Deutsche Atomkraftwerke gehen vom Netz - Umweltschützer dennoch nicht zufrieden
- Deutsche Atomkraftwerke gehen vom Netz - Umweltschützer dennoch nicht zufrieden
- Kein wirklicher Atomausstieg
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Der französische Konzern Framatome gründet ein Joint Venture mit dem russischen Staatskonzern Rosatom. Von Lingen in Deutschland aus soll der Weltmarkt mit Brennstäben versorgt werden. FDP will an Kernenergie festhalten.
Am kommenden Samstag soll nun endlich der Atomausstieg in Deutschland vollzogen werden. Die drei letzten Uraltmeiler sollen am 15. April abgeschaltet werden. Während sich manche Partei eine Hintertür für die Atommeiler offenhalten will, bleibt die Bundesregierung bei der Atomindustrie inkonsequent.
Nötig waren die Meiler zur Stromversorgung in Deutschland ohnehin nicht. Die gefährliche Laufzeitverlängerung über einen Streckbetrieb, die ausgerechnet auch von Grünen in der Ampel-Koalition befürwortet wurde, diente vor allem als Notreserve für Frankreichs Energieversorgung.
Dort wurde die Stromlücke immer größer, weil auch die Risse in den französischen Reaktoren größer wurden. Doch die Klimakatastrophe hat mit einem sehr milden Winter letztlich verhindert, dass es in Frankreich zu einem Stromausfall kam, den auch die Regierung befürchtet hatte.
Die Neoliberalen von der FDP wollen sich aber nicht geschlagen geben, da sie im Notfall weiterhin den französischen Nachbarn beispringen wollen. Die Partei konnte die SPD und die Grünen schon im vergangenen Herbst erfolgreich nicht nur in der Atomfrage vor sich hertreiben. Man bekam den Eindruck, dass FDP-Chef Christian Lindner als "Schattenkanzler" den Ton angibt.
Weil Bundeskanzler Olaf Scholz wegen der Cum-Ex-Affären angeschlagen scheint, versucht Lindners Partei erneut aufzutrumpfen. Gemeinsam mit der oppositionellen CSU will sie den Weiterbetrieb der noch laufenden Atomkraftwerke durchsetzen.
In einem Grundsatzpapier der FDP-Bundestagsfraktion heißt es, die Meiler sollten nach ihrer Abschaltung Mitte April noch mindestens ein Jahr lang betriebsbereit gehalten werden, um sie im Notfall wieder hochfahren zu können. Man sei davon überzeugt, dass die Reihenfolge der Abschaltung der bestehenden Atom- und Kohlekraftwerke in Deutschland mit Blick auf das Klima falsch sei, heißt es in dem Papier.
Auch CSU-Landesgruppenchef Dobrindt forderte die Ampel auf, den Atomausstieg zu revidieren. Er sei nicht nur klimapolitisch falsch. Für ein Hochtechnologieland wie Deutschland sei es fahrlässig, sich aus ideologischen Gründen von einer Zukunftstechnologie zu verabschieden. Dass diese "Zukunftstechnologie" vorwiegend teuer und unsicher ist, kann man in Frankreich, Finnland oder Großbritannien seit vielen Jahren beobachten.
Vor dem Hintergrund des Streits über ein Tempolimit auf Autobahnen ist es wenig glaubhaft, dass die FDP zum Klimaschutz gefunden haben will. Das wissen auch die Liberalen selbst, weshalb sie noch das "Argument" Russland nachschieben. So sollten die Atomkraftwerke "bis zur vollständigen Substitution des russischen Erdgases durch andere Quellen – voraussichtlich im Frühjahr 2024 - reaktivierbar bleiben", zitiert die Welt am Sonntag aus dem Papier.
Das Klimaargument ist natürlich auch in Bezug auf Erdgas nur vorgeschoben, wenn russisches Erdgas vorrangig mit extrem klimaschädlichem Fracking-Flüssiggas (LNG) aus den USA ersetzt werden soll. Dieses ist sogar noch klimaschädlicher als Kohle ist, weil viel Methan freigesetzt wird. Nach Angaben von Experten ist es 120 Mal schädlicher als CO₂.
Um das zu kontern, hat der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seinerseits eine Scheindebatte begonnen. Plötzlich macht er sich scheinbar für Sanktionen gegen Länder stark, die trotz des Kriegs in der Ukraine Uran aus Russland beziehen. Das ließ er bei seinem Besuch vergangene Woche in der Ukraine verlauten.
Sanktionen gegen russisches Uran unwahrscheinlich
Er will nun angeblich den Import von russischem Uran für europäische Kernkraftwerke durch neue EU-Sanktionen zu verbieten. Bei seinen Gesprächen sei es vor allem um "die Lieferung von Uran für Atombrennstäbe nach Europa aus Russland" gegangen, sagte der Vizekanzler auf der Rückfahrt aus Kiew. Sanktionen müssten kommen, "auch wenn das für die Länder, die Atomkraftwerke mit russischem Uran noch bestücken, eine Umstellung bedeutet." Das hält er für zumutbar: "Dafür werde ich mich also einsetzen", versprach er.
Diese Aussagen sind allerdings so glaubwürdig, wie die Klimaschutz-Aussagen der FDP: Ausgerechnet Frankreich müsste sanktioniert werden. Denn unser Nachbarland hängt am russischen Uran-Tropf. Genau deshalb wurden auch im zehnten Sanktionspaket der EU gegen Russland erneut keine Einschränkungen für die russische Atomwirtschaft verhängt. Immer wieder wird, wie gerade erneut, Frankreich mit Uran aus Russland beliefert. Wieder einmal legte das russische Frachtschiff Mikhail Dudin in Rotterdam und Dunkerque mit der strahlenden Fracht an. Immer wieder wird dabei auch russisches Uran an die Brennelementefabrik im deutschen Lingen geliefert.
Das zeigt, dass es ab dem 15. April keinen wirklichen Atomausstieg geben wird oder dass es sich bei den Äußerungen von Habeck um reine Propaganda zu handeln scheint, mit der er unbequemen Fragen in der Ukraine aus dem Weg gehen wollte. Schon lange ist klar, dass der französische Atomkonzern Framatom, der die Brennelementefabrik in Lingen betreibt, sogar an einer Zusammenarbeit in Lingen mit dem russischen Staatskonzern Rosatom strickt. Inzwischen steht fest, dass die beiden Konzerne ein Joint Venture gegründet haben. Das niedersächsische Umweltministerium bestätigte im Wesentlichen einen Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Das Joint Venture sei in Frankreich gegründet worden, räumte ein Ministeriumssprecher ein. Der ursprüngliche Antrag sei in Deutschland zurückgezogen worden. Derzeit liege dem Umweltministerium in Hannover als atomrechtlicher Genehmigungsbehörde ein Antrag vor, in Lingen in Lizenz sechseckige Brennelemente für den Einsatz in osteuropäischen Atomkraftwerken herzustellen. Dazu ist eine enge Kooperation mit Rosatom geplant, da der russische Konzern bislang das Monopol für sechseckige Brennelemente besitzt. Nach Schätzungen von Experten des EU-Parlaments kontrolliert der russische Konzern, der direkt der Regierung untersteht, 96 Prozent des nuklearen Materials in Russland.
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