Umfrage: Fast ein Drittel der Bayern für Austritt aus der Bundesrepublik
Auch 21 Prozent der Sachsen befürworten eine Unabhängigkeit ihres Bundeslandes
In einer YouGov-Erhebung im Auftrag der Bild-Zeitung stimmten in Bayern 32 Prozent der Teilnehmer dem Satz "Mein Bundesland sollte unabhängig von Deutschland sein" zu. Gegenüber einer Umfrage, die die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung vor fünf Jahren im Freistaat durchführen ließ (und in der sich ein knappes Viertel der Bayern zum Separatismus bekannte), wäre das eine Anteilssteigerung von gut sieben Punkten. In Schottland liegt der Anteil der Unabhängigkeitsbefürworter der Survation-Umfrage vom 7. Juni nach mit 36 Prozent nur um vier Punkte darüber.
Ein noch überraschenderes Ergebnis der Umfrage ist, dass auch in vielen anderen Bundesländern der Anteil der Unabhängigkeitsbefürworter bemerkenswert hoch ist: Im Saarland, wo 1955 32,3 Prozent gegen einen Anschluss an die Bundesrepublik stimmten, wären auch heute noch (oder wieder) 22 Prozent für eine Selbständigkeit des Gebiets, in dem Peter Scholl-Latour einmal Regierungssprecher war.
Unabhängigkeitswunsch in Ostdeutschland ausgeprägter als im Westen
Gemeinsam mit dem Saarland auf Platz zwei der Bundesländer mit den meisten Unabhängigkeitsbefürwortern liegt das erst 27 Jahre zur Bundesrepublik gehörige Thüringen, wo ebenfalls 22 Prozent die Unabhängigkeitsfrage bejahen - knapp gefolgt vom östlichen Nachbarn Sachsen, der mit 21 Prozent nur sehr knapp dahinter liegt. Auch in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, die bis 1990 gleichfalls zur DDR gehören, ist der Anteil mit 21 und 20 Prozent verhältnismäßig hoch. Unter 20 Prozent liegt der Anteil der Unabhängigkeitsbefürworter lediglich in Brandenburg, dem Umland von Berlin, und in der Bundeshauptstadt selbst, wo trotz weitgehender finanzieller Abhängigkeit von Steuergeld aus anderen Bundesländern 13 Prozent der Einwohner Unabhängigkeitsbefürworter sind.
Abgesehen von Bayern und dem Saarland ist in den westlichen Bundesländern das Unabhängigkeitsstreben mit 19 Prozent in Baden-Württemberg am höchsten, wo es auch Einwohner gibt, die sich eine Angliederung an die geographisch und teilweise auch sprachlich nicht sehr weit entfernte Schweiz wünschen (vgl. "Neutrale, aber unabhängige Kleinstaaten mit direkter Demokratie").
Deutlich geringer ausgeprägt ist der Wunsch nach Selbständigkeit in Bremen (15 Prozent), Nordrhein-Westfalen (14 Prozent), Hamburg (13 Prozent), Hessen (10 Prozent), Niedersachsen (8 Prozent), Schleswig-Holstein (8 Prozent) und Rheinland-Pfalz (8 Prozent). Die Option einer Angliederung an Dänemark (vgl. Südschleswig zurück an Dänemark?) bot YouGov den Südschleswigern dabei ebenso wenig an wie das Institut die Pfälzer nach ihrer Position zu einer Wiederangliederung an Bayern fragte, für die ein Volksbegehren 1956 nicht die notwendigen Unterschriften erreichte.
Europäischer Trend
Die überraschenden Umfragewerte passen allerdings zum europäischen Trend, dass Regionen wie Katalonien, das Baskenland, Schottland, Südtirol, Flandern oder Venetien selbstbewusster werden und mehr Selbständigkeit oder sogar Unabhängigkeit einfordern. Dem Volkswirtschaftler Philipp Bagus zufolge funktionieren solche kleineren Einheiten potenziell besser als große, weil die staatlichen Planer dort weniger weit von den Bürgern entfernt sind und deshalb ein kleineres "Informationsproblem" haben (vgl. Kleinstaaten sind erfolgreich).
Diese These untermauert er mit Statistiken, denen zufolge neun der zehn wettbewerbsfähigsten Länder der Welt Klein- oder Kleinststaaten wie Hongkong, die Schweiz und Singapur sind. Nur eine einzige Großmacht findet sich in diesen Top Ten: Die USA auf Platz vier. Auf der diesjährigen Münchner Ludwig-von-Mises-Konferenz soll dieser Ansatz unter anderem mit dem schweizerischen Rechtswissenschaftler David Dürr diskutiert werden, dem "selbst die vermeintlich kleine Schweiz noch ein zu großer Staat ist".
In Deutschland steht einem Umbau der Bundesrepublik in kleinere, leistungsfähigere und demokratischere Einheiten allerdings ein Beschluss der drei Verfassungsrichter Peter M. Huber, Sibylle Kessal-Wulf und Doris König entgegen, die im letzten Jahr eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Volksabstimmung über den Austritt Bayerns aus der Bundesrepublik Deutschland nicht zur Entscheidung annahmen. In der nur zwei Sätze langen Begründung stellen sie sich auf den Standpunkt, die Bundesländer seien nicht die "Herren des Grundgesetzes", weshalb die Verfassung für "Sezessionsbestrebungen einzelner Länder […] keinen Raum" lasse. (vgl. Beschwerde zu Volksabstimmung über bayerische Unabhängigkeit nicht angenommen).
Die Bayernpartei, die eine bayerische Sezession anstrebt, gibt diese Bestrebungen nach dieser Entscheidung ebenso wenig auf wie die katalonischen Parteien nach entsprechenden spanischen Gerichtsentscheidungen: Ihr Jugendverband erinnert auf Facebook daran, dass Bayern dem Grundgesetz 1949 nicht zustimmte und sich "bis heute lediglich damit arrangiert hat".
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