Deutschland: Debatte um Einführung einer "allgemeinen Dienstpflicht"
Politiker schwärmen von Vorteilen für das "staatsbürgerliche Bewusstsein" und den "gesellschaftlichen Zusammenhalt"
2011 trat der CSU-Politiker Karl Theodor von und zu Guttenberg als Bundesverteidigungsminister zurück. Heute erinnert man sich vor allem wegen Dreierlei noch an ihn: Wegen seiner Plagiatsaffäre (mit der er indirekt eine ganze Reihe von "promovierten" Politikern in Schwierigkeiten brachte), wegen seiner Ehefrau (die in einer Boulevardfernsehsendung für Internetzensur warb) - und wegen seiner de-facto-Abschaffung der Wehrpflicht.
Die aktuelle CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat nun angeregt, diese Abschaffung faktisch wieder rückgängig zu machen. Sie lässt gerade über eine "allgemeine Dienstpflicht" debattieren, über die Ende 2018 ein Parteitag entscheiden soll. Anregung für Kramp-Karrenbauers Idee dürfte Schweden gewesen sein. Dort hatte eine rot-grüne Regierung im letzten Jahr die 2010 abgeschaffte Wehrpflicht wieder eingeführt - vorerst für etwa ein Zehntel der Männer und Frauen eines Jahrgangs, was Gleichbehandlungsfragen aufwirft, die Kramp-Karrenbauers Modell mit einer Ersatzdienstverpflichtung lösen würde (vgl. Schweden: Militär fordert Verdopplung des Verteidigungsbudgets).
SPD und FDP gespalten
In der CDU äußerten sich bislang unter anderem die Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg und Philipp Amthor sowie der Jugendverbandsvorsitzende Paul Ziemiak begeistert über den Vorschlag der Generalsekretärin. Letzterer sprach dabei von der "Möglichkeit, etwas zurückzugeben und gleichzeitig den Zusammenhalt im Land zu stärken." Die amtierende Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen begrüßte die ihrer Ansicht nach "sehr hilfreiche und gute Debatte", ließ aber gleichzeitig verlautbaren, diese sei "parteipolitisch" und stehe "ganz am Anfang".
Diese Ansicht hielt Vertreter anderer Parteien nicht davon ab, die Debatte aufzunehmen - wobei sich zeigte, dass die SPD hier uneins ist: Während Thomas Hitschler, der Parteivorstandsbeauftragte für Bundeswehrfragen, von einer "Nebelkerzen" sprach, die der Bundeswehr nicht "helfe", meinte Fritz Felgentreu, der Obmann der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuss, es gebe "Sympathien für die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht", die nicht dem "Stopfen von Personallücken", sondern dem "staatsbürgerlichen Bewusstsein" und dem "gesellschaftlichen Zusammenhalt" diene, aber rechtlich womöglich schwierig umzusetzen sei.
Ebenfalls gespalten gibt sich die FDP: Während Parteichef Lindner ökonomischen Unsinn und eine "Verstaatlichung von Lebenszeit", kritisiert, betont die Bremer Fraktionschefin Lencke Steiner, wie wichtig es sei, "früh Verantwortung zu übernehmen und zu lernen, für andere einzustehen".
Grüne ("absurd"), Linkspartei ("zurück ins letzte Jahrhundert") und Bayernpartei lehnen den Vorstoß ebenfalls ab, während ihn Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ("auch Ausländer heranziehen") und die AfD begrüßen. Ihre Begründung, dass die Einführung einer Wehrpflicht "dem Willen der Bevölkerung entspricht", leiten die Alternativen aus einer Civey-Umfrage für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) ab. Darin befürworten 55,6 Prozent der Befragten eine Wehrpflichtwiederaufnahme, die 27 Prozent "auf keinen Fall" und weitere 12,6 Prozent "eher nicht" wollen.
"Da soll erst mal die CDU-Fraktion bluten"
In Sozialen Medien findet man pointiertere und unterhaltsamere Meinungen dazu - und vor allem die ausführlicheren Begründungen, die in den Meinungsumfragen fehlen. Der Welt-Blogger Don Alphonso meint hier beispielsweise, dass die Bundeswehrkrise auch selbstgemacht ist, weil sich viele denken: "Sterben fürs Vaterland, ok, vielleicht, aber sterben für Merkels Weltproblemlösungshybris in einem kaputtgesparten Helikopter im Tschad, weil man Umstandsuniformen brauchte? Da soll erst mal die CDU-Fraktion bluten."
Eine nur teilweise mit dieser Menge identische Personengruppe hat der Schwulemiker im Auge, wenn er ein intersektionalistisches Argumentationsmuster mit folgender Forderung parodiert: "Wehrpflicht ja, aber nur für Frauen. Die Jahrtausende alte Ungerechtigkeit muss endlich ausgeglichen werden." Und Christian Schmidt konstatiert, dass eine Wehrpflicht für Frauen eigentlich ein "feministischer Traum" sein müsste, da sie "ein staatliches Umerziehungslager entgegen der Rollen[muster]" sein würde.
Darth Monchichi merkt dagegen an, dass eine Wehrpflicht für viele Angehörige der Schneeflöckchengeneration "viel zu teuer" käme, wenn der Musterung und der Einberufung jeweils eine Traumatherapie und danach die Ausmusterung folgen würden. Zivildienst könne man "Leuten, die von einem Gedicht traumatisiert werden" ebenfalls nicht zumuten.
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