"Der letzte große Sieg der petro-chemischen Industrie"

Seite 2: "Frust und Wut"

Vorletzte Woche stand in Schleswig-Holstein das dort in Brunsbüttel geplante LNG-Terminal im Zentrum der regelmäßigen Klimaproteste der Schülerinnen und Schüler. Dazu gab es auch Unterstützung von den Vertretern der dänischen und der friesischen Minderheit,dem SSW (Südschleswigscher Wählerverband).

Fakt ist: LNG-Terminals machen uns nicht unabhängiger, sondern verlängern unsere Abhängigkeit von Gas für weitere Jahrzehnte. Wenn quer durch die Parteienlandschaft schon wieder über Laufzeitverlängerungen von AKW, unterirdische CO2-Lagern und Fracking fabuliert wird, dann kann ich gut verstehen, dass die Jugend ihren Frust und Wut auf die Straße trägt. Denn das ist nicht weniger als eine Absage die Klimaziele des Pariser Abkommens und die Erkenntnisse aus 50 Jahren Energie- und Klimadebatte. Und wohl auch der letzte große Sieg der petrochemischen Industrie.

Lars Harms, Vorsitzender des SSW im Kieler Landtag

Flüssiggas ist stark herab gekühltes Erdgas, das in Spezialtankern transportiert wird. Es kann aus der herkömmlichen Förderung stammen, wie zum Beispiel beim russischem oder auch katarischen Gas der Fall, oder auch aus sogenanntem Fracking, wie das meiste Gas aus den USA.

Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und diversen Chemikalien unter hohem Druck in den Untergrund gepresst, um gasgefüllte Gesteinsporen aufzubrechen. Die Methode ist umstritten, weil ein Teil des Chemikalien-Cocktails ebenso in die Umwelt entweicht, wie auch ein Teil des Gases. Dessen Hauptbestandteil Methan ist ein besonders effektives Treibhausgas.

Extra-Profite

Wenn der Markt für ein beliebiges Produkt eng wird, sei es, dass die Nachfrage besonders rasch ansteigt, sei es, dass es aus dem einen oder anderen Grund Lieferengpässe gibt, dann ist die Stunde für Preissteigerungen und Sondergewinne gekommen.

So auch derzeit im Energiesektor. BP hat seinen Gewinn im ersten Quartal verdoppelt, Shell und die Ölaktien sind im "Kursrausch", wie die Tagesschau konstatiert. In den ersten drei Monaten des Jahres haben allein die beiden Britischen Konzerne über zehn Milliarden Euro eingestrichen.

Natürlich könnte man diese Extra-Profite per Steuer abschöpfen, schließlich gebe es manches Loch im Staatssäckel zu stopfen. Doch derlei gilt in Deutschland, anders als in Italien und Großbritannien als Teufelswerk.

Ein Beispiel, wie diese Gewinne zustande kommen, liefert der Berliner Gasversorger GASAG. Nach Informationen der Verbraucherzentrale müssen seit Ende letzten Jahres Neukunden mehr als das Doppelte dessen bezahlen, was von Altkunden verlangt wird.

Die Verbraucherschützer suchen jetzt Betroffene von hohen Gaspreisen, die bereit sind, gegen die GASAG zu klagen. Geplant ist eine Musterfeststellungsklage, die klären soll, ob diese krasse Ungleichbehandlung noch rechtens ist.

Illegale Geschäfte

Energiepolitik ist in diesen Tagen zu einem nicht unwesentlichen Teil Außenpolitik, und die ist meist etwas komplizierter, als sich das hierzulande mancher grüner Parteigänger oder Feuilletonist so vorstellen kann. Das zeigt derzeit Algeriens Drohung, EU-Staaten den Gashahn zu sperren.

In Algier ist man nämlich not amused über die schleichende Anerkennung, die in Westeuropas Hauptstädten die marokkanische Annexion der Demokratischen Republik Westsahara findet. Der seinerzeit von der örtlichen Befreiungsbewegung, der Frente Polisario, ausgerufene Staat war kurz nach dem Abzug der spanischen Kolonialherren 1975 von Marokko und Mauretanien besetzt worden.

Der größere Teil der saharauischen Bevölkerung lebt seitdem in großen Flüchtlingslagern jenseits der Grenze im algerischen Exil. Mauretanien zog sich später zurück und überließ auch den Süden der Westsahara dem monarchisch regierten Königreich im Norden. Nur ein schmaler Streifen im Osten des Landes wird von der Frente Polisario kontrolliert.

Weltweit größtes Phosphatvorkommen

Hintergrund des marokkanischen Interesses an dem Küstenstaat sind zum einen die dortigen Phosphatvorkommen, die mit Abstand die weltweit größten sind und nun seit über vier Jahrzehnten von Marokko illegal abgebaut werden. Phosphat ist ein wichtiges Düngemittel.

Zum anderen sind die Küstengewässer der Westsahara sehr fischreich. Und schließlich ist die Region auch ein idealer Standort für Windkraftanlagen, da dort sehr stetige Passatwinde wehen.

Schon seit vielen Jahren scheren sich europäische Fischerei- und andere Unternehmen wie etwa Siemens Gamesa wenig darum, dass die lukrativen wirtschaftlichen Aktivitäten in der Westsahara illegal sind, da die Besetzung von UNO-Generalversammlung und -Sicherheitsrat in verschiedenen Resolutionen verurteilt wurde.

Aus für AKW-Bau

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: Der Bau des finnischen Atomkraftwerks Pyhäjoki im Norden des Bottnischen Meerbusen wurde gestoppt, wie die schwedisch-sprachige Nachrichtenplattform svt Nyheter berichtet.

Bauherr Fennovoima habe seine Lieferverträge mit der russischen Firma Rosatom gekündigt. Als Gründe seien Lieferverzögerungen und der Ukraine-Krieg angegeben worden. Zuletzt habe es in der Regierung in Helsinki Widerstand gegen das Projekt gegeben, da man sich aus der Abhängigkeit von Russland befreien wolle.