Der große Barbie-Bluff

Bild: © Warner Bros.

Wählt Barbie FDP oder Grün? Greta Gerwigs Film ist Marketing für das neureiche-bürgerliche Milieu. Was man über diesen Film sagen muss.

Das Wort "Patriarchat" haben wir in letzter Zeit etwas zu oft gehört. Jetzt auch noch im Zusammenhang mit diesem Film. Dabei muss man schon eine gehörige Portion Zynismus in sich haben, um Greta Gerwigs "Barbie" auch noch durch philosophische Diskussionen oder Betrachtungen zur kritischen Feminismus-Theorie zu adeln.

Angemessener ist die Frage, wann Mattel endlich eine Barbie als lebensgroße Sexpuppe produzieren wird, wie immer mit angemessener Kleidung und abwaschbar?

Schon die Behauptung, die auch der Film reproduziert, dass Barbie alles werden könnte, ist ja gelogen. Denn tatsächlich gibt es bis heute nicht nur keine "Prostituierten-Barbie" und "Sexworkerin-Barbie", sondern auch keine "Ladenkassiererin-Barbie", "Telefonistinnen-Barbie".

Das wäre nämlich wirklich politisch und vielleicht sogar feministisch. Auch eine Alice-Weidel-Barbie oder eine Barbie im Greta-Thunberg-Outfit, dann sogar mit Segelboot, das wäre mal was.

Aber Barbie wählt FDP, denn sie will vor allem Spaß im Leben. Und ab und zu Grün, denn sie mag Tiere und ist manchmal sehr achtsam und zu allen nett.

Barbie (15 Bilder)

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Barbie hat nur Berufe, die "in" sind, oder sexy, vor allem aber bürgerlich und "nouveau riche". Gelegentlich streift man den englischen Landadel, und ein "Gauland-Jacket" hatte Barbie, als der damals noch CDU-Büroleiter und Redenschreiber des hessischen CDU-Ministerpräsidenten war, schon in den 1980er-Jahren.

Denn auch ein bemühter Dietmar-Dath-Artikel, der die Dath-Matrix über eine ganze Seite auf "Bilder und Zeiten" mit gewohnt schwurbeligem Ergebnis auf die Mattelplastikpuppe legt, wie die meisten Dath-Texte irgendwie sehr intelligent und irgendwie sehr, sehr nichtssagend, kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie leer und plastikhaft dieser Film eigentlich ist.

Man wundert sich eher, warum herausragende Autoren ihre Energie, ihre Zeit und vor allem ihren Hirnschmalz nicht auf sinnvollere Objekte verwenden.

Und eine 53-minütige arte-Dokumentation von Nicola Gräf, die immerhin in München mal Philosophie studierte, kann den Gedanken nicht übertünchen, dass hier nur wieder eine kapitalistische Wunschmaschine den fünften Gang eingelegt hat.

"Barbie - Die perfekte Frau?" heißt es da und der Text zum Phänomen Barbie behauptet: "Sie ist divers und inklusiv. Keine wird so geliebt und gehasst."

Egal, was man tut: Es hilft nur dem Marketing von Mattel

Johanna Adorjans gewohnt sehr kluge Betrachtungen in der Süddeutschen Zeitung sind der einzige Text, der klarmacht: Lasst den ganzen Unsinn. Egal, was man tut: Es hilft nur dem Marketing von Mattel.

Trotzdem: Man hätte sich mehr erwartet von diesem Film. Aber vielleicht ist das schon der Fehler. Denn was will man im Ernst eigentlich von so einem Film erwarten, nachdem man sich den einen oder anderen Trailer im Netz angeschaut hat? Und die Trailer zu "Barbie", das muss man allen sagen, die noch nicht drin waren, sind eine Ansammlung der besten Szenen des Films.

Das Schlimmste ist, dass einem zu diesem Film, auch wenn man nicht eingeschlafen ist, vor lauter Langeweile nichts einfällt. Wie bei den Puppen selbst ist die Verpackung des Films viel schöner, als das, was drin ist.

Mehr als das bekannte Märchen von der traurigen Puppe, die Mensch werden will, ist nämlich nicht drin.

Also beschreiben wir halt ...

"Barbie ist nie etwas peinlich"

Das Mattel-Logo ist das allererste, was man sieht. Alles geht dann los wie Stanley Kubricks "2001": Die gleiche Musik von Richard Strauß, die gleichen Nichtmenschen, die vor der Höhle auf irgendetwas stupide herumklopfen; in diesem Fall allerdings keine Affen, sondern Kleinkinder, Mädchen.

Helen Mirren als Erzählerin sagt shakespearehaft aus dem Off Sätze, die sich in etwa so anhören:

Seit Anbeginn der Zeit spielten Mädchen mit Puppen. Genau gesagt mit Babypuppen, die sie auf ihre Mutterrollen reduzierten. Dann kam Barbie. Barbie änderte alles. Jetzt konnten Mädchen alles sein: Präsidentin, Astronautin, Konzernchefin.

Dazu sieht man die Mädchen von vorher, wie sie ihre Babypuppen zerstören und unter ihnen steht eine überlebensgroße Barbie, äh Margot Robbie.

Das mit der Präsidentin ist Fake-News, aber so genau muss man es nicht nehmen. Auch sonst schleichen sich in die perfekte Barbie-Welt schnell Irritationen ein: Gibt es eine Behinderten-Barbie im Rollstuhl? Eine Schwangere? Eine Fette? Eine Trash-Barbie und Weird-Barbie?

Nachdem der erste Tag ein perfekter Tag war, ist schon am zweiten Tag alles anders: Die Milch ist sauer, der Frühstückstoast ist verbrannt, und es gibt ein Hund, der in die Barbie-Häuser kackt. Es gibt Probleme.

"Barbie ist nie etwas peinlich" erfahren wir noch. Aha!

Frauenreflexe

Warum stört es eigentlich manche Frauen so, dass Barbie einem bestimmten Perfektionsideal entspricht? Wem soll sie denn sonst entsprechen? Vielleicht einem anderen Perfektionsideal, darüber könnte man debattieren, aber unperfekt geht nicht.

Im Film gibt es einmal den Witz, man könnte eine "Ordinary-Barbie" machen. "Schreckliche Idee", sagt der CEO von Mattel, "die wird niemand kaufen". Die Idee des Außergewöhnlichen und der Glaube an seine Kraft sind die Antriebsfedern jeder Kunst und jeder Unterhaltung, ob Industrie oder nicht.

Das, was die Popkultur des Massenzeitalters dem hinzugefügt hat, das ist der schmale Grat zwischen Verherrlichung und Verachtung, den wir Ironie nennen.

Besonders ironisch ist dieser Film aber nicht, er tut nur so.

Vielleicht ist Greta Gerwig auch ein bisschen überschätzt? Jedenfalls ist sie wie Barbie sehr bürgerlich

Vielleicht – man wird ja mal fragen dürfen – ist Greta Gerwig auch ein bisschen überschätzt? Vielleicht mögen wir sie einfach so sehr, dass wir nicht mehr die gebotene minimale kritische Distanz zu ihr haben, ohne die man auch nicht mehr loben kann, sondern zum Fan wird.

Weil Greta Gerwig sehr wohlerzogen ist, sehr klug, gut aussieht, aber nicht zu gut, gebildet ist, weiß und bürgerlich. Weil sie bestimmt ihre Zahnbürsten ordentlich aufstellt und Bio-Zahnpasta benutzt. Weil sie einfach perfekt ist, auch noch da, wo sie nicht perfekt ist.

Weil sie alles in allem dem Wertekanon von Berlin-Mitte und damit der Republik so gut entspricht, wie sonst nur Annalena Baerbock und man solche Leute eben auch dann nicht kritisieren möchte, wenn sie es vielleicht verdienen, weil man sich freut, dass sie überhaupt mal da sind. So geht es aber nicht. Der Verbrecher hat ein Recht auf seine Strafe und der Künstler hat ein Recht auf Kritik.

Man muss Schwachsinn Schwachsinn nennen, wenn er es ist. So wie dieser Film. Ein einziger ganz schlimmer Schwachsinn, ein langweiliger, zutiefst öder Käse. Genau das Kino, wegen dem man nie Filmkritiker geworden ist, weil es auch formal nicht interessant ist und die Ausstattung nur einfach aus Fiftie Shades of Rosa besteht, was bestimmt mache für genial halten, aber ...

Welche Handlung?

Und die Handlung? Welche Handlung?