Der deutsche Erfolg, das niederländische Problem und das amerikanische Desaster
Leise dreht sich die moderne Windenergieanlage
Wie wir im letzten Artikel (Die Windenergieanlage als Vogelfalle) gesehen haben, sind Windanlagen weder gefährlich für Vögel, noch ist die Windenergie selbst teurer als die fossile Konkurrenz. Aber es bleiben noch zwei häufige, etwas subjektivere Vorwürfe: Windanlagen seien laut und hässlich. Sind sie also schlecht für die Menschen?
Die Verlangsamung der Rotorblätter von Windanlagen, die sowohl dem Vogel- als auch dem Lärmschutz dient, hatte einen positiven Nebeneffekt: Die Windanlagen wurden leiser, denn der Lärm von Windanlagen wird vor allem von der Spitze der Rotorblätter erzeugt. Nachdem man festgestellt hatte, dass der Energiegewinn bei Anlagen mit 3 Rotorblättern bei geringeren Umdrehungen besser war als bei Anlagen mit nur 2 Rotorblätter - weshalb man heute fast nur 3-Blatt-Rotoren sieht -, wurden Windanlagen entwickelt, deren Rotorblätter verstellt werden können, um die optimale Umdrehung (und daher einen besseren Energiegewinn) bei wechselnden Windstärken zu erreichen.
Der große Durchbruch kam 1992, und zwar aus Deutschland. Die Firma Enercon entwickelte eine getriebelose Windanlage, die robuster, leistungsfähiger und leiser war als alles, was man bis dato gesehen hatte: die E-40. Lärm und Energieverluste vom Getriebe gehörten nunmehr der Vergangenheit an.
Heute hört man eine Windanlage in der Nähe einer Straße vor lauter Straßenlärm nicht - und das schon seit einigen Jahren, wie die Webseite der dänischen Windenergieindustrie klar macht: Eine Studie über die F&E-Aktivitäten der dänischen Hersteller von Windkraftanlagen aus dem Jahre 1995 zeigte, dass mechanischer Schall von keinem Erzeuger mehr als Problem betrachtet wird. Daher wird in diesem Bereich keine Forschung mehr betrieben.
Man muss Windanlagen deshalb nicht mitten in Wohnvierteln aufstellen, denn manche Menschen scheinen von einem tiefen Gebrumm von modernen Windanlagen gestört zu werden. Außerdem ist der flackernde Schatten der sich drehenden Rotorblätter ein Grund, weshalb man keinesfalls Windanlagen direkt südlich von Gebäuden aufstellen sollte. Aber heutige Windanlagen sind so leise, dass man in den Niederlanden, wo kaum noch Platz für neue Windparks vorhanden ist, nach Wegen sucht, kleinere Windkraftanlagen und Architektur zusammenzubringen.
Zwar wird man keine 60 m hohe Windanlagen in den Grachten von Amsterdam sehen, aber eventuell bald kleinere Modelle auf den Dächern der Stadt, die immerhin mehr Strom übers Jahr produzieren, als im Haus verbraucht wird. Und über Gebäude-integrierte Systeme denkt man nicht nur in den Niederlanden nach. Forscher von der Uni Stuttgart und das britische Rutherford Appleton Laboratory entwerfen Gebäude, die den Wind für die Rotoren konzentrieren. Erste Versuchsmodelle sind schon gebaut.
Ästhetische und politische Entscheidungen
Ob kleinere Windenergieanlagen den Einzug in die Stadt schaffen, hängt nicht zuletzt vom Empfinden der Menschen ab. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, aber es ist keineswegs klar, dass die meisten Menschen Windanlagen unattraktiv finden. Im Gegenteil, überall auf der Erde scheint eine klare Mehrheit Windanlagen attraktiv zu finden: von Australien, wo die Windanlage auf der Insel Rottnest zu einer Touristenattraktion werden könnte, über Nordamerika, wo Windanlagen im Gegensatz zu Hochspannungsmasten keinen negativen Einfluss auf Grundstückspreise haben, bis nach Deutschland, wo verschiedene Studien seit Jahren wiederholt gezeigt haben, dass rund 80% der Menschen Windanlagen in ihrer Nähe positiv gegenüber stehen. Selbst in den USA will eine überwiegende Mehrheit ihre Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen, wie eine Umfrage im Februar 2003 in Colorado/USA zeigte - ganze 82% insgesamt, wobei die Windenergie mit satten 37% an erster Stelle lag.
Wir dürfen uns dabei nicht von Vorwürfen beirren lassen, dass diese Anlagen nicht zur "Kulturlandschaft" gehören, wie dies im Schwarzwald von manchen behauptet wird - ausgerechnet da, wo man große Schneisen im Wald für Skipisten geschlagen hat. Der Freiburger Landrat Jochen Glaeser spricht sogar im Lande des Spargels von einer "Verspargelung der Landschaft". Dabei hat just im Oktober 2002 eine Umfrage im Schwarzwald ergeben, dass 5 von 7 Wanderern die Windanlagen dort attraktiv finden. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass es nicht um die Wahl zwischen naturbelassenen Landschaften und Windmonstren geht, sondern um Gorleben, Garzweiler sowie den persischen Golf einerseits und saubere Windenergie und langfristige Energieunabhängigkeit andererseits. Die einzige andere Alternative wäre Energieknappheit.
Ende der 80er hatten die USA die Hälfte der installierten Windkraft weltweit. Dass die USA die Führerschaft abgegeben haben, liegt daran, dass Ronald Reagan die von seinem Vorgänger Jimmy Carter initiierten Programme hat auslaufen lassen - oder vielleicht eher: voll auflaufen lassen, wie viele der verbitterten Amerikaner sagen würden, die zusehen mussten, wie der keimenden Windindustrie in den USA Mitte der 80er der Boden entzogen wurde.
Seitdem hat sich die Windindustrie nach Dänemark und - seit Einführung des Energieeinspeisegesetzes im Jahre 1990 (d.h. von der CDU/FDP!) - nach Deutschland verlagert. Heute stehen drei Viertel der weltweit installierten Kapazitäten in Europa. Die Amerikaner können mit den Europäern in Sachen Windenergie überhaupt nicht mehr mithalten, weshalb sie auch dazu übergegangen sind, die Technologie durch Wirtschaftsspionage zu klauen: Enercons E-40, die meistverkaufte Anlage der Welt, darf in den USA nicht verkauft werden.
Die neue dänische Regierung hat angekündigt, bis 2004 die Subventionen für Windenergie zu streichen. Damit wiederholt sie die Fehler der Reagan-Regierung. So dürfte Deutschland noch ein Weilchen als Windenergie-Land Nummer Eins gelten, und das, obwohl Deutschland gar kein besonders guter Standort für Windenergie ist (Frankreich und Großbritannien beispielsweise haben weit mehr Potential). Insgesamt wurde im Jahre 2002 in Deutschland 18% mehr "grüner" Strom als im Vorjahr erzeugt. Dabei hat Deutschland ohnehin nicht viel Auswahl, denn Öl hat das Land sowieso kaum, und die deutsche Kohle ist so teuer, dass sie ohne Subventionen nicht auskommen könnte. Und während der Wind in Frankreich und Großbritannien kostenlos weht, kosten die Anlagen schon. Und immer mehr von ihnen kommen aus Deutschland.
Craig Morris leitet Petite Planète Übersetzungen.