Deutsche Bahn: Mit 20.000 Managern auf dem Weg zur Privatisierung?
Seite 2: "Es fehlt der politische Wille, nicht die Möglichkeit zur Kontrolle"
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Aber es nutzt doch wenig, nur den gegenwärtigen Zustand bei der Bahn zu verteidigen. In einem Sonderbericht des Bundesrechnungshofs "zur Dauerkrise der Deutschen Bahn" vom Frühjahr ist die Rede von "einem gravierenden Kontrollmangel". In dem Bericht heißt es: "Die Bundesregierung sollte endlich das Interesse des Bundes als Eigentümer der DB AG bestimmen." Sehen Sie das auch so?
Carl Waßmuth: Das wäre sicher sinnvoll: rein mit konkreten Zielvorgaben für Erhalt und Ausbau in die Satzung der DB! Dann können wir das Management daran messen, meinetwegen auch mit ihren Bonuszahlungen! Aber Ziele festzulegen, geht schon jetzt problemlos, dafür müssen keine Teile abgespalten werden.
Der Bund muss lediglich auf einer Eigentümerversammlung einen solchen Beschluss fassen, den Rest können ein Staatssekretär und ein Notar erledigen. Bekanntlich gehört die DB dem Bund, und der Bundesverkehrsminister besetzt den Aufsichtsrat.
Wenn der Vorstand sich den Vorgaben des Eigentümers verweigert, dann entlässt ihn der Aufsichtsrat – so funktionieren Aktiengesellschaften! Die Kontrolllücke entsteht nur, weil die Bundesregierung und der Verkehrsminister nicht von ihrem Recht Gebrauch machen. Es fehlt der Wille, nicht die Möglichkeit.
Würde mehr Konkurrenz dem Betrieb nicht guttun?
Carl Waßmuth: Einen echten Wettbewerb kann es bei einer Infrastruktur wie dem Schienenverkehr nicht geben. Die Kunden haben doch keine Wahl, mit welchem Zug sie zur Arbeit und wieder zurückfahren.
Die Verkehrsgesellschaften bewerben sich um regionale und zeitliche Monopole und bedienen dann bestimmte Strecken in der Regel 15 bis 25 Jahre lang. Hinzu kommt, dass die Gesellschaften nur mit 25.000 Euro Eigenkapital haften.
Letztlich trägt der Steuerzahler die Kosten, wenn etwas schiefgeht. Die Bilanz der Privatisierung im Regionalverkehr ist desaströs: Es gibt zersplitterte Tarife, Insolvenzen wie die der Abellio Rail, es gibt Regionen, in denen monatelang nichts fährt, weil die Gesellschaften keine Lokführer finden oder die Wagen fehlen.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) scheint dennoch zu begrüßen, dass die Bahnkonkurrenz gestärkt wird.
Carl Waßmuth: Ich kann das nicht nachvollziehen, denn die Lokführer werden Hauptleidtragende der Aufspaltung sein. Ihre Tarifverträge kommen sukzessive unter die Räder. Aber die GDL ist bei den Privaten stärker verankert und gilt als durchsetzungsfähiger.
Bei der DB gerät sie bekanntlich mit der EVG aneinander, die das Tarifeinheitsgesetz mit angeschoben hat, um die GDL abzuwehren.
Ich fürchte, dass diese Konkurrenz unter den Gewerkschaften sich auch auf die gesellschaftspolitische Ebene auswirkt: Wenn die EVG eine Aufspaltung der Bahn ablehnt, denkt vielleicht die GDL-Spitze, sie muss die Zerschlagung dann befürworten.
Mal ehrlich: wird sich die Privatisierung Ihrer Meinung nach verhindern lassen?
Carl Waßmuth: Ich denke schon. Spätestens zu den Bundestagswahlen hin werden die Grünen und die SPD Farbe bekennen müssen, wie es weitergehen soll. Das Thema muss die Gewerkschaften ebenso interessieren wie die Klimagerechtigkeitsbewegung.
Die Bahn ist das einzige flächendeckende Verkehrssystem, das die Chance bietet, den Treibhausgas-Ausstoß zu senken. Wenn die Bahn weiter zerstückelt und ausgeschlachtet wird, bleiben nur noch Flugzeug, Pkw und Lkw übrig.