Der spanische Regierungschef von der rechten PP setzt auf Machtdemonstration
In Katalonien soll offensichtlich mit der Rückendeckung der EU und ohne jeden Dialogversuch ein abschreckendes Exempel stattfinden, das die angeschlagene EU weiter beschädigt
Kurz nachdem das katalanische Parlament einer Resolution zugestimmt hat, die Unabhängigkeit von Spanien einzuleiten, reagiert Madrid, das auch mit der Rückendeckung der EU jeden Dialog verweigert hat, mit voller Härte. Der Senat stimmte mehrheitlich mit den Stimmen der PP, der Ciudanos und der PSOE die von der Regierung beschlossenen Zwangsmaßnahmen nach Paragraph 155 zu. Es wird formalrechtlich die Macht exekutiert, offenbar ohne größere Überlegungen, welche Folgen dies haben kann, wenn die vorgeblichen Demokraten jeden Dialog vermeiden.
Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy hat nach einer Besprechung des Ministerrats dann deutlich gemacht, dass er nicht an einer zivilen Verständigung, sondern an der Unterwerfung und Demütigung der Katalanen interessiert ist. Er handelt wie ein feudaler Monarch gegenüber einer aufmüpfigen Bevölkerung, was sicherlich erneut Bilder aus der Franco-Zeit hervorrufen wird, aus der die tief in Korruptionsskandale bis hinauf zu Rajoy versumpfte PP auch stammt.
In einer Ansprache am Abend erläuterte Rajoy die Zwangsmaßnahmen gegen Katalonien im Detail. Er setzte nicht nur die Regierung mitsamt Beratern der bislang autonomen Region ab, sondern löste auch das Parlament auf. Seine Minister sollen nun aus Madrid erst einmal die Amtsführung übernehmen. Abgesetzt wurde auch der widerspenstige Chef der katalanischen Polizei (Mossos). Die Büros von Puigdemont und anderen werden "ausgelöscht", die katalanischen Vertretungen im Ausland geschlossen. Angestellte der katalanischen Behörden können, wenn sie sich nicht den Anordnungen aus Madrid unterwerfen, bestraft werden.
Die spanische Regierung übernimmt auch die Kontrolle über die Telekommunikation und die digitalen Dienste sowie über alle Aktivitäten im Rahmen der Informationstechnologien. Den Fernsehsender TV3 scheint man aber nicht übernehmen zu wollen, wie zunächst angekündigt worden war.
Immerhin sollen in aller Eile "saubere, freie und legale" Neuwahlen stattfinden, und zwar bereits am 21. Dezember. Unklar bleibt, ob die Regierungsmitglieder, Abgeordneten und Parteien, die für die Unabhängigkeit gestimmt haben, hier wieder antreten dürfen.
Rajoy rief zur Ruhe auf, der Rechtsstaat werde die Legalität in Katalonien wiederherstellen. Dass es eben nicht nur um die Aufrechterhaltung des Rechts geht, ist ihm kein Wort wert. Man wolle ja nicht die katalanische Autonomie aufheben oder in sie eingreifen, sondern nur die "Normalität und Legalität" wiederherstellen. Absehbar war, dass die Härte des Vorgehens der spanischen Regierung den Widerstandswillen vieler Katalanen nur steigert. Nur mit einem Dekret aus Madrid wird man die katalanische Regierung nicht entmachten können, hinter der sich viele Katalanen versammeln und durch massenhafte Präsenz Regierung, Parlament und Ministerien schützen. Auch die Mossos scheinen nicht gewillt zu sein, den Befehlen aus Madrid direkt zu folgen. Sie haben eine Demonstration von Unabhängigkeitsgegnern in Barcelona gestoppt. In Barcelona feiern am Abend die Befürworter einer unabhängigen Republik die Unabhängigkeitserklärung.
Wenn nun der Konflikt in Spanien hochkocht und möglicherweise in Gewalt mündet, ist dies auch ein Versagen der EU, natürlich auch der deutschen Regierung unter Angela Merkel. Wenn Außenminister Gabriel erklärt, die Unabhängigkeit nicht anzuerkennen und auf Dialog zu setzen, so hat er keinerlei öffentliche Anstrengung unternommen, die rechte Regierung in Spanien zu einem Dialog aufzufordern, den die katalanische Regierung, wie auch immer taktisch motiviert, angeboten hat und weiter anbietet: "Es bleibt dabei: letztlich können nur Gespräche auf Basis der Rechtsstaatlichkeit und im Rahmen der spanischen Verfassung zu einer Lösung führen - die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens werden wir daher auch nicht anerkennen."
Auch das US-Außenministerium stellt sich hinter die rechte Zentralregierung des Nato-Lands. Man stehe hinter den verfassungsgemäßen Anstrengungen der Regierung, Spanien "stark und vereint" zu erhalten.
Die EU hat es versäumt, in den Konflikt vermittelnd einzugreifen, der absehbar nun kulminiert ist. Selbst in transatlantischen Thinktanks wie dem Center for Strategic & International Studies (CSIS) stößt dies auf harte Kritik. Die EU habe zugeschaut, wie 900 Menschen in einer großen europäischen Stadt von der Polizei verletzt wurden, dann habe der katalanische Präsident Puigdemont um Vermittlung durch das Ausland und Dialog gebeten, ohne Reaktion zu finden. Die EU als Institution des Friedens und der Versöhnung hätte sich als Vermittler anbieten und die Gewalt gegen Zivilisten verurteilen müssen.
Jetzt wird die spanische Regierung die paramilitärische Guardia Civil in großer Zahl schicken müssen, wenn nicht die Armee, um ihren Willen durchzusetzen, da sie jetzt kaum mehr einlenken kann, ohne Ansehen zu verlieren und von den eigenen Nationalisten unter Druck gesetzt zu werden.