Der globale Süden holt auf

Der neue UN Human Development Report berichtet von einer wirtschaftlichen Dynamik in Entwicklungsländern, die künftig den Löwenanteil einer neuen globalen Mittelklasse stellen werden

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Die Welt richtet sich neu aus; der dynamische Schwerpunkt bewegt sich fort von alten Zentren der Industrienationen im globalen Norden auf Schwellen- und Entwicklungsländer, die als globaler Süden kategorisiert werden, das ist die Botschaft des neuen Human Development Report, der jährlich vom UN Entwicklungsprogramm herausgegeben wird.

Während in Europa Sparprogramme und Lähmung regieren, tut sich Enormes in Ländern wie China, Indien, Brasilien, aber auch in Mexiko, Indonesien, Bangladesch, Chile, Venezuela und afrikanischen Ländern, heißt es von Seiten der Entwicklungsbeobachter. Um dies zu untermauern, wartet man mit spektakulären, großdimensionalen Aussagen auf:

Der Aufstieg des Südens ist ohne Vorläufer, was seine Geschwindigkeit und sein Ausmaß betrifft. Noch nie in der Geschichte haben sich die Lebensbedingungen und Aussichten von so vielen Menschen auf derart dramatische Weise und so schnell verändert.

An den Reizworten, die beinahe jeder Diskussion über Wirtschaft fallen, Wachstum und Mittelschicht, werden dann die Indizien für diese rasante Entwicklung demonstriert. Während 1990 die globale Mittelklasse - dazu werden Personen gezählt, die je nach Land zwischen 10 und 100 Dollar am Tag verdienen - weltweit auf 1,8 Milliarden geschätzt wurde, mit einer deutlichen Mehrheit, die in Europa und Nordamerika lebte, wird dies im Jahr 2020 ganz anders aussehen.

Dann nämlich soll die Mittelschicht auf weltweit 3,2 Milliarden angewachsen sein und mehr als die Hälfte davon in der Großregion " Asia and Pacific" leben. Im Jahr 2030 würden sogar 80 Prozent der weltweiten Mittelklasse in den heutigen Entwicklungsländern leben und 70 Prozent des weltweiten Konsums ausmachen.

Was hier geschehe, stelle die industrielle Revolution in den Schatten, prognostiziert der führende Autor des neuen Entwicklungsberichts, Khalid Malik:

The Industrial Revolution was a story of perhaps 100 million people, but this is a story about billions of people.

Als große Faktoren für die Entwicklungsdynamik stellt der Bericht heraus, dass es in vielen Entwicklungsländern gelungen sei, wirksame Armutsbekämpfungsprogramme aufzulegen, die Bevölkerung am Wirtschaftswachstum zu beteiligen und den Gesundheitssektor zu verbessern. Eine große Rolle dabei spielen die Kommunikationsnetze, die Mobiltelefone und Internet bereitstellen, so entstehe eine neue Klasse von informierten Bürgern. Damit würden die wirtschaftliche Entwicklungssprünge ermöglicht.

Herausgehoben wird die Beteiligung der Frauen an den wachsenden Volkswirtschaften. Die Ausbildung der Frauen ist der Königsweg zu nachhaltigem Wachstum, ist einer der zentralen Botschaften. Geschlechterungleichheit sei tragisch, nicht nur weil sie Frauen von fundamentalen sozioökonomischen Möglichkeiten auschließe, sondern auch die Zukunftsaussichten einschränke.

Nicht für alle Entwicklungsländer, zu denen ja im generalisierenden Großblick des Berichts auch Länder wie China gerechnet werden, gelten die positiven Trends, es gebe Länder, wie zum Beispiel Pakistan, die in mancher Beziehung weit zurückliegen. Vielleicht hört man ja in Ländern, denen UN-Berichte seit Jahren ein Hinterherlaufen in der Entwicklung attestieren, besonders im arabischen Raum, solche Signale, die auf eine veränderte Einstellung gegenüber Ausbildung, Erziehung und die gesellschaftliche Rolle der Frau hinauslaufen.