Deutsche Rüstungsexporte: Es bleibt bei Endverbleibverklärungen
Seit Jahren fordern Menschenrechtler und Juristen effektive Methoden zur Kontrolle von Waffenverkäufen. Geschehen ist Wenig. Das mag auch an Parteispenden liegen
Im Waffenhandel spielt Deutschland von Handfeuerwaffen bis zu Kampfjets ganz vorne mit. In den letzten fünf Jahren verkauften nur die USA, Russland und Frankreich mehr Rüstungsgüter. Und da man in Deutschland auf Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Wert legt, wurden Kontrollinstrumente wie das Kriegswaffenkontrollgesetz und Exportgenehmigungen geschaffen.
Da Waffen nicht selten in die Hände von Gruppen geraten, die mit oben genannten Werten nicht so viel zu tun haben, sollte eine Endverbleibserklärung sicherstellen, dass in Deutschland produzierende Waffenhersteller und ihre genehmigten Kunden die Waffen nicht an Dritte weitergeben.
Obwohl immer wieder Waffen ungenehmigt in Diktaturen und bei terroristischen Gruppen landeten, waren diese Endverbleibserklärungen lange das stärkste Argument, um Waffenexporte gegen Kritik zu verteidigen.
Im März dieses Jahres aber urteilte der Bundesgerichtshofs (BGH), dass Endverbleibserklärungen nicht Teil der Exportgenehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz sind.
Waffen für Repression und Terror
Damit bestätigte der BGH ein Urteil des Stuttgarter Landgerichts gegen die schwäbische Rüstungsschmiede Heckler & Koch. Auch die Stuttgarter Richter sahen die Endverbleibserklärung nicht als Teil der Rüstungsexportgenehmigung.
In dem Fall wurde eine Klage von Jürgen Grässlin, dem Sprecher der Initiative "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel", gegen den Export von G-36 Sturmgewehren nach Mexiko verhandelt.
Ein guter Teil der fast 5.000 Gewehre landeten in den mexikanischen Bundesstaaten Jalisco, Chiapas, Guerrero und Chihuahua, in die wegen der dort prekären Menschenrechtslage keine deutschen Waffen exportiert werden dürfen.
Möglicherweise spielten die Gewehre sogar eine unrühmliche Rolle in einem bekannten Gewaltverbrechen im Jahr 2014, bei dem fast 40 Lehramtsstudierende verschwanden und weitere getötet und schwer verletzt wurden.
Da in der Exportgenehmigung jedoch einfach "Mexiko" angegeben worden war, wurde der Ausfuhrantrag genehmigt, wobei möglicherweise einige an Korruption grenzende Partei- und Wahlkampfspenden an CDU, FDP und den CDU-Kreisverband Rottweil von Volker Kauder (CDU) nachgeholfen hatten.
Stephan Möhrle vom Verein Rüstungsinformationsbüro beklagt, dass solche falsche Angaben mit der bisherigen Gesetzeslage in Deutschland nicht strafrechtlich verfolgt, sondern nur Ordnungswidrigkeit geahndet werden:
Sowohl Landgericht als auch BGH argumentieren schlussendlich damit, sie müssten hinnehmen, dass der Gesetzgeber im Kriegswaffenkontrollgesetz - im Gegensatz zum Außenwirtschaftsgesetz - das Erschleichen von Genehmigungen nicht als strafbare Handlung bewertet.
Stephan Möhrle, RJüstungsinformationsbüro
Nur eine Ordnungswidrigkeit?
Richter Jürgen Schäfer begründete sein Urteil mit Paragraf 22 Absatz 1 Nr. 4 Kriegswaffenkontrollgesetz. Demnach wird bestraft, wer die hier betroffenen Güter ohne Genehmigung ausführt.
Ohne Genehmigung handelt aber nicht, wer Waren aufgrund einer erschlichenen Genehmigung ausführt. Eine erschlichene Genehmigung ist verwaltungsrechtlich zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig. […] Dies bedeutet die Ausfuhr unter Verwendung einer erschlichenen Genehmigung stellt eine Ausfuhr mit einer Genehmigung dar.
Richter Jürgen Schäfer
Statt einer Strafe von über vier Millionen Euro, musste Heckler & Koch somit nur den, aus dem illegalen Geschäft eingenommenen, Umsatz von 3,7 Millionen Euro zurückzahlen. Zwei ehemalige Mitarbeiter wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt - andere, so etwa der Vertriebsmitarbeiter in Mexiko, blieben unbestraft und zumindest nach dem ersten Urteil weiter beschäftigt.
Die "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel", das RüstungsInformationsbüro, Ohne Rüstung Leben, die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko und das European Center for Constitutional and Human Rights bezeichneten das Urteil als "Bankrotterklärung für die deutsche Rüstungsexportkontrolle".
Jahre später, 2019, wurde in einem fast gleichgelagerten Fall ähnlich entschieden: Einige ehemals führende Angestellte des Rüstungskonzerns Sig Sauer für das Erschleichen der Ausfuhrgenehmigung für 38.000 Pistolen, die über die USA ins Bürgerkriegsland Kolumbien gelangten, zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt. Der Konzern sollte die 11,1 Millionen Euro Umsatzerlös aus dem Geschäft zurückzahlen.
Dieses Urteil wurde im Juli 2021 in weiten Teilen bestätigt – die Revision einer der drei Sig-Sauer-Gesellschaften, der Sig Sauer GmbH & Co. KG, ging jedoch durch. Der Fall wurde zur Neuverhandlung an das Kieler Landesgericht weitergeleitet.
Gesetzgeber muss ran
Die Regierung entsprach zwar mit einem Beschluss im Jahr 2019 ihrem Koalitionsversprechen, mehr Exportkontrolle bei den besonders oft für Menschenrechtsverstöße verantwortlichen Handfeuerwaffen zu schaffen, indem sie solche Exporte für sogenannte Drittstaaten (weder EU- noch Nato-, oder Nato-gleichgestellte Länder wie Australien, Neuseeland Schweiz) ablehnte.
Ein umfassendes Rüstungsexportkontrollgesetz, wie es die Kläger gegen Heckler & Koch gefordert hatten, und was auch Richter Schäfer in die Verantwortung des Gesetzgebers stellte, kam aber nicht auf den Weg.
Solche Schlupflöcher zu schließen, scheint bisher auch kaum jemand im Wahlkampf für wichtig zu halten. Weiterhin werden Waffen an Diktaturen und Monarchien wie Ägypten und Marokko verkauft, wie auch an Terrorunterstützer Katar.
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