Der lettische Zentralbankchef und das unbeliebte Geld aus dem Osten
- Der lettische Zentralbankchef und das unbeliebte Geld aus dem Osten
- Vorwürfe gegen Russland auf dürrer Grundlage
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Rimsevics lehnt einen Rücktritt ab, obwohl ihn das lettische Parlament dazu aufforderte. Derweil vertreiben die USA mit dem Kampf gegen Geldwäsche Kunden aus GUS-Staaten, die bislang Milliarden in Lettland anlegten
Die EZB verbot Ilmars Rimsevics letzte Woche, sein Amt auszuüben, solange die Korruptionsvorwürfe gegen ihn nicht geklärt sind. In der Saeima-Sitzung folgten die Parlamentarier mehrheitlich dem Antrag von acht Vienotiba-Abgeordneten. Ein Verbleiben im Amt schade dem internationalen Ansehen Lettlands - unabhängig davon, ob sich die Korruptionsvorwürfe als berechtigt herausstellen werden oder nicht.
Rimsevics ist aber am Beschluss der Saeima nicht gebunden. Bislang verteidigt er energisch sein Amt, den Rücktritt wertet er als Ziel seiner Feinde, die er unter jenen Bankern vermutet, die in Geldwäsche verwickelt sind und sich gegen verstärkte Kontrollen ihrer Kreditinstitute zur Wehr setzen.
Rimsevics machte bislang in der Öffentlichkeit einen korrekten Eindruck, illegale Machenschaften wären eine Überraschung. Unbeliebt ist Rimsevics als monetaristischer Wasserprediger: "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt", bekundete der üppig bezahlte Banker vor deutschem Publikum. Fragt sich, wer mit "wir" gemeint ist. Jeder fünfte lettische Einwohner war 2015 armutsgefährdet, ein Jahr zuvor betrug das durchschnittliche Bruttoeinkommen der Letten 812 Euro brutto, davon gingen noch Flattax und Sozialabgaben ab.
Rimsevics und die Antikorruptionsbehörde KNAB
Als Rimsevics am 17. Februar von einer Auslandsreise zurückkehrte, hatten Fahnder der Antikorruptionsbehörde KNAB sein Haus und seinen Arbeitsplatz in der Zentralbank (Latvijas Banka) durchwühlt. Er begab sich umgehend ins KNAB-Büro, wo er für 48 Stunden festgenommen wurde.
KNAB hat bislang nur Weniges öffentlich verlautbart. Die Fahnder werfen dem Zentralbankchef vor, Bestechungsgeld in Höhe von mindestens 100.000 Euro angenommen zu haben. Lettische Banken seien aber in diese Korruptionsaffäre nicht verwickelt. Zur gleichen Zeit nahmen die Korruptionsfahnder einen reichen Bauunternehmer fest, gegen den die Behörden schon seit Jahren ermitteln, er wird verdächtigt, EU-Fördergelder veruntreut zu haben.
Rimsevics und die ABLV-Bank
Obwohl KNAB eine Verwicklung lettischer Geldinstitute ausschloss, stellte Rimsevics auf einer Pressekonferenz, die er kurz nach seiner Freilassung gab, die Anschuldigungen als Angriff lettischer Banken auf seine Person dar. Er wies alle Vorwürfe zurück. Geldwäsche sei das größte Hindernis Lettlands gewesen, um 2014 dem Euro-Raum beitreten zu können. Seitdem werden lettische Kreditinstitute verstärkt kontrolliert.
Lettlands drittgrößte Bank, die ABLV, gehört zu jenen beargwöhnten Geldhäusern, die Kunden aus Russland und anderen GUS-Staaten anlocken. Mitte Februar hatte die US-Finanzaufsicht FinCEN der ABLV u.a. vorgeworfen, an nordkoreanischen Offshore-Geschäften beteiligt zu sein, mit denen Kim Jong-un sein Raketenprogramm finanziere. Beweise für diese Machenschaften lieferten die Amerikaner nicht, doch US-Institutionen genießen prinzipiell lettisches Vertrauen. Infolgedessen verzeichneten die ABLV-Banker einen Kapitalabfluss von 600 Millionen Euro. Die EZB erachtete die Bank als "ausfallend" oder "wahrscheinlich ausfallend" und überließ die Abwicklung den lettischen Behörden.
Ende Februar beantragte die ABLV-Manager die Insolvenz. Zuvor hatten sie versucht, ihre Zahlungsfähigkeit, u.a. durch Verpfändung von Wertpapieren an die lettische Zentralbank, sicherzustellen. Man habe 86 Prozent der Einlagen absichern können, behauptet die ABLV auf ihrer Webseite, das hätte gereicht, um die Geschäfte fortzuführen, doch das sei "aus politischen Erwägungen" nicht gewollt gewesen.
Die ABLV gilt als Kreditinstitut mit vielen Hochrisikoklienten, also Kunden, die mit Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Offshore-Geschäften verbunden sein könnten. Die investigative Rebaltica-Redaktion hat Geldwäsche zwischen GUS-Staaten und lettischen Banken recherchiert. In mehreren Fällen war die ABLV verwickelt. Die lettische Finanzaufsicht FKTK bestrafte sie im Mai 2016 mit ihrer bislang größten verhängten Geldbuße, 3,17 Millionen Euro. Die staatlichen Finanzkontrolleure beschuldigten die Banker, die Transaktionen ihrer Kunden nicht hinreichend überwacht zu haben.
Rebaltica, dessen Recherchen von US-Fonds unterstützt wurden, hatte u.a. herausgefunden, dass moldawische Kunden ihre Offshore-Geschäfte mit der ABLV abwickelten und der ukrainische Geschäftsmann und Nachwuchsmilliardär Serhij Kurtschenko veruntreutes Geld auf ABLV-Konten in Sicherheit gebracht hatte. Doch die Bankmanager gelobten Besserung und ließen die Transaktionen ihrer ausländischen Kunden durch die US-Beraterfirmen Navigant Consulting und K2 Intelligence überprüfen, danach habe man ihre Empfehlungen umgesetzt. Insgesamt hatten US-Consultingfirmen in den letzten Jahren 14 lettische Banken mit Konten ausländischer Kunden überprüft.
Rimsevics behauptete in seiner Pressekonferenz, dass er nicht zufällig zum Zeitpunkt der ABLV-Pleite festgenommen worden sei. Die Führung der ABLV habe der Zentralbank die Schuld gegeben und eine Milliarde Euro von ihr gefordert. Doch diese Summe habe Rimsevics nicht auszahlen dürfen, das hätte den Richtlinien widersprochen. Der Zentralbankchef wies zudem darauf hin, dass er vielen im Lande unbequem werde und Morddrohungen erhalte.
Rimsevics und die Norvik-Bank
Eine weitere Affäre spinnt sich um Rimsevics und die Norvik-Bank. Deren Besitzer Grigori Guselnikov, ein russischstämmiger Geschäftsmann mit britischem Pass, belastete in einem Interview mit Associated Press (AP) Rimsevics Mitte Februar schwer. Der Zentralbankchef habe seit 2015 von ihm regelmäßig Bestechungsgeld gefordert und zur Geldwäsche angestiftet, so seien die lettischen Spielregeln. Guselnikov habe sich solchen Angeboten verweigert, deshalb sei der Druck der lettischen Finanzbehörden auf seine Bank erhöht worden.
Zudem behauptete AP, dass Rimsevics seit 2010 mindestens acht Mal nach Russland gereist sei und veröffentlichte in diesem Zusammenhang ein Foto, das in diversen Zeitungen um die Welt ging: Es zeigt Rimsevics in einer geselligen Runde mit russischen Vertrauten in einer Holzhütte, unter ihnen befindet sich Dmitry Pilshchikov, er war einst Chef des Research Institute of Information Technology, einer russischen Rüstungsfirma, die auf der Sanktionsliste der USA steht. Rimsevics behauptete, dass dieses Foto eine Fälschung ist. Eine Bildmanipulation konnte das Nato-Kompetenzzentrum für strategische Kommunikation (COE Stratcom), das sich in Riga befindet, bislang allerdings nicht nachweisen.
Für Rimsevics ist die Norvik-Bank eine "traurige Geschichte" und Guselnikov ein "Märchenerzähler". Seitdem der Londoner Geschäftsmann das Geldhaus übernahm, macht es Verluste. Er habe sich bei Rimsevics beklagt, wie schwer es sei, in Lettland Geldgeschäfte zu machen und ihn gebeten, beim Weiterverkauf der Norvik beiseite zu stehen. Doch es sei nicht Aufgabe des Zentralbankchefs, in dieser Sache Hilfe zu leisten. Nach dieser Absage habe Guselnikov Lettland vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt. In Lettland schenkt man Guselnikovs Aussagen kaum Glauben.