Deutscher Terror in Nahost

Seite 2: IS-Einheiten, in denen niemand Arabisch spricht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Hinweise darauf, wie groß das Problem des europäischen Terrorexports für die Menschen vor Ort ist, gab es in den letzten Jahren immer wieder. Die irakische Regierung wies früh darauf hin, dass einige der grausamsten Verbrechen von europäischen IS-Kämpfern begangen werden.

Syrische und irakische Aktivisten und Politiker, die darauf verwiesen, dass der IS auch ein westliches Phänomen sei, stießen hierzulande entweder auf den Vorwurf, Verschwörungstheorien zu stricken oder von eigenen Fehlern ablenken zu wollen. Syrische Truppen - sowohl auf Regierungs- als auch Oppositionsseite - berichteten immer wieder darüber, dass es ganze Einheiten beim IS gebe, in denen kein einziger Kämpfer Arabisch spreche. Die Verkehrssprachen stattdessen: Russisch, Französisch oder Deutsch.

Eine dieser deutschen Gruppen innerhalb des IS war die "Lohberger Brigade". Auch wenn nicht klar ist, ob die nach einem Stadtteil der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Dinslaken benannte Gruppe tatsächlich eine eigene Kampfeinheit innerhalb des IS oder nur eine Selbstbezeichnung darstellte, so kannten sich ihre über ein Dutzend Mitglieder doch und waren gemeinsam im nordsyrischen Ort Manbij im Einsatz.

Zur Lohberger Brigade gehörte neben Pizzabote und Selbstmordattentäter Philip B. auch Mustafa K., der Bekanntheit erlangte, nachdem er 2014 grinsend auf einem Foto mit einem abgeschlagenen Kopf posierte. Weitere Mitglieder waren Marcel L. und Nils D., die 2013 nach Syrien ausreisten und unter anderem an der Folterung von Gefangenen beteiligt gewesen sein sollen.

Deutsche dienten dem IS nicht nur als Fußvolk

Deutsche dienten im IS aber nicht nur als Folterknechte und Selbstmordattentäter. Behauptungen wie die von Ex-Verfassungschef Hans-Georg Maaßen, Deutsche würden als namenlose Kämpfer vom IS einfach verheizt, entpuppen sich bei genauerem Hinsehen zumindest als irreführend.

Viele Deutsche übernahmen wichtige Posten in der IS-Hierarchie und prägten dessen Terror teils von ganz oben mit. Martin L., ein ehemaliger Schweißer aus Sachsen-Anhalt, der derzeit in kurdischer Haft sitzt, soll sich vom Sittenpolizisten und Folterknecht bis zum Geheimdienstler mit Kontakten bis in die Führungsspitze hochgearbeitet haben.

Der Gladbecker Levent Ö., der im Dezember 2018 von einem irakischen Gericht zum Tode verurteilt wurde, soll als Ausbilder gedient haben. Baum-Freund Christian E. stand Recherchen der Süddeutschen Zeitung zufolge ebenfalls weit oben in der Hierarchie der Terrororganisation und war wahrscheinlich als Rekrutierer tätig.

Reda S., der aus Berlin-Charlottenburg jahrelang salafistische Propagandavideos produzierte, stiegt unter IS-Herrschaft möglicherweise bis zum Bildungsminister der irakischen Großstadt Mossul auf. Und der Ex-Rapper Denis Cuspert soll zu den wichtigsten Personen in der IS-Medienorganisation Al-Hayat gehört haben, bis er vermutlich bei einem amerikanischen Luftangriff im Januar 2018 starb.

Heute stellen nur noch wenige deutsche Terroristen eine Gefahr für die Menschen in der Region dar. Nur in der Islamisten-Enklave Idlib sollen sich derzeit noch einige Dutzend aktive deutsche Kämpfer befinden.

Fünf Jahre nachdem der Deutsche Robert Baum dutzende Syrer in den Tod riss, wird dieser Tage wieder viel diskutiert, welche Bedrohungen die verbliebenen deutschen IS-Terroristen für die Bundesrepublik darstellen. Die Debatte über die Verantwortung der Bundesrepublik für den deutschen Terror in Nahost bleibt weiter aus.