Der letzte Dammbruch

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Ungarns Rechtspopulisten betätigen sich im Vorwahlkampf als Avantgarde des Antisemitismus - mit Unterstützung aus Israel

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In Ungarn ist George Soros derzeit allgegenwärtig. Der jüdische Milliardär scheint sich einen ins Fäustchen zu lachen auf Plakaten, mit denen Ungarns regierende Rechtspopulisten das ganze Land zupflasterten. Die massive Propagandakampagne der rechtspopulistischen Fidesz um Premier Viktor Orban läuft unter einer Parole "Lasst Soros nicht zuletzt Lachen!".

Oberflächlich betrachtet bildet diese jüngste Kampagne nur einen weiteren Eskalationsschritt beim Kampf der ungarischen Rechten gegen liberale und jüdische Einrichtungen in Ungarn. Dem wirtschaftsliberalen Milliardär, der sich selber als Anhänger und Förderer der Offenen Gesellschaft Karl Poppers begreift werfen die ungarischen Nationalisten Einmischung in die inneren Angelegenheiten "ihres" Landes vor.

Den bisherigen Höhepunkt der großen Säuberungswelle, die Ungarns hegemoniale Rechte gegen die Überbleibsel dissidenter Kräfte losgetreten hat, bildete das im vergangenen April in Budapest verabschiedete Hochschulgesetz. Mittels eines umfassenden Maßnahmenkatalogs will die Fidesz auch die letzten liberalen Nischen im akademischen Betrieb auf die dumpfe nationalistische Linie bringen, die charakteristisch für den "illiberalen" Staat ist, den Orban ausgerufen hat.

Letztendlich waren die konkreten Maßnahmen darauf abgestimmt, die ursprünglich von Soros in Budapest gegründete Central European University (CEU) zu schließen, die bislang ihre politische Unabhängigkeit aufrechterhalten konnte. Die CEU wurde anfänglich von der Open Society Foundation des jüdischen Finanzmarktmagnaten finanziert, der sich um die Förderung der bürgerlich-liberalen Demokratie in Osteuropa bemühte (mitunter auch durch die Unterstützung der berüchtigten "bunten Revolutionen" im postsowjetischen Raum, die zugleich Hebel amerikanischer Geopolitik in der Region waren).

Das Hochschulgesetz der Fidesz schränkte de facto die Wissenschaftsfreiheit in Ungarn massiv ein, was zu Protesten im westlichen Ausland führte und die EU auf den Plan rief, die ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn anstrengte.

Das Vertragsverletzungsverfahren verschaffte nun der Fidesz die Möglichkeit, sich als Opfer mächtiger ausländischer Kräfte zu inszenieren. Der Kampf der völkischen ungarischen Rechten um die Errichtung eines autoritären Staates, bei dem letzte dissidente Nischen vernichtet werden, wird nun als ein Freiheitskampf des Ungarentums gegen eine ausländische Verschwörung dargestellt - in deren Zentrum ein Jude steht. Die Fidesz-Kampagne gegen Soros bedient in Ungarn weit verbreitete rechtsextreme Wahnvorstellungen, bei denen Hass auf bürgerliche Liberalität, Kosmopolitismus, die Brüsseler EU-Bürokratie, jüdische Finanzmarktakteure in einer paranoiden Verschwörungsideologie zusammenfließen, die ihren impliziten Antisemitismus kaum noch verbergen kann.

Im Gegensatz zu Westeuropa - und hier vor allem Deutschland - ist der Antisemitismus in Osteuropa immer noch leicht erkennbar, er wird nicht so penibel kaschiert in scheinbar berechtigten Einwänden, wie der üblichen Israelkritik, die ja auch von Ausländerfreunden der NPD praktiziert wird.