Der "lange Krieg" wird teuer
Während die US-Regierung die Militärausgaben senken will, fordert der Personalchef der U.S. Army 40 Milliarden Dollar mehr oder eine Begrenzung der militärischen Einsätze im "globalen Krieg gegen den Terrorismus"
Der unter Verschluss gehaltene Geheimdienstbericht NIE über die Situation im Irak scheint, wie Informanten berichteten, eigentlich nur eine Erkenntnis auszusprechen, die lange bekannt, aber nun offiziell ist: Der Krieg im Irak hat den Terrorismus gestärkt ("Der Irak-Krieg hat es schlimmer gemacht"). Das ist kurz vor den Wahlen ein herber Schlag für das Weiße Haus und die Republikaner, da deren Slogan stets war, dass der Einmarsch in den Irak die Welt sicherer gemacht habe. Dazu kommt, dass nun die U.S. Army viele Milliarden Dollar mehr als vorgesehen verlangt, um den Einsatz im Irak und weltweit im „langen Krieg“ aufrechterhalten zu können.
Republikanische Politiker sind bereits dem Weißen Haus zu Hilfe geeilt. Dabei folgen sie der seit einiger Zeit vorgegebenen Argumentation, dass ein Abzug aus dem Irak den islamistischen Terror weiter stärke und die primäre Front im Krieg gegen den Terrorismus im Irak liege. Sollte man hier nachgeben, würden die Terroristen auch in die USA vordringen. So meinte etwa Senator John McCain, dass die Situation viel schwieriger würde, wenn sich die USA aus dem Irak zurückziehen. Es handle sich um einen „ideologischen Krieg“, der überall stattfinde. Der republikanische Mehrheitsführer Bill Frist meinte, dass man den Krieg, wenn man ihn nicht im Irak gewinnt, in den USA geführt werden müsse. Das Weiße Haus selbst lehnte bislang einen Kommentar ab, weil man zu geheimen Berichten keine Stellung nähme, wies aber die Darstellung in der New York Times als unzutreffend zurück.
In der US-Bevölkerung geht die Zustimmung zum Irak-Krieg weiter zurück. Die Stimmung dürfte sich verstärken, wenn der Krieg noch mehr Geld kosten wird. Bislang hat die US-Regierung die Kriegskosten im Pentagon-Haushalt und in Nothaushalten versteckt, mit denen seit 2001 400 Milliarden US-Dollar zusätzlich für die Truppen bewilligt wurden. Für das Haushaltsjahr 2008 fordert nun General Peter J. Schoomaker, der Personalchef der Army, über die vom Verteidigungsministerium hinaus angesetzten 114 Milliarden US-Milliarden insgesamt 139 Milliarden. Das sind 40 Milliarden mehr als die 98 Milliarden, die die Army dieses Jahr hatte. Die 500.000 Soldaten der Army seien durch die Kriegseinsätze zu stark belastet, auch für die Ausrüstung steigen die Kosten, nächstes Jahr sind für Reparaturen und Ersatz über 17 Milliarden US-Dollar, für die nächsten drei Jahre über insgesamt über 50 Milliarden von der Army veranschlagt. Die geplante Modernisierung etwa durch das umstrittene Future Combat System geht daher höchst langsam voran.
Schoomaker hat, um Druck auszuüben, den Haushaltsplan nicht wie vorgesehen zum 15. August eingereicht. Er fordert entweder eine Reduzierung der Einsätze oder die Aufstockung der Gelder Die US-Regierung hat seit 2001 den Rüstungshaushalt jährlich um 5 Prozent anschwellen lassen, sucht nun aber die Kosten zu dämpfen, weil die stetig steigenden Ausgaben politisch vor den Wahlen nicht mehr durchzusetzen sind. Der Verteidigungshaushalt für das Jahr 2007 ist noch nicht vom Kongress verabschiedet. Das Pentagon will 440 Milliarden und zusätzliche 50 Milliarden für den Kriegseinsatz. Vermutlich wird man auch diese Entscheidung so lange hinausziehen, bis die Wahlen vorüber sind.
In der Army weiß man, dass in der Vorwahlzeit der Vorwurf, die Truppen würden für den von der Regierung zu verantwortenden Krieg nicht genügend Mittel erhalten, von der Opposition ausgenutzt werden kann. Verteidigungsminister Rumsfeld, sowieso schon unter wachsender Kritik, versucht die Verhandlungen hinauszuschieben. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die nun den Forderungen der Army Rückhalt gegeben hat. Jetzt soll das Weiße Haus entscheiden.
Dort steht man in einem Dilemma. Eigentlich war vorgesehen, in diesem Jahr 30.000 Soldaten aus dem Irak abzuziehen und den irakischen Sicherheitskräften mehr Aufgaben zu übertragen. Teile des Landes – wie die Provinz Anbar oder Diyala, vom Independent bereits Taliban Republic genannt - versinken jedoch immer weiter im Chaos und in Gewalt zwischen den Bevölkerungsgruppen, so dass nun keine Truppen abgezogen werden können, sondern die Zahl der Soldaten weiter aufgestockt werden müsste. Das betrifft vor allem die Army. Die hat zwar dieses Jahr trotz der drohenden Einsätze ihr Rekrutierungssoll von 80.000 neuen Soldaten erfüllt. Allerdings wurde dazu das Eintrittsalter von 35 auf 42 angehoben, während die Anforderungen nach Leistungstests gesenkt wurden und manche Vorstrafen kein Hinderungsgrund mehr sind. Zudem wurden die Prämien erhöht, die Werbung verstärkt sowie die Zahl der Rekrutierer vermehrt.
General Barry R. McCaffrey forderte, die Truppenstärke von 500.000 mindestens um 80.000 Soldaten anzuheben. Im Augenblick wären für Einsätze in neuen Krisengebieten höchstens 10.000 Soldaten bereit, so ein Army-General gegenüber der New York Times. In der Army werden Stimmen laut, die fehlenden Soldaten im Einsatz von den Nationalgarden zu holen. Bei diesen gibt es aber sowieso schon Unruhe, da sie bereits häufig zu Einsätzen in Afghanistan und im Irak herangezogen wurden. Aber auch dann müssten zusätzliche Milliarden Dollar locker gemacht werden.