Deutsche mehrheitlich gegen Auslieferung Puigdemonts
Der Spiegel sieht in der Haltung der Bundesregierung eine indirekte Botschaft Angela Merkels an "Separatisten aus der eigenen Schwesterpartei"
Einer seit dem 26. laufenden Civey-Umfrage im Auftrag der Tageszeitung Die Welt zufolge sprechen sich 51,1 Prozent der Deutschen gegen eine Auslieferung des abgesetzten katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont nach Spanien aus. Dafür sind lediglich 35,1 Prozent der Teilnehmer, weitere 13,8 Prozent geben sich unentschieden. Noch eindeutiger ist die Stimmung in der Apester-Umfrage von Telepolis, an der sich etwa 1.100 Leser beteiligten, welche sich mit 96 zu vier Prozent gegen eine Auslieferung aussprachen.
Diese Bürgermeinung steht im Gegensatz zur Haltung Angela Merkels, für die ihr Sprecher Steffen Seibert verlautbarte, Spanien sei "ein demokratischer Rechtsstaat" und die Bundesregierung der "Überzeugung, dass der Katalonien-Konflikt innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung gelöst werden" müsse, weshalb sie "die klare Haltung der spanischen Regierung zur Gewährleistung dieser Rechts- und Verfassungsordnung unterstütz[e]" (vgl. Puigdemont-Auslieferung: Nicht so einfach, wie die ARD meint).
Merkel "unmissverständlich an die Seite der Madrider Zentralregierung"
Michael Sauga, der Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros, meinte heute Morgen, die Lösung des "Rätsels", "warum sich die Bundesregierung so unmissverständlich an die Seite der Madrider Zentralregierung gestellt hat", liege darin, dass Merkel damit auch "eine Warnung an die Separatisten aus der eigenen Schwesterpartei" aussprechen wollte.
Dagegen spricht, dass eine Selbständigkeit Bayerns zwar von knapp einem Drittel der bayerischen Wähler, aber nicht von der aktuellen CSU-Führung gewünscht wird (vgl. Umfrage: Fast ein Drittel der Bayern für Austritt aus der Bundesrepublik). Wilfried Scharnagl, der 2012 mit seinem Buch Bayern kann es auch allein Aufsehen erregte (vgl. Das große bayerische Aufbegehren), ist seit dem Tod von Franz Josef Strauß politisch weitgehend kaltgestellt, woran sich wenig ändern dürfte, solange Parteichef Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder im Oktober ein Landtagswahlergebnis einfahren, dass es ihnen erlaubt, an der Macht zu bleiben.
Lucke besucht Haftanstalt
Für die tatsächlich eine Selbständigkeit Bayerns anstrebende CSU-Konkurrenz von der Bayernpartei, aus deren Programm Scharnagl inhaltlich abgeschriebenen hat, stellte Parteichef Florian Weber am Montag Strafanzeige "gegen alle Beteiligten" an der Festnahme des abgesetzten katalanischen Regierungschefs. Als Rechtsgrundlagen dafür sieht er den § 234a StGB, der die "Verschleppung" von Menschen unter Strafe stellt (vgl. Puigdemont: Die deutsche Rechtslage und die deutsche Politik).
Überhaupt scheint der inhaftierte Katalane kleineren deutschen Parteien eher am Herzen zu liegen als großen: Der Europaabgeordnete Bernd Lucke von der liberalkonservativen AfD-Abspaltung LKR besuchte Puigdemont heute sogar in der Justizvollzugsanstalt Neumünster. Dem Focus sagte Lucke, er habe den Eindruck "dass es sich hier um politische Verfolgung handelt", dass Puigdemont Asyl gewährt werden sollte, und dass "sein Ehrenwort, dass er das Land nicht verlässt", bis zur Prüfung des Auslieferungsantrages ein angemessenere Lösung als die Haft wäre.
Clara Ponsati meldet sich bei schottischer Polizei
In Katalonien kam das Parlament währenddessen zu einer Sondersitzung zusammen, um über Puigdemont und andere Politiker im schweizerischen, schottischen oder belgischen Exil zu sprechen. Clara Ponsati, die ebenso wie Puigdemont mit Europäischem Haftbefehl gesuchte ehemalige katalanische Regionalministerin, meldete sich währenddessen auf einer Polizeiwache in Edinburghs und wies dort die Vorwürfe der spanischen Justiz zurück.
Schottland und Belgien dürften diese Politiker auch deshalb als Fluchtorte gewählt haben, weil in diesen Ländern mit der SNP und der N-VA separatistische Parteien aus dem Europaparlamentszusammenschluss Europäische Freie Allianz (EFA) an der Regierung sind, zu der auch die katalanische Separatistenpartei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) zählt. Sie scheint nach der Festnahme in Deutschland bereit, Puigdemont trotz rechtlicher Probleme erneut zum Präsidenten mitzuwählen (vgl. Puigdemont soll nun doch wieder Präsident werden).
Dazu verabschiedeten die Abgeordneten heute eine Resolution, die ihm das "politische Recht" zuspricht, sich wählen zu lassen. Klappt das bis zum 20. Mai weder mit ihm noch mit einem anderen Kandidaten, wird das Parlament aufgelöst und es gibt erneut vorgezogene Wahlen.
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