zu erlauben, und zwar für ein großes Spektrum: neben erblichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Korrektur von krebsverursachenden Mutationen auch zur Verlängerung der Lebensspanne und zur Bekämpfung des Demenzrisikos. Auch der Schutz vor einer HIV-Infektion wird hier benannt.
Als Ergebnis der Umfrage wird der Schluss gezogen, dass die Forschung mit Gene Editing in China "nicht nur ein vielversprechendes Potential" habe, sondern auch "den Bedürfnissen der Menschen" entspreche. Wir hatten schon nach Ankündigung der Geburt angeblich gesunder genveränderter Kinder vermutet, dass es um eine Art Test gehen könne. Die Regierung könne Gene Editing beim Menschen erlauben und fördern, aber nicht-therapeutische Anwendungen wie die Verbesserung des IQ verbieten, um China als Vorreiter den Markt zu sichern. Nach der weltweit, aber auch in China heftigen Ablehnung will man nun möglicherweise damit nichts mehr zu tun haben, um nicht als Paria zu erscheinen und wissenschaftlich geächtet zu werden.
He Jiankui hat auch die Firma Direct Genomics gegründet, die eng mit Gene Editing zusammenhängt. Er hat mit seinem Team eine Gensequenzierungstechnik entwickelt, die die Kosten deutlich - angeblich um 90 Prozent - senkt und zugleich genauer und schneller als andere Techniken und Voraussetzung für Gene Editing ist. 2015-2016 hatte er dafür vom Staat fast 6 Millionen US-Dollar als Förderung erhalten.